„Zentralisierung wird durch Länder stattfinden“: Lauterbach lobt Krankenhausreform als „Revolution“

Am Mittwoch hat das Bundeskabinett der geplanten Krankenhausreform von Minister Lauterbach zugestimmt. Dieser lobt das Projekt als „Revolution“ für das Gesundheitswesen. Die Länder stellen sich quer und wollen den Vermittlungsausschuss anrufen.
Die Ziele der Krankenhausreform: weniger wirtschaftlicher Druck, mehr Spezialisierung und einheitliche Qualitätsregeln.
Die Ziele der Krankenhausreform: Weniger wirtschaftlicher Druck, mehr Spezialisierung und einheitliche Qualitätsregeln.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 15. Mai 2024

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch, 15. Mai, grünes Licht für die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplante Krankenhausreform gegeben. Das Gesetz soll mit 1. Januar 2025 in Kraft treten. Die erste Lesung ist noch vor der Sommerpause geplant. Die Reform soll wirtschaftlichen Druck von den Krankenanstalten nehmen, qualitative Einschätzungen erleichtern und mehr Spezialisierung ermöglichen.

Widerstand gibt es aus den Ländern, von Klinikbetreibern selbst und den Krankenkassen. Zu den am häufigsten genannten Kritikpunkten gehört, dass die Reform zur Zentralisierung und zur Ausdünnung der Versorgung im ländlichen Raum beitrage.

Lauterbach nennt Versorgungsqualität, Ökonomisierung und Bürokratie als Herausforderungen

In einer Pressekonferenz in Berlin hat Minister Lauterbach sein Projekt verteidigt. Er sprach darin von einem „sehr guten Tag für Patientinnen und Patienten“ und einer „Revolution im Krankenhaussektor“. Der Minister äußerte, die „größte Krankenhausreform seit 20 Jahren“ adressiere die drei zentralen Probleme, die das deutsche Gesundheitswesen derzeit kennzeichneten.

Bei diesen handele es sich zum einen um die Versorgungsqualität: Kliniken ohne höheren Spezialisierungsgrad böten Leistungen an, denen sie nicht gerecht würden. Gleichzeitig seien Spezialkliniken häufig zu wenig ausgelastet.

Die Finanzierung der Krankenanstalten über Fallpauschalen habe zu einer Ökonomisierung geführt. Infolgedessen führten Kliniken medizinisch nicht zwingend notwendige Knie- oder Hüftoperationen durch, um auf diese Weise ihren Finanzierungsbedarf zu decken. Außerdem schaffe das derzeitige System einen Kontrollaufwand, der die Ärzte und Klinikmitarbeiter mit unnötiger Bürokratie belaste.

Minister bezweifelt Wegfall kleiner Landkliniken durch Krankenhausreform

Die Reform solle in all diesen Bereichen Abhilfe schaffen, so Lauterbach. Die Spezialisierung durch Schaffung von Leistungsgruppen werde dazu führen, dass nicht mehr alle Kliniken alle Leistungen anbieten dürften. Es werde Spezialkliniken geben, in denen der Qualitätsstandard dadurch abgesichert sei, dass ausreichend Fachärzte und Personal mit einschlägiger Erfahrung bereitstünden. Für die Definition von Kriterien will Lauterbach 65 Leistungsgruppen festlegen – und jedes Krankenhaus einer dieser Gruppen zuordnen.

Da die Finanzierung der Krankenanstalten in der Breite zu 60 Prozent über Vorhaltepauschalen statt Fallpauschalen erfolgen werde, fielen Anreize für nicht erforderliche Eingriffe weg. Dies senke wiederum die Bürokratie, weil kein so hoher Kontrollaufwand für die Mittelverwendung mehr erforderlich sei.

In Deutschland gebe es derzeit 1.700 Kliniken, so Lauterbach. Dafür reichten weder Ärzte noch Pflegepersonal noch finanzielle Mittel aus. Ein von Ländern und gesetzlichen Krankenversicherungen finanzierter Transformationsfonds im Umfang von 50 Millionen Euro soll über die kommenden zehn Jahre die Umgestaltung auf Länderebene stützen.

„Leistungsgruppen für kleine Kliniken nicht zu bewerkstelligen“

Im Vorfeld des Beschlusses hatten Länder einen Stopp des Reformvorhabens gefordert. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) hat Lauterbach eine Blockade der Gesetzespläne durch den Vermittlungsausschuss im Bundesrat angedroht. Lucha hatte über längere Zeit hinweg die Verhandlungen aufseiten der Länder angeführt.

In der „Augsburger Allgemeinen“ warf er Lauterbach vor, sich über die Planungshoheit der Länder in diesem Bereich hinwegzusetzen. Der Minister habe „mehrfachen Wortbruch“ begangen und glaube, „zentralistisch vom Bund aus über das Krankenhausangebot vor Ort entscheiden zu können“, fügt Lucha hinzu.

„Dieses Vorgehen ist exakt 75 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes traurig.“

Vor allem die geplanten neuen Leistungsgruppen, die kleine Kliniken zur Sicherstellung ihrer weiteren Finanzierung gewährleisten müssten, seien unrealistisch. Außerdem würden durch die Reform einseitig Länderhaushalte und Kassen mit der Finanzierung belastet.

Der Chef der Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sieht „die Stabilität der Krankenhausversorgung in Deutschland“ bedroht. In dieser Weise äußerte er sich am Mittwoch gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND).

Krankenhausreform eröffne vor allem den Ländern selbst Spielräume

Lauterbach erklärte in der Pressekonferenz, die Debatten mit Ländern und Verbänden seien konstruktiv verlaufen. Weitere würden folgen. Der Bund werde sich „bei der ambulanten Versorgung und bei der Bürokratie, aber nicht bei der Qualität bewegen“.

Die Kritik, dass die Versorgung leide und kleine Kliniken in ländlichen Räumen nicht überleben würden, teilt der Minister nicht. Vor allem diesen würden die Vorhaltepauschalen eine Sicherheit geben. Inwieweit es eine Zentralisierung geben werde, würden die Länder selbst entscheiden.

Dies würde über die Zuweisung der Leistungsgruppen erfolgen. Die Länder könnten die Zahl der Kliniken, die bestimmte Leistungen anbieten, selbst bestimmen. Der Bund kontrolliere, ob die dafür vorgeschriebenen Mindeststandards auch eingehalten würden. Dazu gehöre zwingend eine Ausstattung, die einer Spezialklinik gerecht werde.

Lucha: „Wenn Vermittlungsergebnis da ist, wird Lauterbach nicht mehr Minister sein“

Die neuen Regelungen würden es den Ländern erlauben, bei Bedarf „eine radikale und komplette Umstrukturierung der eigenen Krankenhauslandschaft“ durchzuführen. Gleichzeitig zeigte sich Lauterbach zuversichtlich, dass es „aufgrund des Gesetzes zu keiner Schließungswelle“ kommen werde.

Die Länder haben Lauterbach angedroht, den Vermittlungsausschuss anzurufen. In welchen Teilen des Gesetzes der Minister Neuregelungen im Verordnungsweg durchsetzen könnte, ist strittig. Lucha rechnet fix mit einem Tätigwerden des Vermittlungsausschusses:

„Und ob Karl Lauterbach dann ein gemeinsames Vermittlungsergebnis noch in seiner Amtszeit als Minister erleben wird, halte ich für fraglich.“



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