Die Kraft der Bäume und das „Waldbaden“

Die Wissenschaftler nennen es das „Waldbaden“, da man tatsächlich mit Körper und Seele zwischen den Bäumen und inmitten ihrer Kraft und Energie eintaucht.
Titelbild
Besonders Waldluft ist reich an Sauerstoff, und es ist bekannt, dass reiner Sauerstoff ein Glücksgefühl in uns auslöst. Ein Spaziergang im Wald lässt die Stresshormone sinken.Foto: Patrik Stollarz/AFP/GettyImages
Von 13. Februar 2016

Haben Sie sich mal Gedanken darüber gemacht, warum ein Spaziergang durch einen Wald so viel Kraft und Energie gibt? Ist es wirklich nur der Moment, den man sich schenkt, um den Alltag und dem Stress zu entfliehen? Oder ist es wirklich die Kraft der Bäume, die einem diese wohltuende „Kopfruhe“ schenkt? Es ist bei weitem sehr viel mehr. Es dreht sich alles um das Einatmen von organischen Substanzen und Ölen, die uns im Wald umgeben.

Diesem Phänomen sind viele Wissenschaftler in den letzten 20 Jahren nachgegangen und kamen zu folgendem Ergebnis:

Sie nennen es das „Waldbaden“, da man tatsächlich mit Körper und Seele zwischen den Bäumen und inmitten ihrer Kraft und Energie eintaucht. Dafür ist die vielseitige Biodiversität verantwortlich, die für uns einen großen Schatz an positiven und gesunden Mikrobakterien bereit hält, die nicht nur in uns  selber vorhanden sind, sondern auch aus den Bäumen und Blättern in die Luft gelangen, die wir dann einatmen. Sich der grünen Welt in den Wäldern auszusetzen, fördert unser physisches und psychisches Wohlergehen. Doch was sind hier genau die Mechanismen?

Waldluft

Besonders Waldluft ist reich an Sauerstoff, und es ist bekannt, dass reiner Sauerstoff ein Glücksgefühl in uns auslöst. Ein Spaziergang im Wald lässt die Stresshormone sinken, stärkt zudem das Immunsystem und kann auch helfen, Virenbakterien und sogar Tumorbildung abzuwehren.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass es drei Stoffe gibt, die unseren Atmungsprozess positiv beeinflussen und uns dadurch glücklicher machen. Der erste sind die gesunden Bakterien, die unser System positiv beeinflussen. Das zweite ist die reiche Welt der Pflanzen, die ganz spezielle Öle absondern, die äußerst gesund für unser Blut sind. Nur ein sauerstoffreiches Blut ist ein gesundes Blut. Drittens die negativ geladenen Ionen, die aus den grünen Blättern in die Luft gelangen. All diese Prozesse helfen uns, sich besser zu fühlen, Energie zu tanken und gestärkt in den Alltag einzutauchen.

Denn von Geburt an umgeben uns nicht nur schlechte, sondern auch gute Bakterien. Sie sind überall zu finden und vor allen Dingen in der Luft, die wir ein Lebenlang ein und ausatmen. Unser gesamter Körper muss mit denen rund um die Uhr umgehen. Und je mehr wir uns in Gefilden bewegen, die all diese Komponenten aufweisen, umso glücklicher und gesünder fühlen wir uns nicht nur, sondern sind es auch.

Diese guten Bakterien sitzen auch im Darm, wo wir unser Essen zerkleinern, die guten Stoffe herausziehen und mithilfe dieser Bakterien den Rest ausscheiden. Auch die Welt der Pflanzen lebt von diesen guten Bakterien und ist damit in der Lage, zerstörende Mikroorganismen abzutöten.

Besonders Bäume sind in der Lage eine Bakterie abzugeben, die sich „Phytonzide“ nennt. Und genau um diese Bakterie handelt es sich, die uns Menschen gut tut, wenn wir einen Waldspaziergang unternehmen.

Der Baum- und Waldflüsterer Peter Wohlleben über „Das geheime Leben der Bäume“

Phytonzide

Das Wort bedeutet: „durch die Pflanze selbst ausgerottet“. Das heißt konkret,  dass diese Bakterie verhindert, dass der Baum von Insekten und Tieren angefressen wird und dann verrottet. Es gibt mehr als 5000 flüchtige Substanzen, die die Pflanzen vor schlechten Bakterien, Pilzen und Insekten schützen. Phytonzide arbeiten allerdings in einem ständigen Prozess, in dem sie das Wachstum der eingreifenden Organismen verhindern.

Mittlerweile werden diese Phytonzide auch in der ganzheitlichen Medizin und vor allen in der Aromatherapie für uns Menschen genutzt. Denn diese Bakterie wird hauptsächlich über die Atemwege eingenommen. Forscher fanden heraus, dass nach einem zweistündigen Waldspaziergang der Körper noch mindestens 7 Tage von dieser flüchtigen Substanz profitiert, die nur über die Atemwege eingenommen wird. Es sind diese speziellen Öle, die über die Bäume abgesondert werden, die wir dann über die Atemwege zu uns nehmen. Blutuntersuchungen haben ergeben, dass das Blut sauerstoffreicher und gesättigter war als bei denen, die sich den ganzen Tag nur in der Stadt aufhalten. Spazierengehen im Wald fördere dadurch sowohl die Entstehung von drei verschiedenen Anti-Krebs-Proteinen, als auch die Bildung ungewöhnlich hoher Mengen natürlicher Killerzellen, die ebenfalls dafür bekannt sind, Krebszellen aufzuspüren und diese zu attackieren.

Auch in der Psychologie hat man längst das positive Verhältnis zwischen Natur und psychischem Befinden erkannt. Es ist nicht nur die Ruhe die von dem Wald ausgeht, es sind auch tatsächlich diese speziellen mikrobiologischen Stoffe in der Luft, die unser Gehirn und damit auch unsere Psyche positiv beeinflussen. Besonders Kindern sollte man öfters einen Waldspaziergang schenken, denn gerade das Hirn des Kindes braucht in der Wachstumsphase diese speziellen Stoffe, die ausschließlich im Wald zu finden sind.

Ein Spaziergang im Wald bietet aber noch viel mehr. Das Spiel zwischen Licht und Schatten, die verschiedensten Geräusche, der Moment und die Möglichkeit in sich selbst hinein zu horchen, all das fördert die Gesundheit und der Wald sollte viel mehr als eine Insel gesehen werden, auf die man sich öfter begeben sollte. Diese kostbare Natur zu respektieren und zu wahren, das sollte uns allen wichtig sein.

Diese Erkenntnis hatte Goethe bereits vor über 200 Jahren.

Ich ging im Walde so vor mich hin

Ich ging im Walde 
So vor mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich 
Ein Blümlein stehn, 
Wie Sterne blinkend, 
Wie Äuglein schön. 

Ich wollt es brechen, 
Da sagt‘ es fein: 
Soll ich zum Welken 
Gebrochen sein? 

Mit allen Wurzeln 
Hob ich es aus, 
Und trugs zum Garten 
Am hübschen Haus.

Ich pflanzt es wieder
Am kühlen Ort; 
Nun zweigt und blüht es 
Mir immer fort.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

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