Zwei Drittel der Kinder verkehren täglich online mit Fremden – trotz Angst

Egal, ob Eltern, Großeltern oder Betreuer. Wenn es um Sicherheit im Internet geht, sollten auch die Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen wissen, was diese im Internet treiben.
Der Versuchung, mit Unbekannten online in Kontakt zu treten, können nicht alle Kinder und Jugendlichen widerstehen. Foto: Irina Belova/iStock
Der Versuchung, mit Unbekannten online in Kontakt zu treten, können nicht alle Kinder und Jugendlichen widerstehen.Foto: Irina Belova/iStock
Von 6. Oktober 2024

Das Internet ist für viele Kinder und Jugendliche nicht mehr wegzudenken. Umso wichtiger ist es, sie vor den damit verbundenen Gefahren wie sexueller Belästigung – dem sogenannten Cybergrooming – zu schützen. Das zeigt auch eine neue Studie, die von der weltweit führenden NGO Save the Children und der Western Sydney University veröffentlicht wurde. Demnach verkehren mehr als sechs von zehn Kindern mit Internetzugang täglich mit Fremden, obwohl sie Cybergrooming befürchten.

Für seine Studie führte das Forscherteam umfangreiche Gespräche mit 604 Kindern und Jugendlichen. Die Acht- bis 18-Jährigen kamen aus Australien, Finnland, den Philippinen, Kambodscha, Kolumbien, Kenia und Südafrika. Sie berichteten über ihre Erfahrungen mit unangemessenen Anfragen nach persönlichen Informationen oder Bildern im Internet.

Für ihre Internetkontakte gibt es drei Kategorien:

  1. echte Freunde, die sie persönlich kennen, einschließlich Gelegenheitsbekanntschaften
  2. sogenannte bekannte Unbekannte – Personen, die sie über persönliche und/oder soziale Onlinenetzwerke ihrer Freunde und Angehörige kennen
  3. Fremde, die sie ausschließlich bei Onlineinteraktionen kennenlernen.

Im Allgemeinen vertrauen die Kinder laut Studie nur ihren echten Freunden voll und ganz. Allen unbekannten Onlinekontakten begegnen sie mit einem gewissen Misstrauen. Vor allem bei Kindern in Ländern mit mittleren Einkommen (63 Prozent) löste ein Kontakt mit Fremden Unwohlsein und Angst aus. Kein Wunder, seit der Corona-Pandemie haben die Vorfälle von Cybergrooming und sexueller sowie finanzieller Ausbeutung von Kindern ein Allzeithoch erreicht, heißt es von den Autoren weiter. In diesem Zeitraum sei die Anzahl der gemeldeten Straftaten von Cybergrooming an Kindern um 82 Prozent angestiegen.

Hemmschwelle sinkt mit zunehmendem Alter

Kindern ist es bewusst, dass der Umgang mit Fremden im Internet immer ein gewisses Risiko birgt, das zu unerwünschten Effekten führt wie Onlinemobbing, unangemessenen Anfragen bis zum Austausch über sexuelle Themen, schreiben die Forscher.

Allerdings empfinden es Kinder laut der Studie als normal, online mit Fremden zu interagieren – vor allem, wenn sie unter Einsamkeit leiden oder nur schwer persönliche Freundschaften knüpfen können.

Minderjährige neigen mit zunehmendem Alter und wachsender sozialer Kompetenz eher dazu, mit Fremden oder „unbekannten anderen“ in Kontakt zu treten – ausgelöst durch den Wunsch nach Freundschaft, Spiel und Spaß, gefolgt von dem Bedürfnis, über Trends und Ereignisse auf dem Laufenden zu bleiben und sich über gemeinsame Interessen auszutauschen.

Laut Forschern zeigt sich in allen Kulturen und Altersgruppen bei den Befragten, dass diese online gegenüber Fremden misstrauischer waren als gegenüber Bekannten. Dennoch gaben 66 Prozent der Studienteilnehmer an, dass sie täglich auch mit Fremden interagieren.

Jedoch betonen die Autoren der Studie auch:

Kinder sind weit davon entfernt, unbekannten Personen im Internet blind zu vertrauen.“

Um sicher zu sein, mit wem sie sich einlassen, würden Kinder neue Onlineverbindungen im Laufe der Zeit beobachten. Doch nach Angaben der Studienteilnehmer sei es oft schwierig, die Motive von unbekannten Personen zu erkennen.

Im Rahmen der Befragung kam ans Licht, dass finanzielle Vorteile ein Anreiz für Kinder aus Ländern mit mittlerem Einkommen sind, mit Unbekannten im Internet in Kontakt zu treten. Diesen Umstand bezeichnen die Forscher als „besorgniserregend“.

