Studie: Multitasking macht unzufrieden

„Was du tust, das tue ganz“ ist eine Weisheit, die sich ursprünglich auf den Bereich der Arbeit bezieht. Sie hat aber auch im Bereich des Genusses ihre Berechtigung. Das fand eine Studie aus Belgien heraus.
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Multitasking macht nicht glücklicher.Foto: Tom Masolizzul/istockphoto
Von 2. Juli 2024

Mit Computern und dem Internet hat auch der Begriff Multitasking zunehmende Verbreitung gefunden. Insbesondere in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren war Multitasking positiv besetzt und häufig Bestandteil von Jobanforderungsprofilen.

Das Gefühl des Multitaskings beruht jedoch oft nur auf schnellem Wechseln zwischen Aufgaben, was zu kognitiver Überlastung und reduzierter Leistungsfähigkeit führen kann. Es ist in der Regel effektiver, sich auf eine Aufgabe nach der anderen zu konzentrieren, eine Erkenntnis, die sich inzwischen in der Arbeitswelt durchgesetzt hat.

Im persönlichen Bereich lässt diese Einsicht aber noch auf sich warten. Viele Menschen suchen dort nach Entspannung und Befriedigung. Oft kombinieren sie ihr Streben mit anderen genussvollen Tätigkeiten oder auch mit irgendwelchen Arbeiten. So betreiben sie quasi Multitasking im Genussbereich. Die heutige digitalisierte Welt macht all dies nicht nur einfacher, sondern verführt vielmehr häufig auch dazu.

Doch die erhoffte Befriedigungsoptimierung mit Multitasking bleibt nicht nur aus, sondern führt durch ihr Ausbleiben wiederum zu weiteren Befriedigungsversuchen, oft auch in anderen Bereichen. Das jedenfalls hat eine Studie aus Belgien herausgefunden, die in der Fachzeitschrift „Journal of Personality and Social Psychology“ veröffentlicht wurde.

Ablenkung senkt Befriedigungsgrad

Die Studie untersuchte, wie sich Ablenkung auf den „hedonischen Konsum“ auswirkt, ein Begriff, den die Forscher verwenden, um übermäßigen Genuss bei angenehmen Aktivitäten wie Essen oder Videospielen zu definieren.

Stephen Murphy ist Postdoktorand in Psychologie an der Universität Gent in Belgien und der Hauptautor der Studie. In einem LinkedIn-Posting beschreibt er die neuen Untersuchungen: Er und seine Kollegen wollten verstehen, „ob der übermäßige Konsum von angenehmen Dingen und Erfahrungen teilweise darauf zurückzuführen ist, dass es nicht gelingt, den erhofften Genuss aus dem hedonischen Konsum zu ‚extrahieren‘. Führt zum Beispiel die mangelnde Aufmerksamkeit bei einem Film oder einer Mahlzeit dazu, dass wir danach mehr konsumieren, zum Beispiel Naschen oder YouTube-Kurzfilme ansehen, weil die Ablenkung diese Aktivitäten weniger genussvoll macht?“

Die Autoren stellen die Theorie auf, dass ein Grund für übermäßigen Genuss darin liegt, dass Menschen bei Aktivitäten, die sie normalerweise als genussvoll empfinden, abgelenkt sind. Das Forschungsteam fand heraus, dass Personen weniger Freude an diesen Aktivitäten haben, wenn sie sich nicht voll und ganz auf sie konzentrieren können, sodass sie sich danach weniger zufrieden fühlen. Infolgedessen suchen sie später nach weiteren genussvollen Dingen oder Aktivitäten, um die Leere zu füllen.

Die erste Studie beschäftigte sich damit, wie befriedigend das Essen ist, wenn es mit oder ohne Ablenkung eingenommen wird. Die zweite Studie untersuchte das gleiche Phänomen, wobei die befriedigende Tätigkeit vom Essen auf eine breite Palette von „Konsumbereichen“ erweitert wurde.

Geringeres Sättigungsgefühl

Um ihre Hypothese zu testen, führten die Forscher zunächst ein Feldexperiment mit 122 überwiegend weiblichen Teilnehmern durch, die in erster Linie zwischen 18 und 24 Jahre alt waren. Die Frauen wurden vor dem Verzehr ihres Mittagessens gefragt, wie sehr sie es wohl genießen würden. Anschließend aßen sie ihr Mittagessen in einer von drei Situationen: ohne Ablenkung, mit einer gewissen Ablenkung, indem sie sich ein Video ansahen, oder mit starker Ablenkung, während sie das Videospiel Tetris spielten.

Nach der Mahlzeit berichteten die Frauen über mehrere Faktoren: wie gut ihnen die Mahlzeit geschmeckt hat, wie zufrieden sie waren, ob sie zusätzliche Befriedigung – in diesem Fall Essen – wollten, und wenn ja, wie viel sie davon zu sich nahmen. Sie notierten auch, ob sie später am Tag noch etwas genascht haben.

Diejenigen, die während der Ablenkung aßen, genossen ihre Mahlzeit weniger und waren weniger zufrieden. Sie naschten auch mehr und verspürten danach ein größeres Bedürfnis nach weiterer Befriedigung.

Die Forscher nennen diesen Effekt „hedonische Kompensation“ und glauben, dass er auch für andere Aktivitäten als das Essen gilt.

Wer beispielsweise beim Ansehen eines Films telefoniert oder die Wäsche zusammenlegt, würde der Theorie zufolge weniger Befriedigung aus dem Film ziehen. Später würde er deshalb nach weiteren genussvollen Aktivitäten wie einem nächtlichen Snack oder dem Scrollen in den sozialen Medien suchen, um die Lücke zu füllen.

Nicht nur beim Essen

In der zweiten Studie wurde der Fokus über das Essen hinaus erweitert, um die weiteren Auswirkungen des Effekts zu bewerten.

Diese Studie umfasste mehr als 6.000 Konsumszenarien aus verschiedenen Aktivitätsbereichen, darunter Essen, Trinken, Medien/Audio und Freizeitlektüre. Die Studie umfasste eine Gruppe von 220 Teilnehmern, hauptsächlich Frauen zwischen 18 und 71 Jahren. Sie wurden gebeten, täglich sieben kurze Fragebögen zu ihrem „hedonischen Konsum“, ihrer Ablenkung und ihrem Zufriedenheitsgrad auszufüllen.

Die Ergebnisse stimmten mit dem ersten Experiment überein, bei dem festgestellt wurde, dass diejenigen, die während der Ablenkung konsumierten, das Erlebnis weniger genossen, sich weniger zufrieden fühlten und danach ein größeres Bedürfnis nach zusätzlicher Befriedigung verspürten.

„Übermäßiger Konsum wird häufig auf einen Mangel an Selbstkontrolle zurückgeführt“, so Murphy in einer Pressemitteilung. „Unsere Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass übermäßiger Konsum oft auch durch den einfachen menschlichen Wunsch angetrieben wird, ein bestimmtes Maß an Freude an einer Aktivität zu erreichen. Wenn uns Ablenkung in die Quere kommt, ist es wahrscheinlich, dass wir versuchen, dies durch einen höheren Konsum zu kompensieren.“

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „How Screen Time Robs Us of Everyday Pleasures“. (deutsche Bearbeitung jw)



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