ZDF verkaufen und keine Werbung mehr: So wollen Reformer den ÖRR umkrempeln

Die Stiftung Marktwirtschaft hat acht Reformvorschläge für ARD und ZDF vorgelegt: mehr Wettbewerb, keine Reklame mehr und ein geringeres Budget für Sportrechte gehören zu den Kernpunkten. Beiratsmitglied Prof. Justus Haucap tritt darüber hinaus für eine Privatisierung des ZDF ein.
Die ARD und ZDF werden vorerst nicht aus ihren Moskauer Studios berichten.
Das Symbolbild zeigt Windschutze von Mikrofonen von ARD und ZDF.Foto: Peter Kneffel/dpa
Von 30. Mai 2024

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland solle reformiert werden: Das meinen nicht nur viele Gebührenzahler, unzufriedene Mitarbeiter der Sendeanstalten und die Rundfunkkommission der Länder, sondern auch der Volkswirtschaftler Prof. Dr. Justus Haucap. Für ihn wäre es beispielsweise kein Verlust, wenn ARD und ZDF zusammengelegt würden.

Der Ökonom hätte auch nichts dagegen, wenn das ZDF generell aus dem Kreis der beitragsberechtigten Sender ausgeschlossen würde:

Ich kann mir […] sehr gut vorstellen, das ZDF an private Investoren zu verkaufen. Die Marke wäre begehrt. Der Wettbewerb bliebe erhalten.“ (Prof. Dr. Justus Haucap in „The Pioneer“)

Insgesamt wurden acht „Reformschritte“ herausgearbeitet. Beteiligt waren Haucap als Mitglied des Kornberger Kreises, dem wissenschaftlichen Beirat der arbeitgebernahen Stiftung Marktwirtschaft und fünf weitere Autoren aus der Welt der Ökonomie. In ihrem jüngsten gemeinsamen Vorschlagspapier („Für eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“) geht es insbesondere um organisatorische und finanzielle Veränderungen.

Obergrenzen für Sportrechte und Gehälter

Viele Millionen ließen sich nach Einschätzung des Kornberger Kreises beispielsweise sparen, wenn ARD und ZDF ein weit geringeres Budget für den Kauf von Sportübertragungsrechten zur Verfügung stehen würde. Diesen Markt könne man schließlich auch den privaten Anbietern überlassen.

Ebenfalls gedeckelt werden könnte nach Ansicht des Kornberger Kreises der Spielraum für die außertariflichen Gehälter von Rundfunkmitarbeitern.

Ginge es nach dem Kornberger Kreis, so sollten die ÖRR-Medien endlich auch vollständig auf ihre Werbeeinnahmen verzichten. Schließlich machten diese nur etwa sechs Prozent ihrer Gesamteinnahmen aus und öffneten zumindest theoretisch die Tür für eine inhaltliche Einflussnahme.

Für mehr Wettbewerb: Geld nach Idee und Reichweite deckeln

Ein Teil des Gebührentopfes könnte auch für einen direkten Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern verwendet werden: Per „Innovationsfonds“ könnte man beispielsweise fünf oder zehn Prozent der Gebühreneinnahmen an denjenigen vergeben, der die beste Idee für ein Sendeformat hat. Über den Zuschlag entscheiden könne dann eine „möglichst unabhängige […] politikferne Vergabekommission anhand vorab definierter Kriterien“, ähnlich wie es schon heute bei der Filmförderung Usus sei.

Für einen faireren Wettbewerb würde der Kornberger Kreis auch die Reichweite der öffentlich-rechtlichen Angebote deckeln lassen: „Bei Überschreiten der festgelegten Schwelle wäre der ÖRR verpflichtet, massentaugliche Angebote, die am Rande des öffentlich-rechtlichen Auftrags liegen, seltener anzubieten.“

Neue Kontrollstrukturen etablieren

Auch die Aufsichtsgremien von ARD und ZDF könnten „drastisch“ verkleinert und umorganisiert werden, meinen die sechs Autoren. Ihnen schwebt eine klare Trennung von inhaltlichen und finanziellen Kontrollinstanzen vor, die am besten durch „verschiedene Ausschüsse“ repräsentiert würden. Ihre Büros sollten sich nicht auf dem Gelände einer Rundfunkanstalt befinden, damit eine „unabhängige und effektive Aufsicht“ gewährleistet werden könne.

