Nicht im Stress stecken bleiben: Wie man ein Nervensystem im Daueralarm beruhigt

Unser Nervensystem reagiert automatisch auf reale oder imaginäre Bedrohungen. Normalerweise beruhigt es sich danach wieder. Wenn die innere Abwehr allerdings im Daueralarm steckenbleibt, sind wir nicht mehr Herr unserer selbst.
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Es gibt verschiedene Mittel gegen Stress. Tiefes Atmen oder Meditieren sind Beispiele dafür.Foto: fizkes/iStock
Von 8. September 2024

Heidi, eine 34-jährige ehemalige Balletttänzerin, war in einem Kreislauf aus Verdauungsschmerzen, Angstzuständen und extremer Erschöpfung gefangen. Sie spürte zwar, dass ihr Körper verzweifelt um Hilfe rief, sie wusste allerdings nicht, dass ihr überaktives Nervensystem ihre Beschwerden verursachte.

Wie eine schlecht funktionierende Alarmanlage, die nicht ausgeht, befand sich Heidis innere Abwehr im ständigen Alarmmodus. Ihr Hang zum Perfektionismus war eine Reaktion ihres sympathischen Nervensystems – eine Selbstschutzstrategie gegen ihre Angst vor dem Versagen. Dieser ständige „Kampf oder Flucht“-Zustand forderte seinen Tribut und brachte sie an den Rand des Zusammenbruchs.

Heidis Geschichte veranschaulicht eine übersehene Tatsache: Unsere Emotionen sind nicht nur flüchtige Gefühle. Sie sind Signale eines Nervensystems, das auf wahrgenommene Bedrohungen reagiert, egal ob real oder eingebildet.

Bei Menschen, die unter chronischem Stress oder ungelösten Traumata leiden, kann das Nervensystem in diesem Zustand der erhöhten Wachsamkeit (Hypervigilanz) feststecken. Klinisch wird das als dysreguliertes Nervensystem bezeichnet.

Das Alarmsystem des Körpers

Unser Nervensystem ist darauf ausgelegt, Bedrohungen zu bewerten und für Sicherheit zu sorgen. Das autonome Nervensystem, das die unwillkürlich ablaufenden, automatischen Funktionen des Körpers reguliert, wie etwa Herzschlag, Verdauung, Atmung, ist quasi seine Kommandozentrale.

Im Jahr 1994 stellte Stephen Porges, Psychiater und Neurowissenschaftler, die Polyvagal-Theorie vor, die das moderne Verständnis des Nervensystems erweiterte. Diese Theorie geht von drei Zuständen aus: Sicherheit, Kampf oder Flucht und Schreckstarre.

Der Vagusnerv, eine Schlüsselkomponente, verbindet die Organe des Körpers mit dem Gehirn und spielt eine wichtige Rolle sowohl für das Nervensystem als auch für die Gesundheit des Darms. Porges brachte soziales Verhalten mit diesen Zuständen des Nervensystems in Verbindung und prägte den Begriff „soziales Bindungssystem“ („social engagement system“).

Dies erklärt, warum manche Menschen soziale Interaktionen mit Leichtigkeit bewältigen, während andere Schwierigkeiten haben, aus dem Überlebensmodus herauszukommen.

Die drei Zustände des Nervensystems

Bis Mitte der 1990er-Jahre gingen Physiologen von zwei Zuständen des autonomen Nervensystems aus: den sympathischen „Kampf- oder Fluchtmodus“ und den parasympathischen „Ruhe- und Verdauungsmodus“. Porges erweiterte dies um einen weiteren Zustand, indem er dem Vagusnerv zwei Teile zuschrieb – einen dorsalen und einen ventralen.

