Friede & Wohlstand
Die Stadt Augsburg ist um ein besonderes Projekt reicher: „Pax & Pecunia“ (Friede & Wohlstand) lautet der vielsagende Titel einer Ausstellung im Schaezlerpalais. Präsentiert werden unter anderem 32 Gouachen, Kopien von barocken Deckengemälden, die einst Geschäfts- und Wohnräume von Stadthäusern, Treppenhäusern und Festsälen, aber auch Gartenpavillons der Fuggerstadt zierten und vom einstigen Wohlstand des Handelszentrums zeugten. Die von Verfall und Zerstörung bedrohten Kunstwerke wurden ab 1936 von dem Kunstmaler Karl Nicolai im Auftrag der Stadt Augsburg kopiert, wodurch Großartiges für die Nachwelt festgehalten wurde. Doch mehr dazu gleich.
Zuvor sei noch gesagt, dass nicht Wissenschaftler des Museums hinter der Erforschung der barocken Fresken stecken, sondern der Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Augsburg. Genauer gesagt Dr. Andrea Gottdang, Professorin der Kunstgeschichte an der Uni Augsburg, die gemeinsam mit Dr. Angelika Dreyer, wissenschaftliche Mitarbeiterin des „Corpus der barocken Deckenmalerei Deutschland“ das spannende Projekt leitete. Auch Gottdangs Studenten spielten eine wichtige Rolle. Zu Beginn war es für sie jedoch nicht ganz einfach.
„Gerade zu Beginn des Studiums ist es normalerweise so, dass sich die Studierenden an die Wissenschaft herantasten, indem sie lesen, was andere über Kunstwerke geschrieben haben“, erläutert die Professorin. „So setzen sie sich mit der Methodik auseinander. Der Umstand hier war, dass die Studierenden praktisch nur die Kunstwerke hatten und in wenigen Fällen Literatur dazu.“ Für die Forschung standen den Studenten der Kunstgeschichte lediglich Handbücher aus der Zeit des Barock zur Verfügung sowie Quellen des Stadtarchivs Augsburg. So gelang es ihnen trotz anfänglicher Berührungsängste, die Geschichten der verschiedenen Stadthäuser zu rekonstruieren.
Dabei kam auch die eine oder andere Überraschung zutage: „So wissen wir jetzt zum Beispiel, dass das heutige Maximilianmuseum nicht einem Kupferstecher und Verleger gehörte, wie die Literatur bisher besagt, sondern eine Frau die Eigentümerin gewesen ist.“ Bei einem weiteren prominenten Beispiel, dem Roeck-Haus, fand eine Studentin heraus, dass ebenfalls eine Frau, nämlich Maria Anna Tonella, Auftraggeberin der Fresken war.
„Das ist schon ungewöhnlich und eine regelrechte Besonderheit. Meistens verantworteten wohl die Männer die Programmgestaltung. Maria Anna Tonella kam aus einer gebildeten Familie und hatte offenbar das Rüstzeug, sich mit dem Künstler selbst etwas zu überlegen, was sie sehr geschickt anstellte“, erzählt Gottdang.
Die kaufmännischen Tugenden
Spannende Informationen und Rückschlüsse über den Lebensstil der Haus- und Geschäftsbesitzer ließen sich anhand der barocken Deckenfresken und Wandmalereien ziehen, so Gottdang. Die Eigentümer oder Auftraggeber der Fresken legten sogar Wert darauf: „Augsburg war eine reiche Kaufmannsstadt. Die Fresken thematisieren vorwiegend den Handel. Man war stolz darauf, dass man es wegen seiner kaufmännischen Tugenden durch den Handel zu Wohlstand gebracht hat“, meint die Professorin. In manchen Fresken seien auch deutliche Signale gesetzt worden, die direkten Bezug auf die Auftraggeber nahmen. So wurden beispielsweise die Wahrzeichen der jeweiligen Kaufleute auf den abgebildeten Handelsballen eingearbeitet.
„Ein Auftraggeber wurde gerade frisch geadelt und ließ sich eine Personifikation des Adels, der von den Künsten umgeben ist, an die Decke malen. Es gab schon immer einen Bezug der Themen zum Auftraggeber und seinen Neigungen“, führt Gottdang fort.
Auch die Tugenden spielten eine wichtige Rolle. Sie erläutert: „Ganz wichtig ist die Frömmigkeit. Im Roeck-Haus gibt es ein Gemälde. Es zeigt ein Schiff auf hoher See, das in den Hafen einläuft. Darin sind die Tugenden benannt. Die Mannschaft ist fromm, sie ist arbeitsam, nicht faul, sie ist vorausschauend und umsichtig und auf Gott ausgerichtet.“
Eine weitere wichtige Tugend sei die Gerechtigkeit, eine Kaufmannsgerechtigkeit: „‚Jedem das Seine‘ ist ein Sinnspruch, den man in diesem Zusammenhang findet, auch in diesem Zyklus, im Fresko ‚Der gerechte Handel‘ von Vitus Felix Rigl. Dass man seine Schäflein ins Trockene bringen soll und darf und auch stolz darauf ist, aber niemanden übervorteilen soll“, erklärt Gottdang.
