Verschmutzte Luft und Nahrung: Wie viel Mikroplastik essen und atmen Deutsche?

Kaum ein Spaziergang stolpert nicht am Wegesrand über Plastik, das mit der Zeit zu Mikroplastik zerfällt. Wie groß das Problem der kleinen Teilchen ist, zeigt eine Studie aus den USA. Demnach hat sich nicht nur die Belastung in den Meeren, sondern auch in der Luft in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht.
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Indonesier nehmen monatlich 15 Gramm Mikroplastik über die Nahrung auf, während Menschen in Paraguay nur 0,85 Gramm Mikroplastik essen.Foto: OlgaMiltsova/iStock
Von 31. Mai 2024

Mikroplastik, also Plastikpartikel, die kleiner als fünf Millimeter sind, stellen ein wachsendes Problem für die Umwelt und die öffentliche Gesundheit dar. Da die Partikel im Boden, in der Luft und in Gewässern allgegenwärtig sind, können sie unerkannt von Organismen jeglicher Art aufgenommen werden. Die Menschen treiben diese Belastung voran, indem sie seit Jahren mehr und mehr Plastik verwenden oder dieses nicht sachgemäß entsorgen.

Wie hochgenau die Belastung durch Mikroplastik haben Forscher der US-amerikanischen Cornell University untersucht. Hierfür erstellten sie eine Karte, die die Aufnahme von Partikeln durch Menschen in 109 Ländern und auf fünf Kontinenten von 1990 bis 2018 zeigt.

Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass Südostasiaten die Rangliste der Pro-Kopf-Aufnahme anführen. Außerdem gibt es deutliche Unterschiede zwischen Mikroplastik, das über die Nahrung aufgenommen wurde und jenem aus der Luft.

Karte zur Pro-Kopf-Aufnahme von Mikroplastik

Karte zur Pro-Kopf-Aufnahme von Mikroplastik in 109 Ländern: Die Forscher unterschieden zwischen der Aufnahme des Plastiks durch die Nahrung (a) und über die Atmung (c). Besonders viel Mikroplastik enthalten Fisch und Meeresfrüchte, gefolgt von Getreide (b). Foto: Zhao, You (2024), CC BY-NC-ND 4.0 DEED

Drei Kreditkarten monatlich essen

Die Studie von Xiang Zhao und Fengqi You baut auf bestehenden Datenmodellen auf, mit denen abgeschätzt wird, wie viel Mikroplastik ein Mensch unwissentlich zu sich nimmt. Dabei berücksichtigten die Forscher sowohl die Essgewohnheiten und Lebensmittelverarbeitungstechnologien sowie die Altersdemografie und die Atemfrequenz der einzelnen Länder.

Aus den Daten geht hervor, dass das meiste Mikroplastik über die Nahrung in Malaysia aufgenommen wurde – gefolgt von Indonesien und den Philippinen. In Summe isst ein Malaysier laut Studie monatlich 15 Gramm Mikroplastik, was etwa drei Kreditkarten entspricht. [Anm. d. Red.: Sowohl Pressemitteilung als auch Text der Studie weisen Indonesien mit 15 Gramm auf dem ersten Platz aus. Laut Karte aus der Studie sowie den Rohdaten im Anhang liegt Malaysia an der Spitze. Auf Nachfrage der Epoch Times bestätigte Fengqi You, dass Malaysia die Rangliste führt. Die von Epoch Times aufbereiteten Rohdaten finden Sie hier.]

Für Deutschland ermittelten die Forscher eine monatliche Pro-Kopf-Aufnahmemenge von 1,84 Gramm Mikroplastik, während Paraguay mit 0,85 Gramm den niedrigsten Wert aufweist.

Drei Kreditkarten (etwa 5 Gramm) isst jeder Malaysier pro Monat, wobei das Mikroplastik hauptsächlich aus Fisch stammt. Deutsche essen noch etwa viereinhalb Kreditkarten pro Jahr.

Drei Kreditkarten (etwa 5 Gramm) isst jeder Malaysier pro Monat, wobei das Mikroplastik hauptsächlich aus Fisch stammt. Deutsche essen demnach etwa viereinhalb Kreditkarten pro Jahr. Foto: ts | Epoch Times, Rimma_Bondarenko/iStock

Am meisten Mikroplastik essen Menschen in Südostasien, Ägypten und an der Atlantikküste Zentralafrikas. Deutschland liegt im Vergleich der untersuchten Länder auf Platz 79 von 109.

Am meisten Mikroplastik essen Menschen in Südostasien, Ägypten und an der Atlantikküste Zentralafrikas. Deutschland liegt im Vergleich der untersuchten Länder auf Platz 79 von 109. Foto: ts | Epoch Times nach Zhao, You (2024)

Doch wie kommt es zu diesem enormen Unterschied? Ein Grund könnte die Wahl der Nahrungsmittel beziehungsweise deren Herkunft sein. So waren 70 Prozent des von den Malaysiern aufgenommenen Plastiks in Meeresfrüchten und ähnlichem enthalten, was die Plastikverschmutzung der Meere verdeutlicht.

Unterschiedlich hohe Mikroplastik-Belastung der Lebensmittel

Außerdem konnten die Forscher zeigen, dass Indonesier und US-Amerikaner zwar in etwa gleich viel Salz pro Kopf verbrauchten, die Mikroplastik-Belastung im indonesischen Speisesalz aber rund 100 Mal höher war.