1. Grün: Ventraler Vagus (entspannt)

  • ruhige Energie, sichere und selbstbewusste Reaktionen
  • eine Person in diesem Zustand vertraut gewöhnlich anderen schnell und ist offen für soziale Kontakte
  • fördert Kraftschöpfung, Wachstum und Heilung

2. Gelb: Sympathisch (Kampf oder Flucht)

  • hohe Energie, adrenalingetriebene Reaktion
  • eine Person in diesem Zustand kann sich defensiv und alleingelassen fühlen
  • mit der richtigen Unterstützung kann sie in den grünen Zustand zurückkehren

3. Rot: Dorsal Vagal (Erstarren/Immobilisieren)

  • Überwältigungsreaktion, primitiver Überlebensmodus
  • geringe Energie und Motivation
  • Person findet es schwierig, um Hilfe zu bitten oder anderen zu vertrauen

Es ist normal, dass man im Laufe des Tages fließend zwischen diesen Zuständen wechselt. Man kann sich beispielsweise im grünen Zustand befinden, wenn man mit einem geliebten Menschen spricht. Wenn man aber bei der Arbeit gemaßregelt wird, wechselt man in den roten Zustand. Das Wichtigste ist dabei, nicht im gelben oder roten Zustand steckenzubleiben.

Im Stress feststecken

Es gibt zwei Hauptgründe, warum wir im gelben oder roten Zustand stecken bleiben:

  1. überwältigender Stress, wenn die Stressbelastung zu groß wird,
  2. anhaltender Mangel an Unterstützung, das heißt, eine unzureichende Unterstützung über eine längere Zeit hinweg.

Diese Faktoren können eine negative Rückkopplungsschleife zwischen Gefühlen, Gedanken und Gehirnchemie erzeugen. So lösen beispielsweise ängstliche oder negative Gedanken die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol aus, was zu noch mehr Angst und weiterer Cortisolproduktion führt.

Häufige Anzeichen für eine Dysregulation des Nervensystems sind unter anderem:

  • schlechter Schlaf (Schwierigkeiten beim Einschlafen oder häufiges Aufwachen),
  • zwanghafte Gedankenmuster (beispielsweise Ausweichverhalten oder ungesunde Essensrituale),
  • erhöhte Reizbarkeit und Empfindlichkeit gegenüber Kritik,
  • ständiges Gefühl, überfordert zu sein,
  • chronische körperliche und emotionale Probleme (Muskelschmerzen, Bauchschmerzen, häufige Krankheiten, geringe Energie, Stimmungsschwankungen).

Im Gegensatz dazu zeichnet sich ein reguliertes Nervensystem durch Ruhe, gleichmäßige Atmung, entspannte Muskeln, ausgeglichene Gefühle und geistige Klarheit aus.

Wege zu einem ausgeglichenen Nervensystem

Ist das neurochemische Gleichgewicht im Gehirn gestört, wirkt sich das negativ auf Gedanken und emotionale Reaktionen aus. Das beeinträchtigt alles – von der Gesundheit bis zu Beziehungen. Wenn man sein Nervensystem zu beherrschen lernt, findet man den Schlüssel zu einem guten allgemeinen Wohlbefinden.

Zu den Möglichkeiten, ein übermäßig empfindliches Nervensystem zu beruhigen, gehören:

  • Täglich drei regelmäßige, kleine Mahlzeiten essen. Diese sollten Ballaststoffe aus einem halben Teller Gemüse, Eiweiß und gesunde Fette enthalten. Unausgewogene oder ausgelassene Mahlzeiten verursachen extreme Blutzuckerwerte. Diese wiederum lösen die Ausschüttung von Stresshormonen aus.
  • Tiefes Atmen üben oder meditieren. Dies hat einen positiven Effekt auf die Gehirnaktivität und senkt den Stresshormonspiegel.
  • Täglich Spaziergänge (20 bis 30 Minuten) machen, um den Cortisolspiegel zu senken.
  • Ein Tagebuch schreiben. Seine Gefühle aufzuschreiben kann helfen, die eigenen Erfahrungen zum Ausdruck zu bringen, anstatt über sie zu grübeln.
  • Unterstützung suchen, indem man mit einer Person seines Vertrauens spricht. Es ist ein Akt des Mutes, um Hilfe zu bitten.
  • Biochemische Unterstützung in Betracht ziehen, wie beispielsweise eine therapeutische Dosis hochwertiges Magnesium, das vom Gehirn für die Bildung von Serotonin, dem Glückshormon benötigt wird.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „What an Overreactive Nervous System Is and How to Calm It“. (redaktionelle Bearbeitung as)



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