Studien: Exzessive Internetnutzung verändert Hirnstrukturen von Jugendlichen

Mit etwa 25 Jahren ist die Hirnreife abgeschlossen. Bis dahin kann vieles die Gehirnentwicklung stören. Eines davon ist die exzessive Internetnutzung.
Internetnutzung
Eine exzessive Internetnutzung hat viele negative Auswirkungen auf das Gehirn, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.Foto: ViewApart/iStock
Von 9. August 2024

Viele Menschen heutzutage können sich ein Leben ohne Internet nicht vorstellen. Das betrifft besonders Jugendliche, die ein Leben ohne die virtuelle Welt und soziale Netzwerke gar nicht kennen. Laut dem Statistischen Bundesamt verbringen heute Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren durchschnittlich 224 Minuten am Tag im Internet.

Eine exzessive Internetnutzung macht allerdings süchtig und verdrahtet das Gehirn neu, wie immer mehr Studien herausfinden. Besonders für junge Gehirne stellt das eine große Gefahr dar.

Internetnutzung beeinträchtigt die Gehirnentwicklung von Teenagern

So erschien im Juni 2024 eine systematische Übersicht des University College London, die sich mit diesem Thema beschäftigte. Die Forscher analysierten dafür zwölf Studien mit 237 Jugendlichen im Alter von 10 bis 19 Jahren, bei denen zwischen 2013 und 2023 eine formelle Diagnose der Internetsucht gestellt wurde. Alle Studien untersuchten Jugendliche aus asiatischen Ländern.

Unter der Internetsucht versteht man die Unfähigkeit, dem Drang zur Internetnutzung zu widerstehen. Das wirkt sich negativ auf das psychische Wohlbefinden sowie auf Aspekte des sozialen, schulischen und Arbeitslebens aus.

Alle analysierten Studien nutzten die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), um herauszufinden, wie die Hirnregionen bei Teilnehmern mit Internetsucht in Ruhe und bei der Ausführung einer Aufgabe miteinander interagieren (funktionelle Konnektivität). Die Wissenschaftler beobachteten die Auswirkungen in mehreren Regionen des jugendlichen Gehirns.

Die Studien zeigten eine Mischung aus erhöhter und verringerter Aktivität in Teilen des Gehirns, die während Ruhe aktiviert werden. Die Teile des Gehirns, die für aktives Denken zuständig sind, zeigten eine allgemeine Abnahme der funktionellen Konnektivität.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Veränderungen das Suchtverhalten und die Suchttendenzen bei Jugendlichen fördern. Zudem führen sie bei Heranwachsenden zu Verhaltensänderungen im Zusammenhang mit intellektuellen Fähigkeiten, körperlicher Koordination und geistiger Gesundheit und Entwicklung.

Funktionelle Veränderungen des Gehirns

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Studie aus dem Jahr 2023. Dabei untersuchten die Studienautoren eine Gruppe von 169 Schülern der sechsten und siebten Klasse einer Mittelschule im ländlichen North Carolina. Die Forscher teilten die Schüler in kleinere Gruppen ein, je nachdem, wie oft sie angaben, die Inhalte von Facebook, Instagram und Snapchat aufzurufen.

Die Mitglieder der Gruppe der gewohnheitsmäßigen Nutzer überprüften die Inhalte 15 oder mehr Mal pro Tag, die mäßigen Nutzer zwischen einem und 14 Mal und die nicht gewohnheitsmäßigen Nutzer weniger als einmal pro Tag.

Drei Mal im Jahr sollten die Kinder ein Computerspiel spielen, das Belohnungen und Bestrafungen in Form von lächelnden oder finsteren Gesichtern anzeigte. Währenddessen untersuchten die Forscher ihre Gehirnaktivitäten mithilfe eines Gehirnscans.

Kinder, die häufig ihre sozialen Medien überprüften, wiesen während des Spiels Veränderungen in Gehirnregionen auf, die mit der Belohnungsverarbeitung verbunden sind. Dies reagiert normalerweise auf Erfahrungen wie Geldgewinne oder Risikobereitschaft. Die Kinder hatten Schwierigkeiten diese impulsiven oder gewohnheitsmäßigen Verhaltensweisen zu kontrollieren.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Jugendliche, die mit der Nutzung sozialer Medien aufwachsen, überempfindlich auf Rückmeldungen von anderen Kindern reagieren. Sie erleben auch weniger oder weniger intensive positive Gefühle durch zuvor belohnende Reize. Das könnte sie dazu bringen, verstärkt nach Belohnung zu suchen, um stärkere Gefühle zu erzeugen.