Derartige Aussagen waren möglich, da die Forscher in ihrer Studie die Konzentrationen von Mikroplastik in wichtigsten Lebensmittelgruppen wie Obst, Gemüse, Eiweiß, Getreide, Milchprodukte, Getränke, Zucker oder Salz getrennt betrachteten. Ebenfalls berücksichtigt wurde die jeweilige konsumierte Menge einer Lebensmittelgruppe pro Land.

„Die Industrialisierung in den Entwicklungsländern, insbesondere in Ost- und Südasien, hat zu einem erhöhten Verbrauch von Kunststoffen, zur Abfallerzeugung und zur Aufnahme von Mikroplastik durch den Menschen geführt. In den Industrieländern hingegen ist ein umgekehrter Trend zu beobachten“, erklärte You.

Schlechte Luft in China

Betrachtet man jedoch die Aufnahme von Mikroplastik über die Luft, zeigt sich ein anderes Bild: Hier führen Länder wie China und die Mongolei mit mehr als 2,8 Millionen eingeatmeten Partikeln pro Tag die Liste an. Hochgerechnet auf einen Monat sind dies mehr als 85 Millionen Plastikteilchen, die ein Mensch einatmet.

Deutschland kommt in dieser Rangliste mit etwa 79.000 eingeatmeten Partikel pro Tag – also 2,37 Millionen Plastikteilchen pro Monat – auf einen geteilten 45. Platz. Am wenigsten Plastik atmen die Bewohner des Mittelmeerraums – wie Spanien und Portugal – ein: Hier liegt die geschätzte Menge bei 240.000 Partikeln pro Monat und damit bei einem Zehntel von Deutschland. Noch weniger sollen die Menschen in Südkorea einatmen; wie verlässlich diese Daten sind, bleibt offen.

Eine Studie aus dem Jahr 2023 zeigte bereits, dass ein Mensch jede Stunde etwa 16,2 Stücke Mikroplastik einatmet, was ebenfalls einer Kreditkarte pro Woche entsprechen soll. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die untersuchten Partikelgrößen von denen von Zhao und You unterscheiden. Andernfalls würden Chinesen und Mongolen umgerechnet 1.000 Kreditkarten pro Tag einatmen.

Luft hat keine Balken: Am meisten Mikroplastik atmen Menschen in China und der Mongolei ein, gefolgt von den britischen Inseln. Deutschland teilt sich mit Belgien, Dänemark, Griechenland und Rumänien den 45. Platz.

Am meisten Mikroplastik atmen Menschen in China und der Mongolei ein, gefolgt von den Britischen Inseln. Deutschland teilt sich mit Belgien, Dänemark, Griechenland und Rumänien den 45. Platz. Foto: ts | Epoch Times, schankz/iStock

Luft hat keine Balken und Mikroplastik in der Luft macht nicht an Landesgrenzen halt. Weltweit atmen Menschen benachbarter Länder oft ähnlich viel Mikroplastik ein, wobei Platz 1 (China, Mongolei) und Platz 109 (Südkorea) nur etwa 500 Kilometer Meer trennen. Foto: ts | Epoch Times nach Zhao, You (2024)

Mikroplastik in der Luft in knapp 30 Jahren versechsfacht

Zur Berechnung der eingeatmeten Mikroplastikmenge zogen die Forscher Daten über die Konzentration von Mikroplastik in der Luft, die Altersdemografie und die menschliche Atmungsrate heran.

Insgesamt hat sich in den untersuchten Ländern die Aufnahme von Mikroplastik über die Luft und die Nahrung zwischen 1990 und 2018 mehr als versechsfacht.

„Die Aufnahme von Mikroplastik auf Länderebene ist ein entscheidender Indikator für die Plastikverschmutzung und die Risiken für die öffentliche Gesundheit“, so You. „Eine umfassende globale Kartierung kann die Bemühungen zur Verringerung der Umweltverschmutzung durch eine verbesserte Kontrolle der Wasserqualität und ein effektives Abfallrecycling unterstützen.“

Ein Marathon liegt vor uns

Für die Forscher ist jedoch sicher, dass eine Verringerung der Mikroplastikaufnahme nur dann gelingt, wenn alle Staaten weltweit zusammenarbeiten. So könnten vor allem Industrieländer mit ihrem technologischen Know-how den Entwicklungsländern bei der Abfallverringerung helfen, was wiederum allen Menschen auf der Welt zugutekäme. In ihrer Studie errechneten Zhao und You, dass eine Verringerung des Plastikmülls im Wasser um 90 Prozent zu einer halb so hohen Mikroplastikbelastung führen könnte.

„Die Reinigung des globalen Oberflächenwassersystems ist ein Marathon“, so Zhao. „Unsere globale Karte kann den Startschuss geben. Außerdem macht unsere Studie deutlich, dass die Bekämpfung der Aufnahme von Mikroplastik einen vielschichtigen Ansatz erfordert, der nachhaltige Verpackungslösungen, die Durchsetzung strenger Abfallentsorgungsvorschriften und die Weiterentwicklung von Wasseraufbereitungstechnologien umfasst.“

Zhao und You veröffentlichten ihre Studie am Rande des „Intergovernmental Negotiating Committee on Plastic Pollution“, bei dem über einen „UN-Kunststoffvertrag“ verhandelt wird. Dieses rechtlich bindende Abkommen soll weltweit Regeln für die Produktion und Entsorgung von Plastik festlegen und noch 2024 abgeschlossen werden. Der Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit soll dabei auf der Reduzierung von Mikroplastik in den Weltmeeren liegen.

Die Studie erschien am 24. April 2024 in der Fachzeitschrift „Environmental Science & Technology“.



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