Antikes Heilkraut neu geehrt
Der Würzburger Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ hat den Echten Thymian (Thymus vulgaris) zur Arzneipflanze des Jahres 2006 gekürt. Das auch als Gewürz verwendete Gewächs hat eine lange Geschichte als Heilkraut und zählt heute zu den wertvollsten Arzneipflanzen bei Erkältungskrankheiten.
Thymianpräparate werden in vielfältiger Weise eingesetzt, hauptsächlich aber als Hustenmittel – wegen der auswurffördernden und krampflösenden Eigenschaften sowie der antimikrobiellen Wirkung der Pflanze. Unterstützend werden die Präparate auch bei Keuchhusten und Asthma verwendet. Extrakte aus Thymiankraut lindern den Hustenreiz und beschleunigen den Abtransport des Schleims. Äußerlich wird Thymian als durchblutungsförderndes, antibakterielles, aber auch desodorierendes Mittel bei Entzündungen in Mund und Rachen als Gurgelmittel verabreicht. Außerdem wirkt es als Badezusatz und in Cremes hautreinigend.
Schon die Ärzte der griechischen Antike, wie Hippokrates und Dioskurides waren des Lobes voll. Sie setzten das duftende Gewächs gegen Erkrankungen der Atemwege und insbesondere als auswurfförderndes Mittel ein. Der deutsche Arzt und Botaniker Leonhart Fuchs schrieb in seinem Kräuterbuch von 1543: „Thymian mit Honig gekocht und getrunken ist förderlich und nützlich denjenigen, die das Keuchen und das schwere Atmen haben.“ In früheren Zeiten nutzte man das Kraut auch bei Verdauungsproblemen und äußerlich bei Insektenstichen oder Kopf- und Gliederschmerzen. Thymianextrakte finden sich in vielen Kräuter- und Bitterlikören. Für Menschen mit Leberschäden oder Schilddrüsenproblemen kann die innere Anwendung von Thymian problematisch sein.
Die Hauptinhaltsstoffe des Thymians sind Ätherische Öle, Gerbstoffe und Flavonoide. Die Pflanze ist mit vielen Sorten in Mittel- und Südeuropa und im Kaukasus beheimatet. Heute wird sie in Mitteleuropa, Ostafrika, Indien, Israel, Marokko, Nordamerika und in der Türkei feldmäßig angebaut. Geringe Mengen kommen aus Deutschland, Spanien und Osteuropa.
Dass der Thymian eine alte Arznei- und Nutzpflanze ist, zeigt auch sein Name. Dieser leitet sich vom griechischen „thymiama“ her, zu Deutsch Räucherwerk. So nannte man auch den Weihrauch, der in den Tempeln den Göttern dargebracht wurde. Es handelt sich bei dieser Bezeichnung also um eine Anspielung auf den intensiven Duft, den das Kraut abgibt und der vom Ätherischen Öl herrührt. Unter dem latinisierten Namen „herba thymiana“ lernten unsere Vorfahren dann die Pflanze kennen, die Mönche aus dem Mittelmeerraum über die Alpen gebracht hatten. Daraus entstand der Name Thymian.
Der würzige, stark aromatische Geruch der Pflanze kann variieren – dafür sind unterschiedliche Garnituren von Ätherischem Öl verantwortlich. In der französischen Küche darf der Thymian nicht fehlen, und als Verbindung von Genuss- und Arzneimittel finden sich Thymianextrakte in Kräuter- und Bitterlikören. Für Ritter hatte das Gewächs symbolische Bedeutung: Als Zeichen für Mut und Kraft steckten die Hofdamen ihren Favoriten vor einem Turnier ein Thymian-Sträußchen an die Rüstung. Die Ursache für diesen Brauch liegt in dem griechischen Wort „Thymos“, das „Mut“ und „Kraft“ bedeutet.
Weltweit gibt es über 300 verschiedene Thymian-Arten, sie gehören zur großen Familie der Lippenblütler. Thymus vulgaris ist ein Halbstrauch mit dünnen, unterseits filzigen und nur knapp einen Zentimetern langen Blättchen, die am Rand eingerollt sind. Anders als viele seiner meist kriechend-wüchsigen Verwandten bildet er aufrechte, etwa 30 bis 50 Zentimeter lange Zweige aus. Der Echte Thymian hat in Scheinquirlen angeordnete, zartlila, rosa oder weißliche Blüten. Seine natürliche Verbreitung reicht über den gesamten Mittelmeerraum und die wintermilden Lagen Mitteleuropas bis zum Kaukasus. Kommerziell wird er haptsächlich in Südeuropa, Nord- und Ostafrika, Indien und Nordamerika angebaut
In Deutschland kommt Thymus vulgaris wild wachsend nicht vor, es sei denn, er hat aus Gärten ausgesamt. Doch seine Überlebenschancen sind auch dann wegen seiner Frostempfindlichkeit nur begrenzt. Dafür gibt es bei uns vier andere Thymian-Arten: Bundesweit verbreitet ist der Feld-Thymian (Thymus pulegioides), dazu kommen der im wesentlichen auf Süddeutschland beschränkte Frühe Thymian (Thymus praecox), der Alpen-Thymian (Thymus alpinus) und der inselartig im Süden und an der Küste verbreitete Sand-Thymian (Thymus serpyllum).
Im Garten liebt der Echte Thymian ebenso wie seine Verwandten trockene und sonnenbeschienene Standorte. Der Boden sollte durchlässig und möglichst kalkreich sein. Man kann den Thymian im März in Schalen voraussähen oder ab Mitte April direkt ins Freiland. Im Winter benötigt der Echte Thymian Frostschutz durch Reisigabdeckung. Im Frühjahr sollte man den Halbstrauch bis ins alte Holz zurückschneiden, alle drei bis vier Jahre empfiehlt sich zur Verjüngung eine Teilung. Gut passt Thymian in den Steingarten, man kann ihn aber auch in eine Kräuterspirale integrieren oder als Beeteinfassung verwenden. Es gibt zahlreiche Duftvarianten, darunter auch einen Zitronenthymian.
Interessant und in hiesigen Breiten unproblematische, weitverbreitete Pionierpflanze ist die deutsche Variante Thymus serpyllum auch liebevoll „Quendel“ genannt, der auch gut als duftender und blühender Bodendecker geeignet ist. Aroma und Heilwirkung sind etwas dezenter, er ist nicht ganz so „temperamentvoll“ wie die südlichen Variationen sondern den gemäßigten Breiten und ihren Bewohnern angepasst. Er blüht ebenfalls von Mai bis Oktober und duftet herrlich an sonnigen Tagen in fast jeder Wiese. (sf/idw)
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