600 Jahre Tradition
Auf einem Hochplateau zwischen dem österreichischen Dachsteingebirge und dem Ennstal steht die traditionsreiche Lodenwalkerfabrik. In ihrem Inneren führen 35 Handwerker die Arbeit fort, die dort 1434 begann: die Herstellung eines besonders haltbaren Wollstoffs, dem Loden.
Die Fabrik wurde durch Hochwasser völlig zerstört und bereits fünfmal wieder aufgebaut. Sie hat den Zeiten und der Moderne getrotzt und ihre alten Techniken beibehalten, die andernorts nicht mehr verwendet werden. Einige der Maschinen sind Jahrhunderte alt.
„Ich glaube, dass ehrliche Arbeit der Schlüssel ist, um einen Betrieb über einen so langen Zeitraum zu erhalten“, sagt Jörg Steiner, der jetzige Eigentümer. Seine Familie führt den Betrieb bereits seit 15 Generationen. Davor war er im Besitz verschiedener Bauernfamilien in der kleinen 2000-Seelen-Stadt Ramsau am Dachstein.
Ehrliche Arbeit bedeute „einen fairen und nachhaltigen Umgang mit Mensch, Tier und Umwelt und kein unnötiges oder zwanghaftes Wachstum“, so Steiner.
Lodenwalker war schon immer ein energieautarkes Unternehmen, das die lokale Wasserkraft für den Einsatz ihrer Maschinen nutzt. Der Großteil der Maschinen wurde im 19. Jahrhundert in Betrieb genommen. Die traditionellen Handwerksmethoden benötigen wenig Energie. Anstelle von Wäschetrocknern, hängen die Arbeiter von Lodenwalker riesige Stoffbahnen zum Lufttrocknen auf.
„Es sieht fast aus wie eine riesige Wäscheleine“, sagt Steiner über die 65 Meter lange Holzkonstruktion außerhalb der Fabrik.
Lodenwalker verwendet keine chemische Imprägnierung wie viele andere Textilhersteller. Durch das Walken wird die Wolle haltbar und wasserabweisend gemacht. Der Stoff wird im warmen Wasser gehämmert, wodurch er sich auf 40 Prozent seiner ursprünglichen Größe verdichtet.
„Diese uralte Arbeitstechnik macht unseren Stoff zu Loden“, so Steiner. Loden ist das Material der traditionellen Gewänder der Region und so haltbar, dass die Kleidungsstücke oft Jahrzehnte überdauern. „Die Mode ändert sich von Jahr zu Jahr oder von Jahrhundert zu Jahrhundert“, sagt Steiner, aber der Stoff bleibt derselbe.
Das Walken
„Walken ist etwas, das man instinktiv macht“, erklärt er. Der Handwerker spürt die Auswirkungen auf die Wolle, formt und bearbeitet sie. Obwohl das Walken während der Industriellen Revolution weitgehend aus der Praxis verschwunden ist, ist dieser handwerkliche Prozess bei Lodenwalker nach wie vor essenziell.
Steiner betont, wie wichtig es ist, das Geschäft in der Hand zu behalten – es einfach und beständig zu halten, ohne zwanghaft zu expandieren. Lodenwalker vertreibt nicht über andere Unternehmen, sondern pflegt den direkten Kontakt zu seinen Kunden. Ein moderner Impuls für das Geschäft ist der Online-Verkauf, der den Markt weltweit geöffnet hat.
Die Fabrik steht Besuchern offen, und Steiner freut sich, wenn Kunden kommen, um sich ein Bild von der sorgfältigen Arbeit zu machen, „die in jedem Produkt steckt“.
„Die Textilindustrie ist in einer schnelllebigen Zeit wie der heutigen alles andere als gesund und nachhaltig“, so Steiner. Das Motto von Lodenwalker lautet: „Wolle braucht Zeit“.
Es dauere etwa drei Monate, um aus dem Rohmaterial einen Meter fertige Wolle herzustellen, erklärt er. Danach wird die Wolle zu Kleidungsstücken verarbeitet.
Wolle braucht Zeit
Die Wolle stammt von den robusten Bergschafen der Region, obwohl einige Anzüge und Mäntel aus australischer Merinowolle hergestellt werden. Schurwolle hat den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu Kunstfasern auf Petroleumbasis eine erneuerbare Ressource ist.
