Multiple Sklerose und B12-Mangel: Forscher entdecken molekularen Zusammenhang

Die Ursache von Multipler Sklerose ist unbekannt. Ein B12-Mangel könnte allerdings ein wichtiger Auslöser sein.
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Die Forscher sind sich uneinig: Verursacht ein Vitamin-B12-Mangel MS oder löst eine MS einen B12-Mangel aus?Foto: Pavel Muravev/iStock
Von 2. März 2024

Die Symptome von Multipler Sklerose (MS) gleichen, vorrangig im Frühstadium, denen vieler anderer Leiden. Deshalb kommt es oft zu Fehldiagnosen. Eines dieser Leiden, das in der medizinischen Fachwelt immer mehr Beachtung findet, ist der Vitamin-B12-Mangel.

Ein Vitamin-B12-Mangel ist in Deutschland relativ häufig; jeder zehnte Bundesbürger ist davon betroffen. Bei den über 65-Jährigen leidet sogar jeder Vierte darunter, wie die Versicherungsgesellschaft DFV Deutsche Familienversicherung auf ihrer Website schreibt. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich höher, da Ärzte bei Untersuchungen Vitaminmängel üblicherweise nicht überprüfen.

Neben älteren Personen betrifft ein Vitamin-B12-Mangel oft auch Veganer, Vegetarier und Personen mit Erkrankungen, die die Aufnahme von Vitamin B12 behindern. Auch bestimmte Medikamente gegen Diabetes oder Übersäuerung können die Aufnahme von Vitamin B12 hemmen.

Normalerweise speichert der Körper erhebliche Mengen an Vitamin B12. Bei Erwachsenen sind es etwa 2,5 Milligramm, wobei sich ein Milligramm in der Leber ablagert. Diese Menge reicht für einen Bedarf von drei bis vier Jahren, schreibt der ärztliche Laborverbund LADR auf seiner Website. Deswegen können sich Symptome eines Mangels, der körperlicher, neurologischer oder psychologischer Natur sein kann, über Jahre hinweg entwickeln und sind leicht zu übersehen.

Multiple Sklerose – Ursache unbekannt

Die MS hingegen gilt als eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem das zentrale Nervensystem angreift. Dabei wird die schützende Myelinscheide, die die Nervenfasern umgibt, beschädigt (ein Prozess, der als Demyelinisierung bezeichnet wird). Diese Schädigung verursacht Narbengewebe (Sklerose) um die Nervenfasern; es kommt zu einer gestörten Kommunikation zwischen dem Gehirn und anderen Teilen des Körpers.

Forscher vermuten schon seit Jahrzehnten einen Zusammenhang zwischen Multipler Sklerose und Vitamin-B12-Mangel. Dies ist auf die Ähnlichkeit der neurologischen Symptome zurückzuführen, die bei beiden Leiden auftreten, wie Muskelschwäche, Taubheit, Kribbeln, Müdigkeit und kognitive Dysfunktion. Außerdem zählt ein Vitamin-B12-Mangel zu einem der Risikofaktoren für MS. 

Studien, die einen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen zu bestätigen versuchen, sind jedoch nicht eindeutig. Denn MS hat auch zahlreiche andere mögliche Ursachen, unter anderem Viren, Autoimmunkrankheiten und Umweltfaktoren. Die genaue Ursache von MS ist daher nach wie vor unbekannt.

Zusammenhang zwischen Vitamin-B12-Mangel und MS

Des Weiteren kann eine Demyelinisierung auch bei einem Vitamin-B12-Mangel auftreten. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 heißt es dazu: „Vitamin B12 ist ein wichtiger Faktor bei der Bildung von Komponenten der Myelinhülle. Daher kann ein Mangel an diesem Vitamin eine wichtige Ursache für neurologische Erkrankungen wie MS sein.“ 

Diese Erkenntnis veranlasste einige Ärzte dazu, älteren Patienten mit Symptomen neuropsychiatrischer Störungen zu empfehlen, sich in den frühen Phasen der Diagnose und Behandlung auf B12 testen zu lassen.

