Gesund und glücklich im hohen Alter – Gene sind dabei nur zweitrangig
Wie oft haben Sie schon über den Diabetes Ihres Vaters oder die Herzkrankheit in Ihrer Familie nachgedacht und sich gefragt: „Werde ich das auch bekommen? Ist das unvermeidlich?“
Nach allem, was wir über die Genetik gelernt haben, liegt die Vermutung nahe: Ob wir eine Krankheit bekommen oder nicht – das bestimmen diese unsichtbaren Faktoren, die tief in unserer DNA verankert sind. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass die Gesundheit und Lebenserwartung mehr mit der persönlichen Lebensweise als mit den Genen zu tun hat. Das deutet darauf hin, dass unsere Entscheidungen einen weitaus größeren Einfluss auf unsere Langlebigkeit haben als bisher angenommen.
Studie: Fitness und nicht Gene bestimmen Langlebigkeit
Die Autoren der Studie, die in der Fachzeitschrift „Human Kinetics Journal“ erschien, untersuchten die Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und Bewegungsmangel sowie ihren Einfluss auf die Sterblichkeit. Dabei berücksichtigten sie auch genetische Risikofaktoren, denen sie unterschiedlich viele Punkte vergaben.
An der Studie nahmen 5.446 Frauen im Alter zwischen 63 Jahren und älter teil, die sich in der letzten Phase ihrer Wechseljahre (Postmenopause) oder danach befanden. Die Frauen wurden auf der Grundlage ihrer genetischen Risikofaktoren in drei Gruppen eingeteilt. Diese Risikofaktoren wurden anhand einer „kleinen Auswahl von Einzelnukleotid-Polymorphismen“ gemessen, von denen bekannt ist, dass sie die Langlebigkeit beeinflussen.
Einzelnukleotid-Polymorphismen (englisch: Single-nucleotide polymorphisms, SNP) sind Variationen in einer genetischen Sequenz, die einen der Grundbausteine der Abfolge – Adenin, Thymin, Cytosin oder Guanin – betreffen. SNP helfen dabei, vorherzusagen, wie eine Person auf bestimmte Medikamente reagiert, wie anfällig sie für Umweltfaktoren wie Toxine, Pestizide oder Industrieabfälle ist und welches Risiko sie hat, eine bestimmte Krankheit zu bekommen.
Laut der Studie hatten Teilnehmer, die körperlich aktiver waren, ein geringeres Sterberisiko als Teilnehmer, die sich wenig bewegten – und das unabhängig von ihren genetischen Risikofaktoren. Das ist das Ergebnis während eines durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraums von mehr als sechs Jahren.
Letztlich belegen die Ergebnisse, dass mehr körperliche Aktivität und weniger sitzende Tätigkeiten das Sterberisiko älterer Frauen senken, unabhängig von ihrer genetischen Veranlagung für Langlebigkeit.
Die Gene und die Langlebigkeit
In einem Artikel mit dem Titel „Human Longevity: Genetics or Lifestyle? It Takes Two to Tango“ (auf Deutsch etwa: „Langlebigkeit des Menschen: Gene oder Lebensweise? Zum Tango gehören immer zwei“), heißt es, dass eine Kombination aus genetischen und nicht genetischen Faktoren für ein gesundes Altern und die Langlebigkeit beim Menschen ausschlaggebend ist. Der Artikel erschien im Jahr 2016 in der Fachzeitschrift „Immunity and Aging“.
Die Autoren schreiben, Familienstudien hätten ergeben, dass nur etwa 25 Prozent der Unterschiede in der menschlichen Langlebigkeit auf genetische Faktoren zurückzuführen sind. Außerdem würden Studien darauf hindeuten, dass eine Kalorienbeschränkung sowie epigenetische Aspekte, Genetik und Lebensstil eine Rolle beim gesunden Altern spielen.
Die Epigenetik befasst sich mit der Frage, wie unser Verhalten und unsere Umwelt die Funktionsweise unserer Gene verändern können. Anders als genetische Veränderungen sind diese epigenetischen Veränderungen umkehrbar.
Eine im Jahr 2018 in der Zeitschrift „Genetics“ veröffentlichte Studie untersuchte unglaubliche 54,43 Millionen Familienstammbäume. Dabei sammelten die Forscher Geburts- und Sterbedaten von 406 Millionen Menschen, die zwischen dem 19. und der Mitte des 20. Jahrhunderts geboren wurden, aus den Datenbanken von „Ancestry.com“. Der Studie zufolge beeinflussen Genetik oder Erblichkeit (Heritabilität) nur sieben Prozent der menschlichen Lebenserwartung.
Die Erblichkeit misst, inwieweit die Unterschiede in den menschlichen Genen für die Unterschiede in bestimmten Merkmalen oder Eigenschaften der Menschen verantwortlich sind. Dazu gehören Augenfarbe, Größe, Haarfarbe, Intelligenz und Krankheiten wie Schizophrenie und Autismus.
Der Lebensstil und die Langlebigkeit
Laut der ersten allgemeinen Sterbetafel von 1871/1881 lag die durchschnittliche Lebenserwartung im Deutschen Kaiserreich für Männer bei 35,6 und für Frauen bei 38,5, heißt es auf der Seite des Statistischen Bundesamtes. Allerdings verringerte sich die Säuglingssterblichkeit in den vergangenen 150 Jahren erheblich. Während um 1870 jedes vierte Kind (25 Prozent) innerhalb des ersten Lebensjahres starb, war es 1938 nur etwa jedes siebzehnte (6 Prozent), schreibt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Heute sterben etwa drei von 1.000 Kindern (0,3 Prozent) vor ihrem ersten Geburtstag.
Ferner gab es deutliche Verbesserungen, was Hygiene und Lebensbedingungen, landwirtschaftliche Praktiken, den Zugang zu sauberen Lebensmitteln und Wasser sowie die medizinische Versorgung anbelangt. Das alles erhöhte die Lebenserwartung drastisch. Heute liegt diese in Deutschland bei 78,5 Jahren für Männer und bei 83,4 Jahren für Frauen.
Mit dem Älterwerden steigt das Risiko für eine ganze Reihe von altersbedingten Krankheiten wie Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Nierenerkrankungen, Diabetes, Arthritis, Krebs, Demenz und Alzheimer.
Genetik spielt im hohen Alter eine wichtige Rolle
Um zu verstehen, welche Faktoren zu einem langen Leben beitragen, untersuchten Wissenschaftler Menschen, die über 100 Jahre und über 110 Jahre alt waren (sogenannte Supercentenarians). Dabei fanden sie heraus, dass diese Personen in Bezug auf ihre Ausbildung, ihren Beruf oder ihr Einkommen wenig gemeinsam haben. Sie führen allerdings einen ähnlichen Lebensstil: Sie rauchen nicht, sind nicht fettleibig oder übergewichtig und können gut mit Stress umgehen. Zudem sind die meisten Hundertjährigen und Supercentenarians Frauen.
Wenn wir uns im Alter gesund ernähren, auf Tabak verzichten, den Alkoholkonsum einschränken und körperlich aktiv bleiben, können viele von uns bis ins hohe Alter gesund bleiben. Doch im höheren Alter – ab etwa 80 Jahren – spielt die Genetik eine wichtige Rolle, was die Erhaltung der Gesundheit und die Vermeidung altersbedingter Krankheiten angeht.
Laut Forschungsergebnissen führen viele Hundertjährige bis in die letzten Jahre ihres Lebens einen eigenen Haushalt und haben wenig altersbedingte Krankheiten.
Alles leichter nehmen und positiv bleiben
Dr. Nir Barzilai, Leiter des Instituts für Alternsforschung am Albert Einstein College of Medicine in New York, erforscht die Biologie und Genetik des Alterns. Er und sein Team stellten zwei Hypothesen auf, warum Hundertjährige so langlebig sind und warum sie länger gesund zu bleiben scheinen. Der ersten Hypothese zufolge machen sie in Bezug auf die Rahmenbedingungen alles richtig. So würden sie sich beispielsweise gesund ernähren und viel bewegen. Außerdem führten sie einen Lebensstil, der in den „blauen Zonen“ üblich ist, erklärte Barzalai.
Die blauen Zonen sind die sechs Orte auf der Welt, an denen die Menschen am längsten leben und am gesündesten sind. Dazu gehören die Inseln Okinawa in Japan, Sardinien in Italien, Ikaria in Griechenland, die Nicoya-Halbinsel in Costa Rica und die Stadt Loma Linda in Kalifornien/USA.
Die zweite Hypothese, so der Forscher, ist, dass sie das „perfekte Genom“ haben könnten. Es könnte etwa sein, dass sie nicht das genetische Risiko von SNP oder Variationen haben, die häufig mit altersbedingten Krankheiten wie Alzheimer, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs in Verbindung gebracht werden.
Bei seiner Arbeit mit Hundertjährigen stellte Barzilai auch fest, dass ihre Persönlichkeit und Lebenseinstellung unverwechselbar sind. Seinen Worten nach haben die älteren Menschen, mit denen er zusammenarbeitete, ein großes Interesse daran, glücklich zu sein. Es brauche nicht viel, um sie in diesen Zustand zu versetzen – insbesondere im Vergleich zu jüngeren Generationen. Eine optimistische und entspannte Lebenseinstellung scheint bei Menschen, die am längsten leben, vorherrschend zu sein.
Unsere Gesundheit liegt in unseren Händen
Es mag ein Trost sein, dass wir uns nach dem aktuellen Forschungsstand nicht mehr den Krankheiten unserer Vorfahren fügen müssen. Wie lange und – was vielleicht noch wichtiger ist – wie gut wir leben, ist vielmehr eine Kombination aus unseren Genen, unserer Umwelt, unserem Lebensstil und unserer Einstellung.
Glücklicherweise bedeutet dies, dass unsere Entscheidungen einen viel größeren Einfluss auf unsere Gesundheit haben als die Gene, die wir in uns tragen. Unsere Gesundheit liegt also in erster Linie in unseren Händen.
Über die Autorin
Emma Suttie ist Spezialistin für Akupunktur. In den vergangenen zehn Jahren erschienen ihre Artikel über Gesundheit in verschiedenen Publikationen. Jetzt ist sie Gesundheitsreporterin für Epoch Times und berichtet über östliche Medizin, Ernährung, Traumata und Lebensstilmedizin.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Longevity Isn’t Really About Our Genes, Study Reveals“ (redaktionelle Bearbeitung as)
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