Zwischen Trauer und Anteilnahme keimt auch die Hoffnung auf Veränderung

Gedenkgottesdienst für die Opfer des Amoklaufs in der Aschaffenburger Stiftskirche. Zu den Trauergästen gehören Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Politische Fragen sollen heute jedoch nicht im Vordergrund stehen.
Kränze für die Opfer der Messerattacke von Aschaffenburg.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser nahmen an einer Trauerfeier für die Opfer der Messerattacke von Aschaffenburg teil und legten Kränze im Park Schöntal nieder.Foto: Daniel Vogl/dpa
Von 26. Januar 2025

Der Wind treibt die grauen Wolken über Aschaffenburg vor sich her, Sonnenlicht dringt nur selten durch, als der Tross mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (SPD) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Sonntagvormittag durch die Altstadt rollt. Das Ziel ist die Stiftskirche, in der um 10:30 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst beginnt.

Dabei gedenken die Teilnehmer des zweijährigen Jungen und des 41-jährigen Mannes, die bei einem Amoklauf am vergangenen Mittwoch im Park Schöntal in der unterfränkischen Stadt erstochen wurden. Der mutmaßliche Täter, ein als psychisch krank eingestufter Afghane, hat außerdem weitere Menschen teils schwer verletzt.

Mehrere Hundert Menschen auf dem Platz vor der Kirche

In die im 10. Jahrhundert errichteten Stiftskirche St. Peter und Alexander, in der an Sonntagen um diese Zeit normalerweise die Eucharistiefeier stattfindet, kommen an diesem Morgen nur geladene Gäste. Dazu gehören neben Söder und Faeser auch Staatsministerin und Kulturbeauftragte Claudia Roth (Grüne), Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) und die Familien der Opfer. Auch Zischan Mehmood, der Imam von Aschaffenburg, ist dabei und spricht im Verlauf des Gottesdienstes. Das zweijährige Opfer, der kleine Yannis, kam aus einer muslimischen Familie, die aus Marokko stammt.

Zwischen 300 und 400 Zuschauer, so schätzt ein Polizist, versammeln sich auf dem Platz vor dem Gotteshaus. Für sie ist eine Leinwand aufgestellt, auf der sie die Trauerfeier verfolgen können. Das kommt bei manchen nicht gut an. Sie hätte sich gewünscht, in der Kirche sein zu dürfen, um ihre Trauer in der Nähe der Hinterbliebenen kundtun zu können, sagt eine Frau kurz vor Beginn.

Kerzen und Blumen erinnern an das zweijährige Kind und den Mann, die bei dem Angriff am 22. Januar 2025 ums Leben kamen. Foto: Kirill Kudryavtsev/AFP via Getty Images

Es ist andächtig an diesem unangenehmen Wintertag. Die Trauergemeinde umfasst Menschen aller Altersklassen; manche scheinen alleine gekommen zu sein, andere mit der ganzen Familie, einige mit kleinen Kindern, die im Alter des ermordeten Jungen sind.

Sie seien gekommen, um ihre Anteilnahme zu zeigen, sagen zwei Frauen mittleren Alters wenige Minuten vor Beginn der Trauerfeier. „Aber auch gegen eine Vereinnahmung von rechts“, betont eine der Damen. Ihrer Ansicht nach wären Vorfälle wie der am Mittwoch vermeidbar. Dazu müssten die Behörden allerdings besser miteinander kommunizieren. An einer mangelnden Gesetzgebung liege es nicht, Regelungen gebe es ausreichend, doch funktioniere das System nicht – „auch nicht auf EU-Ebene“.

Söder verspricht posthum Rettungsmedaille für getöteten Helfer

Nicht alle Angesprochenen möchten an diesem Tag Fragen beantworten. Oft ist spürbar, dass die Trauer die politischen Aspekte für kurze Zeit überdeckt und nur eine untergeordnete Rolle spielt. Während der Predigten und Reden in der Kirche haben viele Menschen Tränen in den Augen. Vor allem in den Momenten, in denen die jeweiligen Redner die Opfer erwähnen, sie beschreiben und ihren Verlust für deren Familien hervorheben. Da werden sie für einen Moment fast wieder lebendig, es erfasst einen eine tiefe Beklommenheit und Fassungslosigkeit angesichts ihrer Schicksale.

Ein junger Vater steht etwas abseits von der Trauergemeinde, im Kinderwagen schläft ein kleiner Junge. Er sei gekommen, so wie alle anderen auch, um seine Anteilnahme zu bekunden, sagt er, aber auch, um zu hören, was Ministerpräsident Söder zu sagen hat. Der CSU-Politiker ist als letzter Redner um kurz vor 12 Uhr an der Reihe. „Es tut wirklich weh“, sagt er. „Ein unschuldiges kleines Kind und ein mutiger Helfer wurden aus unserer Mitte gerissen.“ Und weiter: „Es ist unfassbar, dass ein kleines Kind umgebracht wird, das am Morgen unterwegs war an einem lustigen Tag, sich vieles überlegt hat, ein ganzes Leben vor sich hatte, dieses Kind ist tot“, sagt er.

Das erwachsene Opfer, der 41 Jahre alte Kai-Uwe Danz, der mit seinem Einsatz möglicherweise Schlimmeres verhindert habe und dabei tödliche Verletzungen erlitt, werde posthum mit der bayerischen Rettungsmedaille ausgezeichnet, kündigt Söder an. Der Ministerpräsident vermied es, den Amoklauf in seiner Rede zu politisieren: „Wir reagieren besonnen und entschlossen“, betonte er. „Politische Fragen werden da sicher noch diskutiert werden, aber heute, heute fühlen wir mit, heute trauern wir mit.“

So wichtig waren dem Mann die Ausführungen des Ministerpräsidenten offenbar aber doch nicht. Er hatte den Platz einige Minuten vor Söders Rede in der Kirche mit seinem Kind verlassen.

Es muss sich etwas ändern

Um 11:45 Uhr wird der Gottesdienst für 5 Minuten durch Glockenläuten unterbrochen. Es ist die Uhrzeit, an der sich am Mittwoch die Tragödie im Park Schöntal ereignete.

Politische Stellungnahmen erwartet auch ein Paar nicht, das die Trauerfeier nur etwa die letzte halbe Stunde verfolgte. „Friedrich Merz hat alles gesagt“, meinen sie mit Blick auf die Aussagen des CDU-Kanzlerkandidaten, der zwei Tage nach der Tat „scharfe Migrationsgesetze“ forderte.

Viele Menschen trauerten in der Nähe des Tatorts.

Viele Menschen trauerten in der Nähe des Tatorts. Foto: Arne Dedert/dpa

Ein Tenor zieht sich durch fast alle Gespräche mit Besuchern der Trauerfeier: Es muss sich etwas ändern. Behörden und Politik hätten zu viele Fehler gemacht, die solche Taten begünstigten, meint eine Frau. Das müsse ein Ende haben. Sie habe auch einen Wandel in ihrem Umfeld wahrgenommen. Das Maß an Toleranz schwinde, die vielen Fehler wolle kaum noch jemand entschuldigen. Sie hoffe, dass die Politik nun endlich wirksame Maßnahmen ergreife.

Ob sie glaube, dass sich tatsächlich etwas ändert? „Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt“, antwortet sie.



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