Warnsignale und Schutzstrategien

Es gibt jedoch eine Reihe von Warnsignalen, die Kinder und Jugendliche wahrnehmen und darauf hindeuten, dass sie dem Kontakt nicht trauen können. Dazu gehören Kommentare über ihr Aussehen, Fragen zu Wohnort/Arbeit/Schule, Anfragen zu persönlichen Informationen wie Geburtsdatum oder Ausweispapieren sowie nach dem persönlichen Leben und dem Beziehungsstatus. In manchen Fällen wurden die Kontakte daraufhin gesperrt oder gelöscht.

Die häufigste Schutzstrategie der Minderjährigen besteht darin, unerwünschte Kontakte im Internet zu ignorieren. 82 Prozent der Kinder und Jugendlichen fanden es einfach, Fremde zu blockieren, wobei dies älteren Kindern deutlich leichter fiel als jüngeren.

Eskaliert eine Verbindung zu einem Onlinekontakt, vertrauen sich 80 Prozent der Kinder einem Freund an – nicht zuletzt, weil ihnen formelle Meldungen laut Autoren hingegen oft als undurchsichtig erscheinen.

Bedarf an Aufklärung zur Sicherheit im Internet

Die Studie gibt auch Aufschlüsse über die digitale Sicherheit. Bei Kindern aus Ländern mit hohem Einkommen war die Wahrscheinlichkeit, dass sie entsprechende Datenschutzeinstellungen verwenden, doppelt so hoch wie bei Kindern aus Ländern mit niedrigem Einkommen.

Zwar fanden die Kinder selbst zahlreiche Möglichkeiten, um sich vor unerwünschten Kontakten zu schützen, fordern aber dennoch „eine umfassende, zugängliche und gezielte“ Aufklärung zum Thema Sicherheit im Internet, aber nicht nur für sich.

„Kinder möchten, dass ihre Eltern und Betreuer verstehen, welche Plattformen sie nutzen, mit wem sie interagieren, was sie teilen und wie sie online geschädigt werden können – und sie fordern eine auf vertrauenswürdige Erwachsene ausgerichtete Aufklärung“, so die Forscher.

Diese solle Vorteile und Gefahren digitaler Technologien beinhalten sowie Tipps, wie Kinder bei unangemessenem Verhalten ihrer Onlinekontakte vorgehen.

Es gab auch konkrete Ansatzpunkte. Eine 14-Jährige aus Australien betonte, dass mit dem Onlinesicherheitstraining früher begonnen werden muss.

„Kleine Kinder müssen über die Sicherheit und Gefahren der Technologie aufgeklärt werden […] Erwachsene beginnen mit dieser Aufklärung erst bei älteren Kindern in den sozialen Medien, obwohl das Problem auch bei Videospielen auftreten kann, die von kleinen Kindern gespielt werden.“

Aus der ländlichen Region Kambodschas hieß es von einem Mädchen aus der Altersgruppe 11 bis 12: „Erwachsene sollten wissen, dass Kinder mit Fremden interagieren, sie beobachten und ihre Chats lesen.“

Eine Jugendliche aus den Philippinen äußerte: „Erwachsene müssen über die Kinder von heute, die sich sehr gut mit Computern auskennen, Bescheid wissen […] Um die Kinder zu unterstützen und zu schützen, müssen Erwachsene verstehen, dass Kinder gerne das Internet nutzen, was zu Interaktionen mit Fremden verleitet.“

Nicht nur Politik gefordert

Nach Ansicht von Professor Amanda Third, Co-Direktorin des Forschungszentrums an der Western Sydney University, ist für den Schutz vor Cybergrooming ein „gesamtgesellschaftlicher Ansatz“ erforderlich. Dabei spielten Regierungen, NGOs, Onlineplattformen, Lehrer, Eltern, Betreuer sowie die Kinder selbst eine wichtige Rolle.

„Kinder und Jugendliche finden ihre eigenen Wege, um dieses Problem anzugehen und Lösungen zu entwickeln, aber sie fordern uns auch auf, ihnen und ihren Bezugspersonen die Fähigkeit und das Wissen zu vermitteln, das sie benötigen, um sich in dieser sich schnell entwickelnden digitalen Umgebung sicher bewegen zu können“, so Third.

Steve Miller, Global Direktor für Kinderschutz der Organisation Save the Children, erklärte: „Kinder verdienen es, in einer sicheren und fördernden Umgebung zu gedeihen – sowohl online als auch offline.“

Mit zunehmender Digitalität würden auch die damit einhergehenden Herausforderungen und Bedrohungen wachsen, einschließlich der Gefahr von Cybergrooming und Ausbeutung. „Wir müssen eine digitale Umgebung fördern, die nicht nur sicher, sondern auch bereichernd ist und es Kindern ermöglicht, ohne Angst zu erkunden, zu lernen und zu wachsen“, fordert er. Wenn es darum gehe, Präventionsstrategien weiterzuentwickeln, sollten Politiker sich die Stimmen und Erfahrungen der Kinder zu Herzen nehmen.



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