Hommage an den Kalligrafen Werner Eikel

Kalligrafie sei vor allem eine Kunst, die für jeden erlernbar sei und die nicht zuletzt Heilprozesse auf seelischer und psychischer Ebene begünstige – so Werner Eikels Überzeugung. Lesen Sie hier, welcher Mensch Werner Eikel war. Seine selbst verfasste Reflexion zur Schriftkunst finden Sie in diesem Artikel verlinkt.
Titelbild
Kalligrafie von Werner Eikel: Urkunde für die Kalligrafie von Werner Eikel: Ehrenbürgerrecht für Heinrich Böll. Verleihung am 29. April 1983.Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Roland Eikel
Von 6. August 2024

Werner Eikel hat sein Leben einer nur noch selten geübten Kunstrichtung gewidmet, der Kalligrafie, der Kunst des Schreibens. Für ihn ist Kalligrafie das Handwerk aus Sprache und Schrift gewesen, vollendet in seinem großen Werk „ARS SCRIBENDI – Kunst des Schreibens“.

Zwei Sätze, die seine Arbeit skizzieren, sind folgende: „Eile ist der Feind einer wohlüberlegten Auslese des Wertvollen.“ Und: „Was würdevoll gestaltet ist, kann überleben und wird nicht leichtfertig und unüberlegt weggeworfen.“

Leben und Werk von Werner Eikel hat die Kunsthistorikerin Frau Prof. Dr. Hildegard Reitz, Rektorin der Fachhochschule Aachen, später Kulturbeauftragte der Stadt Aachen, stets aufmerksam begleitet.

In ihrem Beitrag „Die Kunst des Schreibens ist selten geworden – Werner Eikel – ein Kölner Kalligraph“ zur Vierteljahrschrift für die Freunde der Stadt Köln, den wir hier in Adaption wiedergeben, hat sie im Jahr 1984 Schaffen und Kunst von Werner Eikel an der Fachhochschule Aachen gewürdigt.

Erste Anregungen in jungen Jahren

Sein Weg führte von Hagen nach Köln und von Köln nach Aachen. Dies sind „Orte der Handlung“ in der Biografie des Kalligrafen Werner Eikel. In Hagen wurde er 1929 geboren. Dort ist er zur Schule gegangen.

Seine eigene Erinnerung setzt zwei Stichworte für die künstlerischen Anfänge in diesem Zusammenhang. Erste Anerkennung und Förderung war das Ergebnis seiner Beteiligung an einer Hagener Jugendausstellung im Karl-Ernst-Osthaus-Museum.

Ein Schlüsselerlebnis seiner Jugend: die mittelalterlichen Handschriften der erzbischöflichen Bibliothek in Paderborn, die ihm durch seinen Onkel zugänglich wurden. Da hat er in den alten Buchseiten eine Kunst entdeckt, die ihn neugierig machte.

Die Lust, solches machen zu können und als Ausdrucksmittel zu beherrschen, hat möglicherweise da in früheren Jahren ihren Ursprung.

Handwerkliches Können und Fantasie

Praktische Intelligenz und realistische Einschätzung des Notwendigen kennzeichnen seine Persönlichkeit bis heute. In diesem einfachen praktischen Sinne hatte für Werner Eikel der Satz „Kunst kommt von Können“ seine Bedeutung.

Lapidar die Einsicht, dass er wie Dürer auch ein Handwerker im Umgang mit dem Instrument der Zeichenfeder sein muss und sein will, wenn er die „Knoten“, die kalligrafischen Ornamente, zustande bringen will. Banale Einsicht, dass er wie ein Musiker die Handhabung eines Instrumentes beherrschen muss, wenn er die Komposition zum Klingen bringen will.

Einsicht, die den Jugendlichen zum Erwachsenen macht, der sein Ziel kennengelernt hat und nun seine Energien entsprechend einsetzt.

In Köln studierte er und übte dort auch seinen Beruf als Grafiker aus.

Beim Studium an den Kölner Werkschulen von 1949 bis 1955 führten ihn seine Lehrer in die bildnerische Disziplin der Grafik ein. Walter Gleining, Anton Wolff und Professor August Hoff haben das Ziel des Studenten Werner Eikel unterschiedlich beurteilt.

Die einen haben ihn mehr auf die Bedeutung der Typografie hingewiesen. August Hoff dagegen, der ein Kenner des Jugendstils und der geistigen Konzepte dieser Zeit war, hat ihm die Bestätigung bezüglich der frühen Entscheidung für das gestalterische Aufgabenfeld der Handschrift gegeben.

Bestätigung fand er nach seinem Abschluss an den Kölner Werkschulen vor allem bei dem Wiener Ernst Fuchs. Das mag verwundern und ist schwer zu erklären.

Der Maler fantastischer Bildwelten hat vielleicht durch seine eigene Suche nach ursprünglichen Strukturen, aber auch aus seinem ausgeprägten Sinn für kleinteilige, dicht gewobene Kompositionen das künstlerische Anliegen verstanden, das Werner Eikel in der Schrift zu verwirklichen suchte.

Bedeutende Auftraggeber und Professur

In Köln gründete und führte Werner Eikel erfolgreich ein Grafikatelier. In diesem Zusammenhang hat er seit 1963 auch die Art von Grafik realisieren können, die seine Arbeit heute auszeichnet.

Es begann mit einem Auftrag einer jüdischen Organisation, für den ehemaligen Kölner Oberbürgermeister Dr. Pünder einen Text in deutscher und hebräischer Sprache kalligrafisch zu gestalten. Es setzte sich fort zum Beispiel in der Grundsteinlegungsurkunde für das Maternushaus und in der kalligrafischen Gestaltung des Ehrenbürgerbriefes der Stadt Köln für Heinrich Böll.