Merkur – der Gott der Kaufleute
Für die Aufträge des Geldadels gab es im Augsburg des 18. Jahrhunderts eine ortsspezifische Ikonografie. So zeigt beispielsweise das oben genannte Fresko „Der gerechte Handel“, wie Minerva, die Göttin der Weisheit und des Wissens, mit Merkur zusammentrifft. Merkur, der Gott des Handels, sei in Augsburg allgegenwärtig, erklärt Gottdang. Bestes Beispiel dafür sei der Merkurbrunnen, der für jedermann sichtbar ist: „Er ist der Gott der Kaufleute, auch des Wissens und Handelns mit Informationen. Insofern ist er das perfekte Match zu Minerva, der Göttin der Weisheit, die hier aber gleichzeitig Attribute der Gerechtigkeit trägt. Es sind zwei Figuren, die man in Augsburg immer wieder finden wird.“
Aus demselben Zyklus stamme „Der Kuss von Friede und Gerechtigkeit“. Darin begegnen sich die Personifikationen von Friede und Gerechtigkeit, damit Handel möglich ist, meint Gottdang: „Hier ist es ganz spannend, dass die Gerechtigkeit (Justitia) kein Schwert in der Hand hält, so wie wir sie heute vor Justizgebäuden kennen. Sie trägt stattdessen ein Kreuz. Sie ist eine bürgerliche Gerechtigkeit, die fromm ist, aber keine exekutive. Hier wird mit ganz feinen Mitteln die Botschaft differenziert transportiert.“
Arbeit trotz Adelsstand
Im Gespräch mit Gottdang ist noch mehr über den damaligen Zeitgeist und die Tugenden, die in den Fresken zum Ausdruck kommen, zu erfahren: „Natürlich gab es noch Deckenmalerei in anderen Städten dieser Zeit. In Venedig beispielsweise haben wir eine adlige Gesellschaft – aber wer dem Adel angehörte, durfte praktisch nicht mehr arbeiten, das war unter dem Stand. Diese Thematik haben wir in Augsburg überhaupt nicht. Dort durfte man als Kaufmann weiter seinen Geschäften nachgehen, auch nachdem man in den Adelsstand erhoben wurde. Man war stolz darauf. Das ist eine Augsburger Besonderheit.“
In der barocken Malerei, vor allem in der Repräsentationsmalerei, sei es nicht nur um Dekoration, Prachtentfaltung und Pomp gegangen. Das sei zwar auch der Fall gewesen, die Idee dahinter war aber, der Stadt beziehungsweise dem Gemeinwesen etwas zurückzugeben, wenn man es zu Wohlstand gebracht hatte. Das tat man, indem man seine Häuser schmückte.
„Gäste besuchten die Häuser, sahen diese Pracht und trugen es dann weiter, indem sie an anderen Orten darüber berichteten. Es war auch eine Tugend, die Häuser auszuschmücken. Das kommt uns heute seltsam vor, denn wir verbinden es vielmehr mit Luxus und ausschweifendem Leben. Seinerzeit galt es aber wirklich als tugendhafte Handlung, diese Schönheit weiterzugeben“, erklärt Gottdang.
Ein kulturelles Erbe, das entzückt
Welch Glück, dass die Stadt Augsburg zur rechten Zeit den Kunstmaler Karl Nicolai beauftragte, Kopien der Fresken anzufertigen. „Bis in die 30er-Jahre hatte sich die Stadt fast ausschließlich für die Fassadenmalerei interessiert. Barocke Deckenmalerei hatte man nicht im Blick“, sagt Gottdang. Als 1936 aber Gebäude umgebaut beziehungsweise abgerissen werden sollten und die Deckenmalereien mit diesen Maßnahmen zerstört werden würden, fasste die Stadt Augsburg den Beschluss, barocke Deckenmalereien in Bürgerhäusern aufnehmen zu lassen, um sie der Nachwelt zu überliefern.
In den Fundus aufgenommen wurden zum einen Häuser in Privatbesitz, die nur schwer zugänglich waren, als auch Häuser, die vom Abriss bedroht waren. „Das erklärt auch, warum das Schaezlerpalais und auch das Rathaus erst so spät, nämlich in den 40er-Jahren, in den Fundus aufgenommen wurden. Schließlich stand die Bedrohung des Zweiten Weltkrieges unmittelbar bevor. Gleichzeitig war es auch eine günstige Gelegenheit, den lokalen Maler Nicolai, der immer sehen musste, wie er über die Runden kam, zu versorgen, ohne ihm Almosen geben zu müssen“, so Gottdang.
Zwei Jahre wissenschaftliche Arbeit und viel Herzblut steckten Gottdang, Dreyer und ihr Team in das Projekt. Das machte sich durchaus bezahlt: „Bei der Eröffnung gab es einen enormen Publikumsandrang. Offenbar besteht ein großes Interesse in der Stadt. Uns freut es über die Maßen, wenn wir etwas von dem, was wir auf der Uni erarbeiten, an die Stadtgesellschaft zurückgeben und den Menschen vermitteln können“, freut sich Gottdang. Die Ausstellung ist noch bis zum 11. September 2022 zu sehen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 55, vom 30. Juli 2022.
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