Neuregelung zu Maskenpflicht an Schulen: Gemischte Gefühle
Vor vielen Schultoren wird aktuell über das Ende der Maskenpflicht in Schulen diskutiert. Manche Bundesländer preschen vor, andere wollen nachziehen. Eltern, Experten aus der Wissenschaft und Schüler sind gleichermaßen gespalten.
Während die einen erleichtert sind, dass die Jüngsten endlich keine Masken mehr tragen müssen, bangen die anderen nun um deren Gesundheit.
Zuletzt haben mehrere Bundesländer Lockerungen bei der Maskenpflicht an Schulen angekündigt oder schon umgesetzt: In Berliner Schulen wird ab Montag die Maskenpflicht bis zur einschließlich sechsten Klasse aufgehoben. In Brandenburg ist das bereits der Fall. Auch in Bayern soll die Pflicht nun im Unterricht wegfallen. In Ländern wie Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wird über solche Schritte beraten. Im Saarland muss schon seit Freitag in Schulen generell keine Maske mehr getragen werden.
Auf deutschen Schulhöfen sind zahlreiche Eltern nun erleichtert, weil sie in den letzten Monaten Mitleid mit ihren Kindern hatten. Viele der Jüngsten kennen einen Schulalltag ohne Maske gar nicht – sie haben ihre Klassenkameradinnen und –kameraden bisher meist nur mit Mund-Nasen-Schutz gesehen. Dabei gilt die Mimik, beispielsweise ein breites Lächeln, als wichtiger Teil der Kommunikation. Das permanente Tragen einer Maske empfinden wohl die meisten Menschen als unangenehm – ihren Kindern hätten viele Eltern dies am liebsten erspart.
Maske – „nur ein kleines Übel“
Einige Eltern reagieren aber auch mit Fassungslosigkeit auf die fallende Maskenpflicht in Schulen – unter ihnen Julia A. Noack, Mutter eines Kindes, das eine Berliner Grundschule besucht. „Die Maske ist im Vergleich zu möglichen Schäden durch eine Infektion nur ein kleines Übel. In der Schule sind unsere Kinder unter 12 durch nichts anderes geschützt“, sagt Noack der Deutschen Presse-Agentur. Abstände seien quasi nicht einzuhalten, Dutzende Kinder säßen stundenlang gemeinsam in den Räumen. „Ohne Maske wird das eine Durchseuchung mit Ansage“, kritisiert sie.
Noack hat eine Petition gegen das Ende der Maskenpflicht in Berlins Schulen gestartet, Hunderte Menschen haben schon unterzeichnet. Der Beschluss komme zu einer Unzeit, sagt sie: Im Herbst würden sich absehbar die Infektionen in Schulen verstärkt ausbreiten. Zudem warteten Eltern von Kindern unter 12 sehnsüchtig auf die Zulassung einer Corona-Impfung für sie, die nun schon fast greifbar scheine. Die Kinder, die die Corona-Maßnahmen und Einschränkungen die ganze Zeit mitgetragen hätten, nun fallenzulassen, „das ist einfach komplett unethisch“, findet Noack.
Das verbreitete Narrativ, Covid-19 sei für Kinder harmlos, sei so nicht haltbar, argumentiert die Mutter. „Was nicht richtig kommuniziert wird: Es gibt diese schweren Verläufe. Sie sind zwar seltener, zum Glück, aber dennoch gibt es sie.“
Zeitpunkt der Entscheidungen in der Kritik
Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, bemängelt den Zeitpunkt der Entscheidungen: Eltern von Kindern unter 12 hätten wegen des für diese Altersgruppe noch nicht zugelassenen Impfstoffs momentan nicht die Wahl, ob sie ihre Kinder impfen ließen. „Man sollte weiter Vorsicht walten lassen und die Infektionen nicht durchlaufen lassen, auch wenn schwere Krankheitsverläufe bei Kindern sehr selten sind“, sagte Watzl. Für die Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren sei schon gezeigt worden, dass die Impfung im Vergleich zur Ansteckung das geringere Risiko bedeute.
Nach Einschätzung des Immunologen dürfte das Aufheben der Maskenpflicht an Grundschulen in mehreren Bundesländern weiter steigende Inzidenzen bei Kindern in dem Alter zur Folge haben. „Das wird weiter hochgehen.“ Nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) wiesen Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 9 Jahren vergangene Woche bereits die zweithöchste Sieben-Tage-Inzidenz unter allen Altersgruppen auf, mit 139 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche. „Die Masken im Unterricht komplett wegzulassen, ist nicht gut. Die Maßnahmen-Kombination mit etwa Tests, Maske und Lüften macht den Schutz aus. Mit Testen allein wäre das Virus schwerer unter Kontrolle zu bringen“, sagt Watzl.
Noack sagt zudem, dass besonders Kinder mit Vorerkrankungen ohne Masken in den Schulen dem Virus schutzlos ausgeliefert seien. In ihrem persönlichen Umfeld erlebe sie, wie deren Eltern nun verzweifelt versuchten, für ihre Kinder eine Impfung auch ohne Zulassung zu organisieren.
Lauterbach will andere Vorsichtsmaßnahmen
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach verweist unterdessen via Twitter auf US-Studien, die belegten, dass Masken in Schulen das Infektionsrisiko deutlich senkten. Lauterbach sagt: Ohne Maske müssen andere Vorsichtsmaßnahmen greifen: „Meines Erachtens muss dreimal pro Woche in der Klasse getestet werden, will man auf Maske verzichten.“
Und wie blicken Schülerinnen und Schüler selbst auf das Fallen der Masken? Auch bei ihnen seien die Meinungen gespalten, sagt Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz. Einige Schülervertretungen fänden, die Corona-Zahlen ließen es zu, die Masken in der Schule wegzulassen und mehr auf Testen, Abstände und Luftfilter zu setzen. Andere hielten Masken weiterhin für die beste Methode zum Schutz vor Corona und wollten sie behalten. „Ich kann das beides nachvollziehen“, sagt Schramm. „Es ist eine sehr schwierige Frage.“ Er kritisiert die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Länder. Besser seien abgestimmte Rahmenbedingungen.
Die Schüler hätten sich aus seiner Sicht inzwischen fast alle an das Masketragen gewöhnt, sagt Schramm. „Die Maske ist nicht mehr so ein Hindernis, sondern sozusagen das täglich Brot.“ Er könne sich vorstellen, dass viele Schülerinnen und Schüler die Maske künftig freiwillig weiter tragen, auch ohne eine Pflicht. (dpa/oz)
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