„Flying Doctors“ aus Germany helfen im Slum von Nairobi
Kinder lieben die Ärzte, Behandlung kann auch Spaß machen. (Alle Fotos: privat)
Nicht nur, dass die Behandlung der Patienten nichts kostet, nein, es gibt eine Gruppe von Idealisten, in diesem Fall Ärzten aus Kaiserslautern und Umgebung, die auf eigene Kosten und mit den eigenen Instrumenten im Gepäck nach Kenia fliegen. Ihr Ziel ist ein Slum in Nairobi, in dem durch internationale Hilfe ein SOS Kinderdorf existiert. Der Einrichtung angeschlossen ist ein „SOS Medical & Social Centre“. Es soll die medizinische und soziale Versorgung der Kinder und der Umgebung fördern. Das bedeutet Hygieneschulung, Duschen, Waschmöglichkeit für Kleidung, Nahrung, Drogenberatung und Spiel- und Lernmöglichkeiten. Zielgruppen in räumlicher Nähe sind Aids-Kranke und HIV-infizierte Kinder und Jugendliche, deren Familien und Straßenkinder, die alles verloren und oft auch HIV-positiv getestet werden. In einem Slum ist es ein seltener Luxus, eine „Nurse“, das ist eine Art Krankenschwester, die auch mal kleinere Eingriffe vornehmen darf, oder auch zweimal die Woche einen Arzt sehen zu können, oft warten sie tagelang geduldig in der Schlange, bis sie dran sind. Deshalb ist es für die Menschen dort von ganz besonderer Bedeutung, wenn alle sechs Wochen etwa die „German Doctors“ angeflogen kommen um kostenlos sich dieser Leute anzunehmen. So bekamen sie auch ihren Namen „German Flying Doctors“, da sie zu ihrem Praxiseinsatz in einen anderen Kontinent fliegen.
Einige Telefonate ist es her und einige Terminverschiebungen, doch jetzt ist es soweit: es klingelt an der Tür und ich öffne. Vor mir stehen zwei Herren im reiferen, respektierlichen Alter, einer mit Köfferchen, gediegen und solide, kein Duft von Freiheit und Abenteuer oder dem Lambarene von Albert Schweitzer. Oder vielleicht doch, bloß gut getarnt? Meine Nase verrät mir, es sei wohl eher teures After Shave.
Wir gehen zur Terrasse, im Vorfeld hatte ich erfahren: sie mögen trockenen und erlesenen Rotwein. Der eine – blond und breitschultrig, ein wenig gebeugt und noch gezeichnet von den Schmerzen eines schweren Unfalls – ist Santiätsrat Dr. Jürgen Ziegler, auch noch Oberstabsarzt zur See, ein Zahnarzt. Der andere, eher drahtig, dunkelhaarig und ein bisschen elegant im Seidenrolli ist Dr. Klaus Döderlein, Facharzt für Hals – Nase – und Ohren. Aber keiner von beiden hat den Mutter-Theresa-Blick.
„Also, meine Herren,“ frag ich frisch-munter drauf los, „dann erzählen Sie mal. Hat das, was sie hier machen, etwas zu tun mit den „Flying Doctors“ von der AMREF (African Medical and Research Foundation), mit hohem Spendenaufkommen? Oder ist es doch eher etwas anderes, und der Name ist nur ein Spitzname seitens ihrer Bewunderer?“ „Die AMREF? Nein, damit haben wir hier gar nichts zu tun. Wir sind klein, aber fein. Das ist etwas ganz anderes. Bei uns gehen die Spenden zu hundert Prozent dahin, wo sie gebraucht werden,“ schmunzelt Dr. Döderlein. „Aber das liegt daran, wie das alles mal anfing. Ein paar Freunde saßen zusammen beim Bier, wie das so geht.“ Und so erzählt er weiter, wie er mit einem Bekannten, einem Flugzeugkapitän der Lufthansa Cargo, zusammen saß. Der erzählte ihm über die regelmäßigen Frachtflüge nach Nairobi und den Aufenthalten dort, und auch von den Zuständen in den Slums und über das neue SOS Kinderdorf, dem eine kleine Ambulanz angegliedert ist, doch das Nötigste fehle, vor allem aber Ärzte. Zu der Zeit, 2004, kam einmal pro Woche eine Ärztin dorthin für drei bis vier Stunden, in der übrigen Zeit standen nur zwei Schwestern und ein Labortechniker bereit. Sie sprachen über die unsägliche Not der Menschen und dass etwas getan werden müsste.
Die Geschichte ließ Klaus Döderlein nicht los. Er erzählte darüber auch seinem Freund Jürgen Ziegler und „der war natürlich Feuer und Flamme“ und sagte nickend: „Das müssen wir uns mal anschauen da. Das sehen wir erst vor Ort, ob wir da was machen können.“ Und kurz darauf zogen sie los. Nach Frankfurt, Flugkapitän Agne hatte es geregelt, dass die Ärzte in einer Frachtmaschine mitfliegen konnten auf Kosten der Lufthansa Cargo. So ein Frachtflug dauert bis zur Rückkehr der Maschine drei Tage, zweimal nachts fliegen und eine Übernachtung. Ideal für einen Kurz-Trip, fanden die beiden Doktores, passend für die Erkundung der Lage. „Als Vorkommando gewissermaßen“, sagen sie schmunzelnd.
