Graphenoxid gegen Alzheimer – an Backhefe getestet

Alzheimer ist bis heute unheilbar. Ein Hoffnungsschimmer kommt aus Schweden. Doch noch sind die Wirkmechanismen teilweise unklar – und das „Medikament“ Graphenoxid umstritten.
Neue Behandlungsmethode: Mit Backhefe und Graphenoxid gegen Alzheimer
Die Zahl der Alzheimer-Erkrankungen steigt immer weiter.Foto: iStock
Von 26. Oktober 2023

Im Jahr 2021 lebten in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen mit der Krankheit Alzheimer, wobei Frauen (1,2 Millionen) doppelt so oft betroffen waren wie Männer (0,6 Millionen). Obwohl besonders ältere Menschen daran erkranken, nahm in den letzten Jahren gerade die Zahl jüngerer Betroffener deutlich zu. Schreitet die Krankheit weiter fort, führt sie zu Demenz und Tod.

Dabei scheint die Ursache für die Krankheit bereits gefunden zu sein. So nehmen viele Forscher an, dass sich fehlerhafte Peptide im Gehirn ansammeln und verklumpen. Diese lösen schließlich in den Gehirnzellen eine Reihe von schädlichen Prozessen aus, die zum Verlust vieler lebenswichtiger Zellfunktionen oder gar zum Zelltod führt.

Die Folge ist der Verlust der Hirnfunktion in dem betroffenen Bereich. Zwar machen Mediziner immer wieder Fortschritte auf diesem Gebiet, jedoch gilt Alzheimer als unheilbar – noch.

Um die Ablagerungen zu beseitigen, schlagen Forscher der Technischen Hochschule Chalmers (Schweden) nun eine ungewöhnliche Behandlung mit Graphenoxid vor.

In Hefezellen, die den Wissenschaftlern als Modell eines von Alzheimer geschädigten Gehirns dienten, habe der in der Medizin umstrittene Stoff die Menge der schädlichen Substanzen verringert.

„Diese Wirkung von Graphenoxid wurde vor Kurzem auch von anderen Forschern gezeigt, jedoch nicht in Hefezellen“, sagt Studienautor Xin Chen. „Unsere Studie erklärt auch den Mechanismus, der hinter dieser Wirkung steht. Graphenoxid beeinflusst den Stoffwechsel der Zellen in einer Weise, die ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber falschen Proteinen und oxidativem Stress erhöht. Dies wurde bisher noch nicht berichtet.“

Versuchskaninchen Backhefe

Bei der Alzheimerschen Krankheit üben die Substanzen ihre schädliche Wirkung aus, indem sie verschiedene zelluläre Stoffwechselstörungen verursachen. Ist das sogenannte endoplasmatische Retikulum betroffen, also der Teil der Zelle, wo viele Proteine produziert werden, dann können die Zellen weniger der falschen Proteine verarbeiten. Infolgedessen häufen sich die schädlichen Proteine an.

Weiterhin beeinträchtigen die Peptide auch die Funktion von Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen. Die Neuronen sind daher einem erhöhten oxidativen Stress ausgesetzt, worauf Gehirnzellen besonders empfindlich reagieren.

Im Rahmen ihrer Studie haben die Chalmers-Forscher Backhefe (Saccharomyces cerevisiae) als Modell für menschliche Zellen verwendet. Beide Zelltypen haben sehr ähnliche Systeme zur Kontrolle der Proteinqualität. Dies wurde zuvor von der Forschungsgruppe nachgewiesen. Daraus entwickelten sie ein Modell, um menschliche Neuronen, die von Alzheimer betroffen sind, zu imitieren.

„Die Hefezellen in unserem Modell ähneln Neuronen, die von der Anhäufung mit Amyloid-Peptiden betroffen sind“, sagt Xin Chen. „Diese Zellen altern schneller als normal, zeigen Stress des endoplasmatischen Retikulums und der Mitochondrien und haben eine erhöhte Produktion von schädlichen Sauerstoffradikalen.“

Graphenoxid soll Erfolge bringen – irgendwann

Bei der Auflösung dieser schädlichen Ansammlungen sollen künftig Graphenoxid-Nanoflocken helfen. Diese sind kleinste zweidimensionale Kohlenstoffmaterialien mit einzigartigen Eigenschaften wie eine hervorragende Leitfähigkeit. Sie werden in zahlreichen Forschungsprojekten eingesetzt, beispielsweise bei der Entwicklung von Elektronik, Krebstherapien oder Systemen, um Medikamente zu verabreichen.

Die Nanoflocken sind wasserlöslich und interagieren gut mit Proteinen. Wenn Graphenoxid in lebende Zellen eindringt, kann es die Selbstorganisationsprozesse von Proteinen stören.

„Dadurch kann es die Bildung der schädlichen Proteine verhindern und die Auflösung bestehender fördern“, sagt Studien-Co-Autor Santosh Pandit. „Wir glauben, dass die Nanoflocken über zwei unabhängige Wege wirken, um die toxischen Effekte abzuschwächen.“

Auf dem einen Weg wirkt Graphenoxid direkt und verhindert die Anhäufung von Amyloid-Peptiden. Auf der anderen Seite wirkt Graphenoxid indirekt über einen derzeit noch unbekannten Mechanismus, bei dem spezifische Gene für die Stressreaktion aktiviert werden. Dies erhöht die Fähigkeit der Zelle, mit falsch gefalteten Proteinen und oxidativem Stress umzugehen. – Wie das genau funktioniert, ist unklar. Diesbezüglich schreiben die Forscher in ihrer Studie: „Der Mechanismus [ist] in vivo noch nicht vollständig geklärt.“

Auch wie man die Alzheimer-Patienten mit dieser Entdeckung behandeln kann, ist eine Frage der Zukunft. Nach Ansicht der Forscher berge Graphenoxid jedoch ein großes Potenzial und könnte auch für die Behandlung der Huntington-Krankheit eingesetzt werden.

„Im nächsten Schritt wollen wir untersuchen, ob es möglich ist, ein auf Graphenoxid basierendes Wirkstofftransportsystem gegen Alzheimer zu entwickeln“, sagt Xin Chen. „Außerdem wollen wir testen, ob Graphenoxid auch auf Erkrankungen wie Parkinson einen positiven Effekt hat.“

Die Studie erschien im Juli 2023 in der Fachzeitschrift „Advanced Functional Materials“.



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