Winnetou-Debatte holt Kulturszene ein: „Bully“ Herbig beklagt „strenge Comedy-Polizei“
Die Entscheidung des Verlagshauses Ravensburger, das Buch zum Kinofilm „Der junge Häuptling Winnetou“ nicht mehr auszuliefern und Lizenztitel zur Figur des bekannten Titelhelden mehrerer Abenteuerromane des Schriftstellers Karl May aus dem späten 19. Jahrhundert vom Markt zu nehmen, holt jetzt die deutsche Kulturszene ein. In der am Freitagabend, 2. September, ausgestrahlten Talkshow „3 nach 9“ auf „Radio Bremen“ erklärte Comedy-Produzent Michael „Bully“ Herbig, er würde seinen 2001 entstandenen Film „Der Schuh des Manitu“ heute „nicht mehr so machen können“ wie in der damaligen Zeit. Begründung: „Die Comedy-Polizei ist so streng geworden.“
„Heute viel schwieriger, eine Komödie zu drehen“
„Der Schuh des Manitu“, der die Abenteuerliteratur Karl Mays parodierte, gehörte mit rund zwölf Millionen Zuschauern zu den erfolgreichsten deutschen Filmen aller Zeiten. Lediglich Heimatfilme der 1950er Jahre wie „Grün ist die Heide“, „Otto – Der Film“ aus dem Jahr 1985 oder das DEFA-Märchen „Der kleine Muck“ lockten mehr Zuschauer in die Kinos.
„Den Film habe ich vor 22 Jahren gemacht und es war eine Parodie auf Filme, die vor 60 Jahren im Kino waren“, äußerte der 54-jährige Herbig in der Talksendung. „Spielfreude“ und die „Verwirklichung von Träumen“ seien der Antrieb dazu gewesen. Heute würde er das jedoch nicht mehr so machen.
Die Strenge der „Comedy-Polizei“ nehme dem gesamten Genre „ein bisschen die Unschuld und Freiheit“, so Herbig. Er habe „totales Verständnis“ dafür, dass heute über gewisse Dinge nicht mehr so gesprochen werde wie vor 20 Jahren. Es sei jedoch heute viel schwieriger, eine Komödie zu drehen, weil man „das Gefühl hat, dass man sehr schnell Leuten auf die Füße tritt“.
Comedy-Genre als solches in Gefahr
Herbig bedauerte die Lautstärke der Diskussion, die derzeit geführt werde, und dass „keiner dem anderen mehr zuhört“. Das Einzige, was die beiden Lager verbinde, sei die Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation. Er versuche, sich in der Debatte um sogenannte kulturelle Aneignung und Rassismus „noch eine schlaue Meinung zu bilden“.
Wenn es dann „irgendwann mal einen Katalog gibt, in dem steht, über die Person, über den Menschen darfst du Witze machen, über diesen Kulturkreis nicht, über diese Menschen auch nicht“, würde er selbst den Spaß daran verlieren, Comedy zu machen – und viele würden es ihm gleichtun.
„Dann müssen das Leute machen, die sich da so durchmanövrieren“, äußerte Herbig weiter, „aber das nimmt mir so ein bisschen die Freude und dann sehe ich, wenn man in so eine Richtung weitergaloppiert, sehr dunkle Zeiten auf uns zukommen.“
„Bully“ Herbig bereits wegen Schwulen-Darstellungen angegriffen
Noch komplexer werde es, wenn man eine Gruppe im Film abbilde, die selbst in Lager geteilt sei. Während eine davon die Darstellung lustig finde und sich darin wiedererkenne, fühle sich die andere diskriminiert und beleidigt. „Dann weiß ich nicht mehr, auf wen ich hören soll“, erklärte Herbig.
Der Comedian, der sich ursprünglich im Fernsehen mit der „Bullyparade“ einen Namen gemacht hatte, war bereits in der Zeit seiner größten Publikumserfolge von medialen Moralwächtern ins Visier genommen worden, weil er in seine Darstellungen wiederholt klischeehafte Darstellungen über Schwule in bewusst überzeichneter Weise integrierte.
