Studien: Nanopartikel sind ein Risiko für Ungeborene

Dass Nanopartikel eine Gefahr für Ungeborene darstellen, galt lange Zeit als unwahrscheinlich, da es wichtige Schranken im Körper überwinden müsste. Dass dies längst geschehen ist, zeigen zwei unabhängige Forschungen aus den Niederlanden und der Schweiz.
Zwei Studien zeigen, dass Nanopartikel ein Risiko für Ungeborene sind.
Bestimmte Nanopartikel stehen im Verdacht, das Geburtsgewicht zu senken sowie Autismus und Atemwegserkrankungen zu verursachen.Foto: Artfoliophoto/iStock
Von 21. Juni 2024

Einwegbecher, Plastiktüten und Verpackungsmaterial: Kunststoffe, die der Witterung ausgesetzt sind, werden mit der Zeit brüchig und geben kleine Partikel von ihrer Oberfläche an die Natur ab.

Diese Kunststoffe sind nur weniger Millimeter bis einige Millionstel Millimeter groß und überall zu finden: im Meer, im Boden oder in der Nahrung. „Und sogar im Blut“, wie Mikrobiologin Meiru Wang und ihre Kollegen von der Universität Leiden, Niederlande, festgestellt haben. Von dort gelangen die Partikel bis ins Herz von heranwachsenden Hühnern oder in die menschliche Plazenta – mit gefährlichen Folgen für Ungeborene.

Vom Blut in den Rest des Körpers …

Bereits ältere Studien belegten, dass eine hohe Konzentration von Nanopartikeln aus Kunststoff bei Hühnerembryonen zu Fehlbildungen des Herzens, der Augen und des Nervensystems führen kann.

Doch um die Gefährlichkeit dessen vollständig verstehen und einschätzen zu können, benötigten die Forscher noch weitere Informationen, unter anderem wie sie sich vom Blut aus in den restlichen Körper ausbreiten. Diese Kenntnisse könnten auch für die Nanomedizin aufschlussreich sein, wo Wissenschaftler Nanopartikel als Trägermaterial für die Verabreichung von Medikamenten einsetzen wollen.

Hierfür verabreichten die Forscher im Rahmen ihrer Studie Polystyrol-Nanopartikel direkt in die Blutbahn von Hühnerembryonen. Dieses synthetische Polymer wird häufig in Verpackungen, im medizinischen Bereich, in Textilien, in der Elektronik und im Bauwesen verwendet. Einige der gängigsten Produkte sind Einwegpappbecher, Spielzeug oder Kleidung.

Doch warum testeten die Forscher ausgerechnet an Vögeln? „Hühnerembryonen sind ein weitverbreitetes Mittel für die Erforschung von Wachstum und Entwicklung. Bei Säugetieren ist es viel schwieriger, Substanzen zu verabreichen oder Messungen durchzuführen, da sich die Embryonen im Mutterleib entwickeln“, sagte Wang.

… direkt in sich entwickelnde Organe

Aufgrund ihrer winzigen Größe können Nanopartikel nicht einmal mit herkömmlichen Mikroskopen gesehen werden. Deswegen markierten die Forscher die Nanopartikel entweder mit Fluoreszenz oder mit Europium – ein seltenes, von Natur aus nicht in einem lebenden Körper vorkommendes Metall –, um sie sichtbar zu machen und verfolgen zu können.

„Wir fanden heraus, dass die Nanokunststoffe die Wände von Blutgefäßen überwinden können und sich in Herz, Leber und Nieren in relativ hohen Mengen anreichern. Einige Nanopartikel wurden über die Nieren ausgeschieden“, erklärt Wang.

Interessanterweise fanden die Forscher diese Kunststoffe auch in den Endokardkissen, einem Bindegewebe im sich bildenden Herzen eines Embryos. „Wir glauben, dass die Nanopartikel durch kleine Öffnungen während der Entwicklung des Herzens in das Organ gelangen können. Diese sind jedoch nur vorübergehend und schließen sich in der Regel, wenn das Herz heranreift“, so Wang.

Nanopartikel – Gefahr für Mutter und Kind?

„Jetzt, da wir wissen, wie sich diese Nanopartikel verbreiten, können wir anfangen, die Gesundheitsrisiken zu untersuchen“, sagt Wang. Und die Aussichten sind nicht unbedingt gut. So gibt es bereits Untersuchungen, die Nanopartikel mit einem höheren Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle in Verbindung bringen.

Vor allem in der Entwicklungsphase können diese Stoffe potenziell sehr gefährlich sein. Daher plädieren die Forscher dafür, dass Ärzte den Schwangeren nicht wahllos Nanomedikamente verabreichen sollten. Eine scheinbar berechtigte Annahme, wie Schweizer Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in ihrer aktuellen Studie zeigen.

In ihren Experimenten an nach Kaiserschnitten zur Verfügung gestellten menschlichen Plazentas zeigte sich, dass Nanopartikel in deren Gewebe die Produktion einer Vielzahl von Botenstoffen stört. Und diese Botenstoffe sind es, die eine gesunde Embryonalentwicklung verhindern und die Blutgefäßbildung schädigen.

Diese Nanopartikel müssen dabei nicht einmal in der Plazenta sein, sondern üben ihre Schäden auch von außerhalb per Fernwirkung aus. „Wir wussten bereits, dass die Plazentaschranke viele Nanopartikel zurückhält oder deren Transport zum Embryo zumindest verzögert“, erklärt Empa-Forscherin Tina Bürki. „Nanopartikel wirken offenbar indirekt auf das Kind im Mutterleib ein, indem sie die Bildung von Blutgefäßen über Botenstoffe hemmen.“

Die Entwicklung des Nervensystems, so zeigen erste weitere Ergebnisse, scheint hingegen nicht betroffen. Welche anderen Störungen die Nanopartikel indirekt auslösen können, sollen kommende Analysen zeigen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion