Zum Tod von Gunnar Kaiser

Am 12. Oktober ist Gunnar Kaiser gestorben. Damit verliert Deutschland einen Philosophen und Publizisten, der wie kein anderer in den Pandemiejahren deutlich geworden ist.
Titelbild
Gunnar KaiserFoto: Steven Van Veen
Von 24. Oktober 2023

Gestern wurde bekannt, dass Gunnar Kaiser bereits am 12. Oktober verstorben ist. Die Trauerfeier fand im Beisein von Familie und Freunden statt. Eine dazu auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichte Kondolenzkarte beginnt mit einem Zitat von Hermann Hesse:

Entreiß dich, Seele, nun der Zeit,

Entreiß dich deinen Sorgen

Und mache dich zum Flug bereit

In den ersehnten Morgen.”

Kaisers Tod hat bei vielen Menschen, die ihn und sein Wirken geschätzt haben, Trauer hervorgerufen. So schreibt zum Beispiel Will Lee aka Snicklink auf X:

„Oh Mann. Das nimmt mich echt mit…

Man wusste, dass es kommt, aber…

Ich hab mich im Dezember 2019 – ganz kurz vor Corona – mit Gunnar in Berlin zum Lunch getroffen. Haben beide gegenseitig unser Schaffen verfolgt und über Gott und die Welt geredet. Er war so wie in seinen Videos. Warm, ehrlich, zugänglich, LUSTIG. Gutherzig. Eine seltene Art Mensch in diesem Affenkäfig-Gebrüll. Wir blieben locker im Kontakt. Kurz darauf fand er wohl seine letzte große Rolle. Die des Warners, die des Aufklärers, des Predigers. Die des Kämpfers für Wahrheit und Gerechtigkeit. Ein Fels in der Brandung für viele Millionen Menschen.”

In dieser letzten Rolle ist Kaiser über sich hinausgewachsen. Ohne Rücksicht darauf, ob seine Meinung massenkonform ist, thematisierte er Unrecht und Wirren der Corona-Politik, die Notwendigkeit freier Debattenräume oder die Gefahren des Transhumanismus.

Gunnar Kaiser war Philosoph und Germanist, Lehrer und Schriftsteller. Sein Roman „Unter der Haut” ist in der Erstauflage bei Piper erschienen und wurde in sechs Sprachen übersetzt. Vor allem aber ist er mit seiner tiefen, sonoren Stimme als Betreiber des Video-Kanals „KaiserTV” bekannt geworden. Dort kommentierte er redegewandt aktuelle Entwicklungen oder führte tiefgehende Gespräche, unter anderem mit Gerald Hüther, Markus Gabriel, Ulrike Guérot, Hans-Joachim Maaz, Henryk M. Broder und Philipp Blom.

Er war ein vehementer Verfechter der Freiheit. Als Gymnasiallehrer in Nordrhein-Westfalen während der Corona-Zeit tätig, weigerte sich Kaiser Schülerinnen und Schüler regelmäßig zu testen. Sein Aufschrei „Ich mach da nicht mit“ vom 21. April 2021 wurde allein auf YouTube eine halbe Million mal angeschaut.

Corona: Viele Intellektuelle schweigen, Gunnar Kaiser spricht

Kaiser erhob das Wort, während viele Intellektuelle zu den staatlichen Übergriffen, den Einschränkungen der Freiheitsrechte und der Impfpropaganda geschwiegen haben. Das kostete ihn Reputation, Freundschaften und Engagements.

Im Dezember 2020 kündigte ihm die liberale Friedrich-Naumann-Stiftung, nachdem sie Kaiser kurz zuvor als Moderator engagiert hatte. Ironie des Schicksals: Das Gesprächsthema war „Cancel-Culture”.

Im Interview mit Epoch Times erzählte er über seine persönlichen Enttäuschungen zur Rolle der Intellektuellen:

„Es ist doch die Pflicht des Intellektuellen, für eine offene Gesellschaft zu plädieren. Zu merken, wo Menschen ausgegrenzt werden, wo Meinungen verboten, wo Menschen mundtot gemacht werden. Das haben wir nicht nur in den letzten zweieinhalb Jahren gesehen. Dass das überhaupt nicht passiert ist, hat mich wirklich bestürzt. Ich habe mich gefragt, ob ich eine vollkommen falsche Sicht auf die Intellektuellen hatte.

[…]

Ich möchte noch nicht ganz Abschied davon nehmen, zu sagen, ‚ach der Intellektuelle war eh immer nur eine Witzfigur der Geschichte, die sich angemaßt hat, besser über das Leben der Menschen Bescheid zu wissen, als sie selber.‘ Das war tatsächlich sehr oft der Fall. Ich halte immer noch dieses Ideal hoch. Meine Enttäuschung ging dann dazu über, zu fordern: Wir brauchen einfach bessere und unabhängige Intellektuelle, deren natürlicher Wohnraum nicht der Enddarm der Regierung ist.”

Diagnose „Speiseröhrenkrebs”

Die Diagnose „Speiseröhrenkrebs” änderte im Januar 2022 Gunnar Kaisers Leben. Er legte seinen Fokus auf Innenschau, meditierte und erforschte, was die Krankheit mit ihm zu tun hatte.

Angst vor dem Tod hatte er eigentlich nie, aber Angst vor Bedeutungsverlust. Der Philosoph offenbart: “Wenn ich nichts leiste, bei anderen Menschen nichts bewirke, wenn sie mich nicht sehen, dann bin ich auch nicht da und habe keine Bedeutung. Das ist noch schlimmer als der physische Tod. Daran muss ich noch viel arbeiten.“

Es fiel ihm zunehmend schwer, in einer Gesellschaft zu leben, in der ein repressives Klima immer weiter um sich greift. „Und deshalb verharren wir, wo wir sind,“ erzählte Kaiser beim Paragliding in den Schweizer Bergen, „unglücklich, unfähig auszubrechen, weil uns ein Bild fehlt von einem Ort, an dem wir ankommen wollen”. Diesen Ort versuchte er in seinem letzten Lebensjahr zu finden.

Ein Weg dorthin war für ihn Spiritualität. Seine Gedanken dazu hat er im Diskurs „Habe ich genug getan?“ formuliert.

Gunnar Kaiser wurde 47 Jahre alt. Er war verheiratet und Vater von zwei Töchtern.

Kondolenznachrichten sind über folgende E-Mail-Adresse möglich: [email protected]



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