Vor allem in den 2000er Jahren feierte Herbig mit Parodien auf Klassiker aus Kino und Fernsehen Publikumserfolge. Neben „Der Schuh des Manitu“ nahm er „Star Trek“ und andere Weltraumserien in „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ (2004) und die „Sissi“-Filme in „Lissi und der wilde Kaiser“ (2008) aufs Korn.
Sein Kollege Christian Tramitz übernahm 2009 zudem noch eine Sprecherrolle im Zeichentrickfilm „Winnetoons – Die Legende vom Schatz im Silbersee“, dessen Soundtrack die 2006 für Deutschland beim Eurovision Song Contest gestartete Countryband Texas Lightning mit dem Album „Western Bound“ gestaltete.
Ende September wird der von Herbig produzierte Film „Tausend Zeilen“ über den Skandal um den ehemaligen deutschen Starjournalisten Claas Relotius Premiere haben.
Ravensburger: Kotau vor 17 Kritikern
Die „Winnetou“-Debatte begann mit einem am 19. August editierten Instagram-Eintrag des Ravensburger-Verlages, der ursprünglich acht Tage zuvor erschienen war. Ursprünglich waren darin der „endlich“ stattfindende Kinostart des „lang ersehnten“ Films „Der junge Häuptling Winnetou“ und das „passende Buch zum Film“ sowie das Erstlesebuch angekündigt worden.
Später folgte ein devoter Entschuldigungstext, in dem man sich auf die „vielen negativen Rückmeldungen“ zu dem Buch berief und von einem Feedback sprach, das „uns deutlich gezeigt“ habe, dass „wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben“.
Das sei „nie unsere Absicht“ gewesen und „das ist auch nicht mit unseren Ravensburger Werten zu vereinbaren“. Weiter hieß es: „Wir entschuldigen uns dafür ausdrücklich.“ Zudem gelobte der Verlag, die „Kolleg*innen“ würden die Folgen für das künftige Programm diskutieren und „Titel für Titel unser bestehendes Sortiment“ überarbeiten.
Dabei zögen diese „auch externe Fachberater zu Rate“ oder setzten „Sensitivity Reader“ ein, die „unsere Titel kritisch auf den richtigen Umgang mit sensiblen Themen prüfen“. Leider sei das bei den Winnetou-Titeln nicht gelungen. Man könne aber versichern: „Wir lernen daraus!“
Wie das „t-online“-Portal mit Blick auf Datenanalysen berichtete, hat der Verlag die „vielen negativen Reaktionen“ auf das Buch möglicherweise erfunden oder bewusst übertrieben, um seinen Schritt zu rechtfertigen.
Tatsächlich war die Kinopremiere an den Tagen davor in sozialen Medien kaum ein Thema. Zum Thema „Winnetou“ seien zwischen dem 8. und 10. August über das gesamte deutschsprachige Web 2.0 hinweg lediglich 150 bis 200 Postings pro Tag abgesetzt worden.
Erst am 14. und 15. August seien 17 Kommentare unter dem Posting von Ravensburger zum Begleitbuch zu finden gewesen, die diesem „unverantwortbare Inhalte“ zum Vorwurf machten. Unter anderem war kritisiert worden, man habe das Buch lediglich auf der Grundlage des Films erstellt, statt „echte indigene Repräsentation zu fördern“.
Die 17 Profile stammen unter anderem von einer Kinderbuchbloggerin, einer Grundschullehrerin, den Mitarbeitern einer „Beratungsfirma für diskriminierungsfreie Medieninhalte“ und einem tatsächlichen Mitglied einer indigenen Bevölkerungsgruppe. Die Followerzahl der Accounts bewegt sich zwischen zehn und 22.600.
Erst in den Tagen nach dem Entschuldigungspost ist die Zahl der Kommentare explodiert, und mittlerweile liege die Zahl bei mehr als 4.500 – die meisten davon voll harscher Kritik an der Verlagsentscheidung.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 61, vom 10. September 2022.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion