Hormone, Gehirn und Verhalten
Das Hormon Oxytocin ist üblicherweise aktiv im Geburtsprozess. Es löst bei der Mutter die Wehen aus und hilft dem Kind, den Geburtsschmerz zu ertragen. Danach lässt Oxytocin die Mutter die nährende Milch produzieren. Es hilft beiden unbewusst, die emotionale Mutter-Kind-Beziehung zu intensivieren. Auch hilft es bei der Interaktion zwischen den Geschlechtspartnern im Sinne von Fürsorglichkeit und allgemein bei sozialem Verhalten.
Oxytocin macht auch Männer einfühlsamer: Ein Nasenspray mit der Substanz erlaubt es dem starken Geschlecht, so intensiv mit anderen Menschen mitzufühlen, wie dies sonst nur Frauen gelingt. Denn Frauen und Männer weichen hierbei deutlich voneinander ab. Wie die Geschlechter sich in Gehirn, Hormonen und Verhalten unterscheiden, wird von Experten noch diskutiert.
Dass das Hormon Oxytocin Männer für Gesichtsausdrücke empfänglicher macht, zeigte kürzlich eine Studie der Universität Bonn und des Babraham-Instituts Cambridge. Darin gaben die Forscher den Probanden ein Oxytocin-haltiges Nasenspray. Eine Vergleichsgruppe sprühte sich eine wirkungslose Substanz in die Nase. Anschließend sahen sich die Teilnehmer emotional belegte Fotos an: Ein weinendes Kind, ein Mädchen, das eine Katze umarmt, ein trauernder Mann. Die Oxytocin-Gruppe reagierte deutlich empathischer auf die Bilder. Die getesteten Männer erreichten dabei Werte, die sonst für Frauen typisch sind. „Dies bestätigt messbar die Annahme, dass Frauen und Männer hier unterschiedlich ausgestattet sind“, sagt Professor Dr. med. Hendrik Lehnert, Lübeck. Diesen verschiedenen Voraussetzungen der Geschlechter müsse die Medizin noch stärker Rechnung tragen, so Lehnert. Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem Gehirn, Hormonen und Verhalten ist deshalb auch ein Thema im Wiesbadener Symposium „The male and female brain“.
Die enge Verzahnung von Hormonen und Verhalten belegten die Bonner Forscher auch in einem Fragetest: Die Oxytocin- und die Kontrollgruppe mussten am Computer Merkaufgaben lösen. Bei richtigen Antworten erschien auf dem Bildschirm ein lobendes, bei falschen ein tadelndes Gesicht. Alternativ erfolgte das Feedback über grüne oder rote Kreise. Das Ergebnis: Der Lernerfolg erwies sich als größer, wenn die Gesichter ihn bestätigten. Vor allem aber sprach die Oxytocin-Gruppe deutlich besser darauf an als die Placebo-Gruppe.
Das Hormon Oxytocin spielt eine wichtige Rolle bei der Geburt, löst die Geburtswehen aus und bewirkt, dass die Brust Milch abgibt, wenn das Baby daran saugt. Oxytocin prägt aber auch die Bindung von Mutter und Kind und zwischen Partnern und beeinflusst Liebe und Vertrauen. „Erkenntnisse über das Zusammenspiel von Hormonen, Gehirn und Verhalten haben nicht nur für eine geschlechterbezogene Medizin erhebliche Bedeutung“, sagt Professor Lehnert. Die Ergebnisse der Bonner Forscher legen zum Beispiel nahe, die Substanz therapeutisch einzusetzen. Möglicherweise eignet sich das Hormon als Medikament bei Erkrankungen wie etwa Schizophrenie. Denn diese geht oft mit einem Verlust der sozialen Kontaktfähigkeit einher. (sfr / idw)
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