Pandemien können auf zwei Arten enden – epidemiologisch oder sozial

In einem Interview mit der „Welt“ erklärt der Medizinhistoriker Prof. Jörg Vögele, wie Pandemien enden. Dabei blickt er auch auf frühere Pandemien der Menschheitsgeschichte zurück. Vögele ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte und Geschäftsführer des Instituts für Geschichte der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Titelbild
Corona-Virus.Foto: iStock
Epoch Times1. Februar 2022

Viele Länder erklären derzeit die Beendigung der pandemischen Lage, beenden ihre Corona-Maßnahmen oder haben dies bereits längst getan. Vögele spricht in einem Interview mit „Welt“ darüber, dass eine Pandemie auf zwei mögliche Arten enden kann: epidemiologisch oder sozial.

„Beim epidemiologischen Ende geht die Pandemie in die Endemie über, statt weltweiter Verbreitung betrifft die Krankheit nur mehr inselartig bestimmte Regionen oder Gruppen. Und dann gibt es sicher ein soziales Ende einer Epidemie, wenn die Leute genug haben und ihr Verhalten ändern. Das spüren wir derzeit ja auch“, sagte der Experte.

Allerdings sei die Epidemiologie die entscheidendere Variante, so Vögele. Wenn es gefährlich wäre, gäbe es auch kein soziales Ende. Ein kluger, vorsichtiger Politiker würde nie das Ende einer Pandemie verkünden.

Das soziale Ende steht in Verbindung mit Emotionen. So könnten Täuschungen erzeugt werden, so Vögele. „Hatten wir nicht auch vergangenen Herbst das Gefühl, es ist vorbei? Die Epidemiologie kann gnadenlos sein, egal was wir für Gefühle haben. Das zeigen auch die Epidemien der Vergangenheit. Es ist nichts fix.“

Vergleich mit Spanischer Grippe

Viele vergleichen die Corona-Pandemie mit der Spanischen Grippe von 1918 und deren Ende nach 1920. Der Medizinhistoriker erinnert, wie die Menschen damals das Ende erlebt haben und warum sie endete. Dabei spricht er von einer flächendeckenden Immunität unter den Menschen.

Dadurch waren sie bei erneuter Ansteckung vor einem lebensbedrohlichen Verlauf geschützt. Darüber hinaus mutierte das Virus wohl in eine weniger aggressive Form. Beides zusammen sorgte dafür, dass die pandemische Influenzawelle in eine „normale“ Influenza überging.

Die „Welt“ erwähnte außerdem eine Aussage des Epidemiologen Gérard Krause. In seinem Fach wisse man recht genau, wie eine Epidemie anfängt, habe aber nicht genau definiert, was das Ende ausmacht.

Vögele antwortete darauf: „Das ist eben schwierig. Gibt es einen Grenzwert, der das Ende bezeichnet? Wie tief sollen Mortalität und Letalität sinken? Ebenso ist der Standpunkt des Betrachters wichtig.“

Der Medizinhistoriker gab an, dass beispielsweise HIV und Aids bei uns epidemiologisch praktisch keine Rolle mehr spielten. Im östlichen und südlichen Afrika ist die Krankheit allerdings sehr wohl wichtig. Man würde dort jedenfalls nie ein Ende definieren.“

Eine Endemie bedeutet nicht das vollständige Verschwinden einer Infektionskrankheit. Vielmehr definiert sie sich als begrenztes Auftreten, sodass die Gesellschaft damit leben kann oder lernt, damit zu leben. So etwa die regelmäßig auftauchende Grippe. (mf)



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