Das Domblatt zur Jahrhundertfeier war eine selbstgewählte Aufgabe und sicher auch eine Arbeit, in der er sein gereiftes Können dieser Stadt widmete, in der er über drei Jahrzehnte gelebt und gearbeitet hat.

Kölner Dom: „Domblatt zur Jahrhundertfeier“, Stahlfeder/Tusche für: Zentraldombauverein, Köln, 1990. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Roland Eikel

Gewichtige Namen des öffentlichen Lebens sind als Auftraggeber oder Empfänger solcher Urkunden zu nennen, die von der Hand Werner Eikels gestaltet wurden. Gewichtige Namen auch von Sammlern und Museen, die Eikels Kalligrafie in ihren Bestand und Besitz aufnahmen.

In Hagen ging er zur Schule, in Köln studierte er, in Aachen lehrte er. Als er das fünfte Jahrzehnt seiner Biografie abschloss, bewarb sich die Fachhochschule Aachen für die Nachfolge in dem traditionellen Lehrgebiet Kalligrafie um seine Mitwirkung.

So wurde er dort Professor und überzeugte durch sein persönliches Können, vermittelte die Disziplin, das Durchhaltevermögen und den Sinn für die Nuancen, die zum gestalterischen Resultat in der Kunst des Schreibens führen.

Er vermittelt auch die Freude am sorgfältigen, beständigen, beharrlich wiederholenden Tun und erschloss die ständig sich erweiternde Erfahrung der gestaltenden Auseinandersetzung mit einem gegebenen Formenkanon, die Erfahrung des ständig sich erweiternden Repertoires.

Kölner Psalter: Psalm 1 (von 150 Psalmen), Scriptum abgeschlossen 1970, aus dem Hebräischen neu übersetzt von Prof. Dr. Fridolin Stier (1902–1982; Alttestamentler in Tübingen). Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Roland Eikel

Beherrschung des Instruments erlaubt Freiheit der Gestaltung

Wenn Werner Eikel schrieb, so improvisierte er: Setzte die hingeschriebene Form wie eine Spur aus einer Bewegung der Hand aufs Blatt. Diese Formen und ihr meist rhythmischer Zusammenklang waren keineswegs Zufallsergebnisse. Die Beherrschung des Instrumentes oder Werkzeugs, die Beherrschung des Bildfeldes oder Formates sind auch für die kunstvolle „Etüde“ Voraussetzung.

Wenn Werner Eikel schrieb, so komponierte er: Setzte die hingeschriebene Form wie eine gewachsene Struktur ins Bild. Einzelelemente in Gestalt von Buchstaben, Knoten, der darstellenden Zeichnung nahekommende Formen sind ablesbar, zum Beispiel in der Gestalt eines Baumes oder in einem Ornament ohne Rapport. Solche „Kunst der Fuge“ ist Zeugnis eines souveränen Umgangs mit den bildnerischen Mitteln des Kalligrafen.

Wenn er schrieb, so studierte er: Niederschrift eines Textes, eine durch Inhalt und sprachliche Form eigenständige Aussage lesbar zu überliefern und mit den Merkmalen der Anschaulichkeit von Strukturen und Bedeutungen auszustatten, das verlangt Neutralität im Hinblick auf den Text und persönliche Entscheidung im Hinblick auf seine Interpretation und die Gewichtung seiner Aussageelemente.

Es ist die Persönlichkeit des Schreibers, die Akzente setzte in Inhalt und Form. Hier wurde Text zum Bild: zum Beispiel in den Psalmen mit der Übersetzung von Martin Buber durch die Kombination zweier Schriften. Die Zeilenbildung, die Bildung einer Symbolform aus Text, die Zuordnung von Kolumnen oder Textfeldern – und in allem das „Aufleuchten“ des Inhalts in der Gestaltung von Wort und Zeile. Hervorgehoben nach Maß und Farbe, setzte er so Wortgestalt und Bildgestalt in einen engen Verbund.

Al Gahiz (777–869): Kitāb al-Hayawān „Lob des Buches“, Ars Scribendi, Seite 135. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Roland Eikel

Alte Kunst, die Gedanke und Bild vereint

Bei Werner Eikel diente das Bild dem Wortsinn und integrierte ihn zugleich in das eigene Feld der ästhetischen Aussage. Hier hatte Wort-Sinn einen eigenen Raum, indem diesem komplexen Gebilde aus Inhalt und sprachlicher Form durch Einbettung in eine weitere Komplexität aus Linie, Maß, Farbe und Form ein ästhetischer Raum gegeben wurde oder ein Feld der Ausstrahlung, der Entfaltung.

Hier verwirklichte sich schöpferisches, geistiges Handeln, indem eine sprachliche Struktur in eine Bildgestalt übersetzt wurde.
Die Kunst des Schreibens ist eine Kunst des Studierens, Interpretierens und Komponierens. Sie ist selten geworden.

Es ist eine alte Kunst, die in unserer Kultur nicht nur eine praktische Bedeutung hatte bis zu Gutenbergs Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern. Es ist eine Weise des kultivierten Umgangs mit Sprache in bildnerischer Form.

So ist die Kunst des Schreibens eine spezifische Kunst des Nach-Denkens im vielfältigen Spektrum unserer Aussageweisen und Ausdrucksformen mit bildnerischen Mitteln.

ARS SCRIBENDI – Kunst des Schreibens, Kunstkalender 1992: Titelblatt. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Roland Eikel



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