Ein Hausarzt an der Spitze der Bundesärztekammer: Klaus Reinhardt ist neuer Ärztepräsident

Seit Jahrzehnten führten nur Klinikärzte die Bundesärztekammer - nun ist ein Hausarzt der neue deutsche Ärztepräsident. Der Bielefelder Allgemeinmediziner Klaus Reinhardt setzte sich am Donnerstag denkbar knapp mit drei Stimmen Vorsprung im dritten und letzten Durchgang auf dem 122. Ärztetag in Münster durch.
Titelbild
Ein Hausarzt misst einer Patientin den Blutdruck.Foto: Bernd Weißbrod/Symbolbild/dpa
Epoch Times30. Mai 2019

Klaus Reinhardt ist der neue Präsident der Bundesärztekammer. Der bisherige Bundesvorsitzende des Hartmannbundes konnte sich am Donnerstag auf dem Deutschen Ärztetag in Münster knapp im dritten Wahlgang gegen Martina Wenker, Präsidentin der niedersächsischen Ärztekammer, durchsetzen. Nach seiner Wahl forderte der 59-jährige Bielefelder mehr Zeit der Ärzte für ihre Patienten – dafür werde er kämpfen.

Reinhardt bekam im entscheidenden Wahlgang 124 Stimmen, während Wenker 121 Stimmen erhielt. Reinhardt folgt damit auf den nach acht Jahren als Ärztepräsident ausgeschiedenen Frank Ulrich Montgomery. Mit seiner Wahl wird erstmals seit über vierzig Jahren ein Hausarzt und nicht ein Klinkikarzt Ärztepräsident, außerdem endete die Vorherrschaft des Marburger Bundes, der zuletzt die Ärztepräsidenten stellte.

Ursprünglich hatten sich vier Kandidaten um das besonders als führender Interessensvertreter der Ärzte in gesundheitspolitischen Fragen bedeutsame Amt beworben. Nach dem ersten Wahlgang zog der viertplatzierte Günther Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin, seine Kandidatur zurück. Im zweiten Wahlgang schied dann der Präsident der bayerischen Landesärztekammer, Gerald Quitterer, als Drittplatzierter aus.

Reinhardt lag in allen Wahlgängen jeweils wenige Stimmen vor Wenker. Diese wäre bei einem Wahlerfolg die erste Frau an der Spitze der Bundesärztekammer geworden. Reinhardt rief die Ärzteschaft nach seinem Erfolg zur Geschlossenheit auf. „Im Gesundheitswesen ist der Kulturwandel im vollen Gang. Wenn wir diesen Wandel gestalten wollen, muss sich die Ärzteschaft auf die verbindenden Elemente besinnen und eine intelligente Vorwärtsstrategie entwickeln.“

Die ärztliche Selbstverwaltung bekomme hier eine wichtige Funktion – das Gesundheitswesen dürfe nicht alleine der Politik überlassen werden. Besonders wichtig sei ihm, dass Ärzte die zeitliche Möglichkeit hätten, ihren Patienten Zuwendung und Empathie zu geben. „Die Sicherstellung der dafür notwendigen Freiräume muss wieder Maßstab des gesetzgeberischen, aber auch des selbstverwaltenden Handelns werden.“ Dafür werde er kämpfen.

Der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, der NAV-Virchow-Bund, begrüßte die Wahl Reinhardts. Erstmals seit 41 Jahren stehe damit wieder ein niedergelassener Arzt an der Spitze der Ärzte. „Dies ist ein historischer Moment und eine große Chance für einen Neuanfang der Bundesärztekammer“, erklärte Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Verbandes. Reinhardt sei der richtige Mann, um die mit der Digitalisierung nötige Neubestimmung der Arzttätigkeit ebenso zu bewältigen wie den Einfluss von kapitalstarken Konzernen auf das Behandlungsgeschehen abzuwehren.

Zur Person: Klaus Reinhardt

Reinhardt kam am 22.Mai 1960 als Sohn eines Ärzteehepaares in Bonn zur Welt. Er machte in Bielefeld Abitur, zog dann zum Studium von Philosophie und Jura 1980 nach Bonn, bevor er sich zum Medizinstudium entschloss. Dies absolvierte er von 1982 bis 1989 im italienischen Padua. Reinhardt arbeitete zunächst in der Schweiz, bevor er 1993 die Praxis der Eltern in Bielefeld übernahm.

Parallel zu seiner Arbeit als Arzt setzte sich Reinhardt bald auch gesundheitspolitisch in Verbänden ein. Er übte Ehrenämter bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, bei der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, im Verband Freier Berufe und in der Akademie für medizinische Fortbildung aus.

Die größte Präsenz erreichte er aber im Hartmannbund, dessen Landesverband Westfalen-Lippe er seit 2005 führt und bei dem er 2011 Bundesvorsitzender wurde. Seit vier Jahren ist er auch im Vorstand der Bundesärztekammer und dort Vorsitzender im Ausschuss Gebührenordnung.

Schon seit Jahren beklagte Reinhardt als Vertreter des Hartmannbundes den Zeitdruck in seinem Beruf. Zu wenig Zeit für die Patienten, zu viel Bürokratie, so lautete zusammengefasst die Kritik. „Wir brauchen mehr Zeit für ärztliches Handeln“, erklärte er nach der Wahl. Ärztliche Zuwendung und Empathie seien Basis für das Vertrauen der Patienten – für die dafür nötigen Freiräume werde er kämpfen.

Reinhardt scheint dabei in dem von vielen unterschiedlichen Interessen geprägten Gesundheitswesen keine Konflikte zu scheuen. Im Vorfeld seiner Wahl teilte er im Bielefelder „Westfalen-Blatt“ kräftig aus.

Die Krankenkassen und Kostenträger nannte er bei der von den Ärzten geforderten Reform des Honorarsystems „die phantasielosesten Beteiligten“ in dieser Sache. Wäre er Bundesgesundheitsminister, „würde ich denen Beine machen“.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisierte er ebenfalls. Der mache seinen Job zwar „sehr engagiert“. Das Tempo seiner Gesetzesvorhaben sei aber „viel zu hoch“, das verunsichere die Beschäftigten im Gesundheitswesen genau wie die Patienten. Auch die von der SPD geforderte Bürgerversicherung lehnt Reinhardt ab, davon halte er „nichts“.

In der Ärzteschaft erhoffen sich manche mit der Personalie einen Neuanfang in der Bundesärztekammer. Reinhardt sandte nach seiner Wahl einen Aufruf zur Geschlossenheit. „Im Gesundheitswesen ist der Kulturwandel im vollen Gang. Wenn wir diesen Wandel gestalten wollen, muss sich die Ärzteschaft auf die verbindenden Elemente besinnen und eine intelligente Vorwärtsstrategie entwickeln.“ (afp)



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