Vitamin-B12-Mangel im Gehirn beheben

Eine aktuelle Studie vom Dezember 2023 stellte nun einen molekularen Zusammenhang zwischen Vitamin-B12-Mangel und Multipler Sklerose fest. Im Rahmen der Studie untersuchten die Forscher Tiermodelle und auch postmortal menschliche Gehirne.

Indes fanden sie heraus, dass Fingolimod, ein Immunsuppressivum, das bei der Behandlung von Multipler Sklerose eingesetzt wird, die Entzündung des Nervengewebes unterdrückt. Das tut es, indem es die B12-Kommunikationswege reguliert. Dabei interagiert das Arzneimittel mit Astrozyten (Gliazellen des zentralen Nervensystems), die ein Teil der Blut-Hirn-Schranke und unter anderem für die Flüssigkeitsregulation im Gehirn und die Ernährung der Neuronen zuständig sind.  

Die Rolle von Fingolimod bei der Verbesserung der B12-Aufnahme im Gehirn war für die Forscher von besonderem Interesse.

„Unsere Studie zeigt eine molekulare Verbindung zwischen MS und Vitamin B12 im Gehirn auf. Diese Verbindung wird durch das MS-Medikament Fingolimod hergestellt […], das die Aufnahme von Vitamin B12 in Gehirnzellen verbessert und gleichzeitig die Neuroinflammation reduziert“, meinten der Hauptautor der Studie, Neurobiologe Dr. Jerold Chun, und sein Co-Autor, Biochemiker und Molekularbiologe Yasuyuki Kihara, gegenüber Epoch Times. 

Dies zeige neue Möglichkeiten auf, MS durch spezifische, auf das Gehirn ausgerichtete B12-Rezepturen zu behandeln und den Vitamin-B12-Spiegel im Gehirn zu erhöhen, fügten sie hinzu.

Zudem weisen laut der Studie die bei einer MS betroffenen Stellen (Plaques) einen niedrigen Spiegel des B12-Rezeptors CD320 auf. Diese niedrigeren Werte oder genauer gesagt die eingeschränkte B12-Zufuhr verschlechterten den Krankheitsverlauf in Tiermodellen und verringerten die Wirksamkeit von Fingolimod.

Frühere Studien wiesen bereits darauf hin, dass Patienten mit chronischen Autoimmunerkrankungen, einschließlich MS, einen erhöhten Bedarf an Vitamin B12 haben. Gleichzeitig haben nicht alle MS-Patienten einen B12-Mangel, allerdings sind sie öfter als die Allgemeinbevölkerung davon betroffen.

Diese Erkenntnis führte zu einer Diskussion darüber, ob ein Vitamin-B12-Mangel MS verursacht oder ob eine MS einen B12-Mangel auslöst.

B12-Mangel im Gehirn trotz guter B12-Blutwerte

Normalerweise empfehlen Ärzte eine Vitamin-B12-Supplementierung nur solchen MS-Patienten, die einen Mangel aufweisen. Die aktuelle Studie unterstreicht jedoch die Bedeutung von B12 für das Gehirn, selbst wenn der Blutspiegel im normalen Bereich liegt.

Die Studienautoren Dr. Chun und Dr. Kihara meinten dazu: „Ein durch Bluttests festgestellter B12-Mangel kann Anzeichen und Symptome, die mit MS in Verbindung stehen, aufzeigen. Bluttests können jedoch den Vitamin-B12-Spiegel im Gehirn nicht direkt bestimmen.“ 

Der Studie zufolge sind reduzierte B12-Werte im Gehirn von MS-Patienten eine Variable, die durch eine B12-Supplementierung korrigiert werden könnte. Dies könnte für Patienten mit nachgewiesenem B12-Mangel sehr wichtig sein, ebenso für Patienten mit normalem Blutspiegel, die aber einen B12-Mangel im Gehirn haben könnten.

„Während eine orale B12-Supplementierung helfen kann, sollten andere Wege (zum Beispiel Injektion) berücksichtigt werden. Weitere Forschung über die Verabreichung von B12 im Gehirn an die entsprechenden Gehirnzellen ist notwendig“, so das Fazit der Forscher.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Vitamin B12 Deficiency Mimics Symptoms of Multiple Sclerosis“. (redaktionelle Bearbeitung as)



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