Das gewohnheitsmäßige Überprüfen der sozialen Netzwerke könne allerdings für jede Person unterschiedliche Folgen haben, schrieben die Studienautoren. Bei einigen Kindern könnte das Kontrollieren „zwanghaft und problematisch“ werden, während andere ein „adaptives Verhalten zeigen, das es ihnen ermöglicht, sich in ihrer zunehmend digitalen Umgebung besser zurechtzufinden“, so die Forscher.

Anzeichen einer Störung

Insgesamt scheinen Internetsüchtige ein Verhaltensmuster an den Tag zu legen, das ihr tägliches Funktionieren beeinträchtigt. In diesem Sinn würden sie sich nicht von anderen Süchtigen unterscheiden, meinte Dr. Anthony Anzalone gegenüber Epoch Times.

Er ist klinischer Psychologe und klinischer Assistenzprofessor am Fachbereich für psychische Gesundheit und Verhaltensgesundheit an der Hochschule Stony Brook School of Medicine im US-Bundesstaat New York.

Beispielsweise nutzen Internetsüchtige Bildschirme übermäßig und zeigen Entzugserscheinungen, wenn die Internetnutzung nicht möglich ist. Weitere Merkmale der Internetsucht sind:

  • man ist unfähig dazu, die Internetnutzung zu senken;
  • es herrscht mangelndes Interesse an anderen Aktivitäten;
  • die Bildschirmnutzung wird fortgesetzt, auch wenn Probleme in der realen Welt auftauchen;
  • Spiele werden genutzt, um negative Stimmungen zu vertreiben;
  • Arbeit, Schule/Studium oder Beziehungen werden aufgrund der Bildschirmnutzung vernachlässigt.

Wie eine Internetsucht behandeln?

Wie kann man die Internetsucht behandeln? Die Behandlung der Internetsucht umfasst verschiedene Therapien. So soll man Jugendliche zu anderen Aktivitäten motivieren, um „die gefährliche Mediennutzung“ zu reduzieren, meinte Dr. Anzalone.

Ferner kann man in Form der Familientherapie die Familie stark einbeziehen, um eine „effektive Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Bezugspersonen und Kindern“ zu fördern. Die Familientherapie ist eine Form der Gesprächstherapie. Sie konzentriert sich darauf, die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern zu verbessern und kann bei der Behandlung spezifischer psychischer Gesundheits- oder Verhaltensprobleme helfen.

Zudem empfiehlt der klinische Psychologe die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Sie basiert auf der Idee, dass die Art und Weise, wie Menschen über Situationen denken, ihre Gefühle und ihr Verhalten beeinflussen kann. Mit ihrer Hilfe kann man folglich die verzerrten Bilder beseitigen, die die Patienten von sich selbst oder ihrer Bildschirmnutzung haben könnten.

„In vielen Fällen ist die Internetsucht ein Symptom und nicht die Ursache des Problems“, erklärte Dr. Anzalone. Deshalb sei es wichtig, alle zugrunde liegenden psychischen Erkrankungen zu behandeln, die das Problem verschlimmern könnten. Dazu gehören unter anderem Depressionen, Angstzustände oder ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), fügte er hinzu.

Er betonte jedoch, dass in schweren Fällen eine „digitale Entgiftung“ erforderlich sein könne. Bei dieser Entgiftung wird die nicht notwendige Bildschirmnutzung schrittweise gesenkt. Die ständige digitale Stimulation wird dann durch achtsame Gewohnheiten und qualitativ bessere Aktivitäten ersetzt. Erst nach dieser Entgiftung könnten Kinder gefahrlos wieder langsam an Bildschirme herangeführt werden, so der klinische Psychologe.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „Excessive Internet Use Disrupts Key Parts of the Teenage Brain“. (redaktionelle Bearbeitung as)



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