Berliner Forscher finden mögliche Ursache von Lupus und Ansatz für Behandlung
Das angeborene Immunsystem reagiert innerhalb von Minuten auf eindringende Krankheitserreger. Es ist eine frühe Verteidigungslinie, die viele Erreger in Schach hält, bis sich das spezifischere adaptive Immunsystem einschaltet. Doch diese Geschwindigkeit hat ihren Preis: Die Reaktion des angeborenen Immunsystems ist so unspezifisch und stark, dass sie gut kontrolliert werden muss, damit sie sich nicht gegen den eigenen Körper richtet.
In der Forschungsgruppe von Olivia Majer am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie arbeiten Forscher daran, diese Kontrollmechanismen des angeborenen Immunsystems besser zu verstehen. Im Fokus der Gruppe steht ein Immunrezeptor, der sogenannte Toll-like Rezeptor 7, der Erbgut von Viren und Bakterien erkennen kann. Nach der Erkennung kann dieser eine Immunreaktion gegen die Eindringlinge auslösen.
Lupus: Zellen aus dem Gleichgewicht
Damit das Immunsystem schnell reagieren kann, muss eine gewisse Anzahl dieser Rezeptoren in den Immunzellen vorhanden sein. Zellen halten diese Balance, indem sie ständig Rezeptoren herstellen und wieder abbauen.
„Wir wollten verstehen, was passiert, wenn dieses Gleichgewicht gestört ist“, so Olivia Majer über ihren Forschungsansatz. Bei ihren Experimenten stieß ihr Team auf den Proteinkomplex BORC. Dieser wird benötigt, um den Toll-like-Rezeptor-7 in der Zelle abzubauen.
Darüber hinaus benötigt BORC ein weiteres Protein, UNC93B1, um den Abbau korrekt durchzuführen. Gibt es in diesem Prozess einen Fehler, werden die Rezeptoren nicht abgebaut und sammeln sich in den Immunzellen an.
„Aus Versuchen mit Mäusen […] wussten wir bereits, dass zu viele dieser Rezeptoren ein Problem darstellen“, erklärt Majer. Bei einer zu großen Anzahl an Rezeptoren werde deren Erkennung von Erbgut unspezifisch. Es komme zur Immunreaktion gegen körpereigenes Erbgut, ein möglicher Auslöser für Lupus. Bislang konnten Forscher weder BORC noch UNC93B1 mit Lupuserkrankungen bei Menschen in Verbindung bringen.
An Ursache statt Symptomen ansetzen
Die Bestätigung ihrer Ergebnisse kam für die Forscher per Anruf. Fabian Hauck lehrt, forscht und versorgt Patienten am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sein Fachgebiet sind angeborene Störungen der Immunität wie beispielsweise Lupus. Er wurde auf die Forschung von Majer aufmerksam, denn eine seiner Patientinnen hatte eine Mutation im Gen für ein bislang unbeachtetes Protein: UNC93B1. Genau dieses Protein hatte Majer zuvor mit ihrem Team identifiziert.
„Als ich den ersten Anruf von Fabian Hauck bekommen habe, dachte ich noch, dass das zu gut ist, um wahr zu sein“, so Majer, „aber innerhalb von acht arbeitsreichen Wochen konnten wir gemeinsam bestätigen, dass die Mutation von UNC93B1 Ursache der Lupuserkrankung dieser Patientin ist.“
Parallel zu diesen Ergebnissen erschien in derselben Fachzeitschrift die Studie einer Arbeitsgruppe der Technischen Universität Dresden, mit der die MPI-Forscher kooperieren. In ihrer Studie identifizierten die Dresdner Forscher weitere Mutationen von UNC93B1, die Lupus auslösen können.
Mit ihren Arbeiten könnten die deutschen Forscher einen völlig neuen Mechanismus aufgedeckt haben, der eine besonders aggressive Form des Lupus auslöst. Bereits im Kleinkindalter entwickeln sich schwere Symptome, während viele andere Formen des Lupus erst bei Erwachsenen auftreten.
Die Untersuchung auf eine Mutation von UNC93B1 könnte bald ein Teil der Behandlung von Lupus werden und neue Ansätze für Therapien ermöglichen. In bisherigen Therapien versuchen Mediziner vor allem die Entzündungen mit Medikamenten zu unterdrücken. Setzt man nicht bei Symptomen, sondern bei der Ursache an, könnte man möglicherweise verhindern, dass die Entzündungen überhaupt erst entstehen – und so die Belastung der Betroffenen deutlich reduzieren.
Die Studie erschien am 11. Januar 2024 im Fachblatt „Science Immunology“.
Studie bestätigt weitere Auslöser
„Eine einzelne Genmutation kann eine Form der Autoimmunerkrankung Lupus hervorrufen“, so das Max-Planck-Institut. Dr. Kay Klapproth, Immunologe und ehemaliger akademischer Rat der Universität Heidelberg, gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass es nicht „die eine Ursache“ für Lupus gibt, sondern eine Vielzahl, von denen eine nun identifiziert wurde. Insofern könne die Schlagzeile der Pressemitteilung irreführen, die zugrunde liegende Studie kläre dieses Missverständnis wiederum auf.
So zeigt die Arbeit, dass nicht nur eine Mutation im TLR7 selbst für die Erkrankung verantwortlich ist, sondern auch Proteine gestört sein können, die für die korrekte Platzierung und Zahl der Rezeptoren verantwortlich sind. Laut Studie steht die Entstehung von Lupus zudem nicht allein mit einer aktivierenden Mutation des Immunrezeptors TLR7 in Verbindung.
Demnach können nicht nur ganz unterschiedliche Mutationen die Balance der Rezeptoren stören, vielmehr kann auch die Mutation anderer Proteine zu einer gestörten Kontrolle und somit zu einem hyperaktiven Immunrezeptor beitragen. Einige dieser Punktmutationen im TLR7-Gen, die Lupus auslösen, sind bereits zuvor identifiziert worden. Mit welcher Häufigkeit das von der Gruppe identifizierte Protein tatsächlich eine Rolle spielt, müssen weitere Untersuchungen zeigen.
Was ist Lupus?
Lupus ist eine seltene chronische Erkrankung, bei der sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet. Diese Reaktion kann zu Entzündungen in verschiedenen Teilen des Körpers führen. Die Erkrankung tritt üblicherweise in Schüben auf und kann betroffene Organe dauerhaft schädigen. Bei vielen Betroffenen kommt es mit der Zeit zu einem Nierenversagen.
Typische Symptome von Lupus sind eine schmetterlingsförmige Rötung im Gesicht und ein Gefühl körperlicher Erschöpfung. Lupus tritt familiär gehäuft auf – es sind bereits mehrere Gene bekannt, die die Erkrankung begünstigen, wobei Frauen wesentlich häufiger erkranken als Männer. Für die Behandlung ist es entscheidend, die Krankheit möglichst früh zu erkennen, um Entzündungen rechtzeitig zu hemmen, bevor Organe dauerhaft geschädigt werden.
Insgesamt gibt es zwei Formen von Lupus: das kutane Lupus erythematodes (CLS) und das systemische Lupus erythematodes (SLE). Bei der leichteren kutanen Form ist zunächst nur die Haut betroffen. Allerdings kann sich diese zur systemischen Form wandeln, bei der schließlich der gesamte Organismus betroffen ist.
In Deutschland sind laut AOK circa drei bis vier Menschen pro 100.000 Einwohner vom systemischen Lupus betroffen – für die kutane Form liegen keine Daten vor.
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