„Unabhängige Expertengremien“ nach dem Vorbild der Evaluation von Forschungsinstituten sollen künftig dafür zuständig sein, die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „insbesondere im Hinblick auf die Auftragserfüllung“ zu bewerten. „Die Evaluierenden sollten dabei weder vom ÖRR selbst noch von der Politik bestellt werden. Möglich wäre, dass entweder die KEF [Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten] oder die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) diese Gruppe ernennt“, schlagen die Autoren vor.

Bessere Akzeptanz, geringere Gebühren

Würde man all diese „Reformempfehlungen“ umsetzen, so würde das „dazu beitragen, einen möglichst hohen gesellschaftlichen Mehrwert durch den ÖRR und das zur Verfügung stehende Beitragsaufkommen zu generieren“, ist der Kornberger Kreis um Prof. Dr. Justus Haucap überzeugt. Zudem würde die „Akzeptanz in der Bevölkerung gestärkt“.

Der Acht-Punkte-Plan für eine Reform des ÖRR liegt als Kurzfassung in einer Presseerklärung und in voller Länge als PDF-Datei auf den Seiten der Stiftung Marktwirtschaft vor.

ARD verfolgt eigenen „Reformweg“

Ein ARD-Sprecher antwortete auf Nachfrage der Epoch Times, dass die ARD „die unterschiedlichen Vorschläge in der Debatte um eine Neugestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufmerksam“ verfolge. Allerdings konzentriere man sich bei den „eigenen Reformbestrebungen auf die Bereiche, die in unsere eigene Kompetenz fallen“. Nicht dazu gehörten „Veränderungen, die etwa die Finanzierung, die Struktur oder die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland“ beträfen. Denn diese fielen „nicht in die Kompetenz der Landesrundfunkanstalten der ARD“, so der Sprecher.

Die ARD habe sich längst zu einem eigenen „Reformweg“ entschieden:

Unser Ziel dabei ist, durch intensivere Zusammenarbeit im Programm und die bessere Abstimmung interner Prozesse insgesamt effizienter zu werden. So sollen Ressourcen für wichtige Zukunftsaufgaben frei gemacht werden, vor allem für die Versorgung der verschiedenen Regionen Deutschlands mit starkem Programm für die zeitgemäße digitale Mediennutzung.“

Der Sprecher spielte damit wohl auf den Abschlussbericht des „Zukunftsrats von ARD und ZDF“ (PDF) an, der Mitte Januar 2024 an die ARD-Anstalten überreicht worden war. Das achtköpfige Expertengremium wurde von der Rundfunkkommission der Länder im März 2023 berufen und beauftragt, neue Wege für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu entwickeln. Der Zukunftsrat empfahl unter anderem, die Organisationsstrukturen umzubauen – zum Beispiel mit neuen Kontrollorganen. Eine Fusion von ARD und ZDF hält der Zukunftsrat für falsch: Beide Häuser mitsamt den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und dem Deutschlandradio sollen weiter eigenständig bleiben.

Die ARD hatte am 25. April 2024 einen Sachstandsbericht über ihre internen Reformen vorgelegt. So sollten die bereits „im Juni 2023 beschlossenen drei multimedialen Kompetenzcenter Gesundheit, Verbraucher und Klima“ noch im Mai 2024 mit ihrer Arbeit beginnen. Weitere Kompetenzcenter für Wissen, Kochen und Religion seien in Planung. Im Hörfunk habe man bereits neue Pool-Lösungen für den wöchentlichen Opernabend und die Infowellen etabliert. Auch auf gemeinsame „Grundsätze zur Anwendung von KI“ habe man sich verständigt.

Auf Anregung des Zukunftsrats werde der Senderverbund zudem eine „zentrale ARD Tech-Unit“ einrichten, um Kosten zu sparen, wie dem ARD-Bericht zu entnehmen war. „Die zentrale Einheit erleichtert auch eine vertiefte Zusammenarbeit mit dem Deutschlandradio und dem ZDF etwa beim Betrieb von gemeinsamen Plattformen“, hieß es. Auf Anfrage der Epoch Times bestätigte der ARD-Sprecher die Kooperation mit dem ZDF „beim gemeinsamen Streaming-Netzwerk“. Diese könne „perspektivisch […] in eine gemeinwohlorientierte Plattform für Qualitätsmedien in Deutschland münden“.

Reaktionen der Rundfunkkommission und des ZDF

Weniger auskunftsfreudig zeigte sich das ZDF: Eine Sprecherin des ZDF bat die Epoch Times um Verständnis dafür, dass der Mainzer Sender die Vorschläge des Kornberger Kreises nicht kommentieren wolle. Sie verwies lediglich auf die Gesetzgebungskompetenz, die für den Rundfunk bei den 16 Ländern liege. Die Länder seien auch zuständig „für die Ausgestaltung des Rundfunksystems“.

Eine Sprecherin der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, die den Vorsitz der Rundfunkkommission der 16 Länder innehat, erklärte gegenüber der Epoch Times, dass „die Ideen von Prof. Haukap […] bislang nicht an die Länder adressiert“ worden seien. Die Länder hätten auf Grundlage der Expertise ihres Zukunftsrats bereits Anfang 2024 eigene „Eckpunkte“ (PDF) definiert, die „in einem Reformstaatsvertrag münden“ würden.

Kornberger Kreis und Stiftung Marktwirtschaft

Neben Prof. Justus Haucap gehören auch die Ökonomen Prof. Clemens Fuest, Prof. Volker Wieland, Prof. Berthold U. Wigger und die Juristin Prof. Heike Schweitzer zum Kornberger Kreis. Sprecher der Runde ist der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Prof. Lars P. Feld.

Die auf marktliberalen Theorien fußende Stiftung Marktwirtschaft in Berlin finanziert sich nach eigenen Angaben „durch Stiftungskapital, Publikationen sowie private Unterstützung“, nicht aber durch Gelder der öffentlichen Hand. „Wir verstehen uns weder als Vordenker eines Verbandes noch einer Partei, sondern als marktwirtschaftlicher Think-Tank – eine Denkfabrik, die unbeeinflusst von organisierten Gruppeninteressen auf der Basis der wirtschaftlichen Vernunft arbeitet“, heißt es auf der Website. Den Vorstand bilden der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Michael Eilfort und der Ökonom Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen.

Rufe nach Reformen von mehreren Seiten

Vor wenigen Wochen hatte das „Manifest für einen neuen ÖRR“ bundesweit für Aufsehen gesorgt. Neben enttäuschten ÖRR-Mitarbeitern hatten sich auch Künstler, Mediziner und Wissenschaftler für Veränderungen bei den gebührenfinanzierten Sendern ARD, ZDF und Deutschlandradio eingesetzt. Spätestens seit der Coronazeit hatten sie eine „zunehmende Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung“ und eine Erosion der Grundsätze von Neutralität und Ausgewogenheit festgestellt. Der Deutsche Journalistenverband und der Redakteursausschuss AGRA hatten allerdings wenig Verständnis für das Manifest.

Ende März 2024 hatten sich vier Landtagspräsidenten ostdeutscher Bundesländer mit einem eigenen Positionspapier zu Wort gemeldet. Auch sie verlangten in einem Zehn-Punkte-Plan umfassende Reformen, um das verlorengegangene Vertrauen in die Sender zurückzugewinnen.



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