Was sie erwartete, war ernüchternd. Nairobi, mit einem luxuriösen, europäischen Kern für Touristen – und außenrum nur Slums. Das SOS Kinderdorf liegt am Rande der Stadt im einem Slum namens Buru-Buru und besteht aus acht bis zwölf Häusern mit jeweils bis zu 16 Kindern und den zugehörigen Tagesmüttern und „haben wenigstens zu Essen und zu Trinken dort“. Das Medical Centre liegt auf der anderen Straßenseite und ist „vom klinischen Standard einwandfrei, die können dort sterilisieren und das Personal ist gut geschult und hoch motiviert“. Das sei aber auch bitter nötig, denn die Einwohner der Slums seien bis zu achtzig Prozent HIV-positv, auch die Kinder. „Deshalb werden die Kinder auch relativ zu Waisen und kommen zu Verwandten oder landen auf den Straßen.“
Als sie eintrafen, der Zahnarzt hatte doch sicherheitshalber ein paar Bohrer, Zangen und Spritzen im Gepäck – wie bei jeder Reise, wurden sie überrascht. Denn ihr Freund, der Flugkapitän, hatte die beiden bereits angekündigt, „da standen die Leute also schon Schlange als wir kamen. Es gab also nicht viel zu erkunden, es gab einfach nur jede Menge zu tun. Wir haben dann gleich eben nicht organisiert, sondern losgelegt und unsere Arbeit gemacht.“ Alle lachen. „Ja, so isses halt!“ schlägt der Dialekt durch.
Im Reiz des Neuen und angesichts der Not bedachten die Mediziner nicht einen Moment lang, dass sie ohne Lizenz und Genehmigung in einem fremden Land einer Arbeit nachgingen und dass das auch Konsequenzen anderer Art für sie haben könnte. „Inzwischen haben wir das geregelt, wobei wir dafür eine Menge Geld bezahlen müssen um auf unsere eigenen Kosten die Leute behandeln zu dürfen. Doch jetzt arbeiten wir mit ordentlichen Bestallungsurkunden und Genehmigung. Seitens des Landes gab es kein Entgegenkommen, denen sind die Leute in den Slums egal.“ Ein bitterer Zug liegt um den Mund von Dr. Ziegler. Um die reibungslose Abfertigung der Koffer und Kisten mit Medikamenten und medizinischem Gerät müsse man eben auch die standardisierte Bestechungsmentalität der Beamten in diesem Land bedienen. Es habe auch schon Situationen gegeben, wo er am Zoll den zuständigen Beamten durch eine Zahnbehandlung überzeugen konnte.
In der Zwischenzeit sei aber mehr Routine in den Betrieb rein gekommen, andere Kollegen hätten sich auch angeschlossen, Gynäkologen, Urologen, Narkoseärzte, Kinderärzte und weitere Zahnärzte, man sei jetzt eine Truppe von etwa 30 Aktiven. Deshalb sei die Ambulanz auch besser und öfter besetzt. Dennoch müsse man immer mal auch damit rechnen, dass eine Planung hinfällig wird, wenn die vier Plätze, die so ein Frachtflugzeug hat mit Vorrang-Passagieren besetzt würden wie amerikanischen Briefkurieren oder Fluglehrern oder anderen unvorhergesehenen Gästen. Deswegen könne es vorkommen, dass man am Flughafen steht und eben dann mal nicht mitkommt, langfristiges Planen sei eben nur eingeschränkt möglich. Aber es sei schon richtig toll, dass die Lufthansa Cargo das kostenfreie Fliegen der Ärzte ermöglicht.
Dann geraten die Herren aber ins Schwärmen. Und worüber? Über die Technik der Jumbos, über die Schubkraft, das Cockpit und ihre Eindrücke beim Landen in Afrika. Selbst die schmalen Schlafsessel und die kleinen „Bullaugen“ bleiben nicht unerwähnt. Fotos werden ausgepackt, ein Laptop kommt auf den Tisch. „Können Sie sich vorstellen, so beengt zu fliegen?“ Doch, ein leichter Hauch von großem Abenteuer liegt in der Luft. Die Augen glänzen. Es gehört zugegebenermaßen eben auch dazu. „Es ist schon auch mal eine feine Sache mit dem Kapitän um das Flugzeug zu gehen, der Beladung zuzuschauen und die Technik dieser Flugriesen zu bestaunen.“ Die Stimmen sind lebhaft, die Bilder, die sie zeichnen auch. „Es wär’ schon ein Traum, so ein Flugzeug auch mal selbst zu fliegen. Das könnten wir schon auch. Wird ja heute fast alles vom Autopiloten gesteuert. Aber über Afrika ist halt alles anders. Da ist nicht so viel geregelt, die Flugrouten werden nicht so eingehalten und Flug-Lotsen sind nachts eben zu Hause im Bett. Aber es gibt ja auch Radar!“ Jetzt kommen sie ins Träumen: „Wenn man dann da so steht und durch das Fenster über die unendliche Weite der Wüste blickt …“
Doch schnell ist der HNO-Arzt wieder beim Thema: „In der Zwischenzeit haben wir auch schon ordentlich Spenden bekommen. Die setzen wir natürlich eins zu eins um. Wir haben das Medical Centre gut ausgestattet mit allem Drum und Dran, was eben gebraucht wird für einen reibungslosen Ablauf.“ Ziegler flankt ein: „Wir verwenden das Geld auch, damit Kinder in ordentlichen Krankenhäusern operiert werden können, damit ihre Lebensqualität einigermaßen erhalten bleiben kann. Wobei wir hier von einem Niveau reden, das für uns hier unvorstellbar ist. Die Menschen leben und denken eben ganz anders.“ „Allerdings sind wir von unserer anfänglichen Weihnachtsmann-Mentalität schnell wieder heruntergekommen. Das kann auf Dauer für niemanden gut sein“, sagt Dr. Ziegler abschließend.
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