Die Wolle durchläuft eine Kardiermaschine, eine Ergänzung der Fabrik aus dem 19. Jahrhundert. Mit Nadeln besetzte Walzen kämmen die Wolle. Anschließend durchläuft sie die Spinn- und Webmaschinen, die nicht lange nach der Kardiermaschine in die Fabrik kamen.
Die Wolle wird zu Fäden gesponnen, die zu Tausenden auf den Webstuhl gelegt und zu verschiedenen Mustern gewebt werden. Wie beispielsweise zu einer Köperbindung, die ein Muster aus diagonalen Rippen erzeugt.
„Das Weben ist eine Technik, bei der man sehr genau kalkulieren und arbeiten muss“, sagt Steiner. Er stellt sie dem eher instinktiven Prozess des Walkens gegenüber. Steiners Ausbildung an einer Textilfachschule konzentrierte sich auf das Weben. Aber, so Steiner, „das wirkliche Know-how habe ich aus der praktischen Erfahrung von Fachkräften gewonnen. Deshalb ist es wichtig, das Wissen von Generation zu Generation weiterzugeben.“
Viele der Mitarbeiter von Lodenwalker haben, wie Steiner, die Tradition der Lodenherstellung von ihren Vorfahren weitergeführt. „Als ich 2006 den Betrieb übernahm, kannten mich viele Mitarbeiter schon von Kindesbeinen an. Ich habe mich immer wie ein Mitglied einer großen Familie gefühlt. So wurden auch unsere Mitarbeiter behandelt, und ich versuche, dies beizubehalten“, sagte er.
Nach dem Weben wird der Stoff auf einem Leuchttisch ausgebreitet, wo die Arbeiter die Qualität penibel prüfen und eventuelle Mängel von Hand ausbessern. Danach folgt das Walken, Färben und Trocknen.
Der letzte Schritt ist die Veredelung, zu der auch das Noppen gehört. Es ist das Überstreichen des Stoffes mit Disteln, um ihn aufzulockern und weich zu machen. Steiner schwört auf Naturdisteln anstelle von synthetischen Bürsten für das Noppen.
„Dank dieser alten Technik werden unsere Schurwolldecken auf eine sehr sanfte Weise aufgeraut. Diese Methode hilft, elektrostatische Aufladung und das Ausreißen von Fasern zu vermeiden“, so Steiner.
Über den gesamten Produktionsprozess sagt er: „Ein Schritt führt zum nächsten, wie bei einem Uhrwerk. Wenn eine Kleinigkeit in einem einzelnen Schritt nicht richtig funktioniert, hat das Auswirkungen auf den gesamten Prozess. Was für uns wichtig ist, ist die Zeit, wir produzieren absichtlich ‚langsam‘.“
Das Vermächtnis von Lodenwalker
Die Zeit scheint in Lodenwalker nur sehr langsam vergangen zu sein, obwohl sie nicht stehen geblieben ist. Der Lodenstoff ist im Wesentlichen derselbe wie der vor sechs Jahrhunderten, auch wenn sich der Stil der Kleidung geändert hat. Ein paar Maschinen haben Einzug in die Fabrik gehalten, die allerdings inzwischen selbst Antiquitäten sind.
Seit Steiner 2006 im Alter von 25 Jahren die Leitung des Unternehmens übernommen hat, gab es einige Höhen und Tiefen. Wenn auch nicht in dem Ausmaß wie bei den zerstörerischen Überschwemmungen, mit denen seine Vorfahren zu kämpfen hatten.
„Es gibt immer wieder Herausforderungen, wie die Suche nach geeignetem Personal oder die Aufrechterhaltung des Betriebs der alten Maschinen. Auch die Pandemie hat uns vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Aber insgesamt würde ich sagen, dass ich großes Glück habe, denn wir leben in einer Zeit, in die unsere Philosophie und unsere Produkte perfekt passen.“
Sein 13-jähriger Sohn ist daran interessiert, den Beruf der Familie fortzuführen. Jedoch sagt Steiner, dass er den Jungen nicht unter Druck setzen wird, falls dieser sich für einen anderen Weg entscheidet. Steiners Weg war für ihn immer klar. Er hat Kraft und Weisheit aus der Führung seiner Eltern und der Unterstützung seiner Frau geschöpft.
„Die wichtigste Lektion, die ich von meinen Eltern und Vorfahren gelernt habe, war und ist es, sich selbst und dem Geschäft treu zu bleiben“, meint Steiner.
Der Artikel erschien zuerst im Radiant Life Magazin.
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