Wie viel DDR steckt in der BRD?

Katja Adler ist bei der FDP und Mitglied des Deutschen Bundestages. In ihrem Buch „Rolle rückwärts DDR?“ beschäftigt sie sich mit den politischen Entwicklungen und was an den Vergleichen mit der DDR dran ist. Dafür hat sie sogar eine eigene Umfrage in Auftrag gegeben. Eine Buchrezension.
Titelbild
Autorin Katja Adler.Foto: privat
Von 19. September 2024

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Seit dem 17. September 2024 ist das Buch von Katja Adler „Rolle rückwärts DDR?“ erhältlich. Katja Adler ist Diplom-Verwaltungswirtin und hat einen Master of Arts in Arbeits- und Organisationspsychologie.

2010 trat sie in die FDP ein und ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie kam 1974 in Eisenhüttenstadt zur Welt und hat somit 15 Jahre in der DDR gelebt. Diese Erfahrungen sind in ihrem neuen Buch von entscheidender Bedeutung.

Bereits im Vorwort nimmt sie eine klare Position ein: „Nein, das heutige Deutschland ist nicht gleichzusetzen mit der DDR. Ja, es gibt gefährliche Entwicklungen in Deutschland, die an Ähnliches in der DDR erinnern.“

Es sind ebendiese Entwicklungen, die Katja Adler im Blick hat und im Buch benennt. Dabei hat sie keine Berührungsängste, die Dinge zu vergleichen, möchte sie aber nicht gleichsetzen.

Erinnerungen an die DDR

Als Katja Adler dieses Buch schrieb, suchte sie nach Umfrageergebnissen zum Thema DDR. Sie fand aber keine Umfragen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob die Geschehnisse in der BRD die Bürger an die DDR erinnert.

Daraufhin hat sie keine Mühen gescheut und für dieses Buch sogar „auf eigene Kosten das renommierte Meinungsforschungsinstitut Insa damit“ beauftragt, eine Umfrage unter knapp 500 Personen durchzuführen. Ein Teilergebnis besagt, dass knapp die Hälfte der Befragten „Ex-DDRler“ bejaht, dass die Ereignisse in der BRD an die DDR erinnern lassen.

Als die „repräsentativ ausgewählten(n) Personen“ danach gefragt wurden, welche gegenwärtigen Aktivitäten dazu führen, dass die Erinnerungen aus der DDR wieder lebendig werden, fielen die Antworten deutlich aus. Für 71 Prozent sind es „zu viele Vorgaben des Staates“, 68 Prozent haben „Angst, die eigene Meinung zu sagen“, und 60 Prozent sehen den Grund in der „Propaganda für die Bundesregierung durch den staatlichen Rundfunk“, um nur einige Teilergebnisse zu nennen.

Vom Ich zum kollektiven Wir

Nach dem Vorwort folgen fünf Kapitel. In dem ersten Textstück schreibt Katja Adler unter anderem über die Corona-Maßnahmen, über das Verbot von „COMPACT“ und den Demos gegen Rechts. Als Mitglied der FDP kritisiert sie auch die Freiheit der Unternehmer, die immer weiter eingeschränkt wird: „Die sozialistische Planwirtschaft“ steht vermehrt im Vordergrund, das Individuum muss dem Kollektiv weichen.

Im zweiten Kapitel wird die Autorin persönlicher, weil sie hier über ihre eigenen Erfahrungen aus der Zeit in der DDR schreibt. Kurz vor Ende desselben Kapitels geht sie kurz näher auf die Geschichte der Partei Die Linke und die „Ostdeutschen Grünen“ ein.

Adlers Kritik an Ersterer ist deutlich: „Es bleibt mir ein Rätsel, wie der Bundestag zulassen konnte, dass Petra Pau, die eine nicht unerhebliche Karriere als SED-Kader zurückgelegt hatte, Stellvertretende Bundestagspräsidentin wurde.“

Der ÖRR und seine Satire

Das dritte und längste Kapitel widmet sich der Frage nach dem gegenwärtigen Zustand in der Bundesrepublik Deutschland. In einem Abschnitt fokussiert sich Adler auf den Rundfunkstaatsvertrag und den Einfluss der jeweiligen Regierung auf die Gremien: „Sitzt die CDU im Kanzleramt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass bei der nächsten Besetzung etwa des ZDF-Chefredakteurs ein Kandidat zum Zuge kommt, der (…) der Union ‚näher‘ steht.“

So wäre das laut Adler auch, wenn eine Person aus der SPD den Kanzler stellen würde und wenn es um die Besetzung des Intendanten geht.

In einem späteren Abschnitt im dritten Kapitel wirft Adler den Moderatoren Jan Böhmermann und Oliver Welke „Einseitigkeit“ vor. Abgesehen davon, dass selbst die Bürgerinnen und Bürger, die von den eben genannten Personen diffamiert wurden, diese mit finanzieren müssen, wird so auch der Diskurs eingeschränkt.

Wenn nur bestimmte Narrative verbreitet werden, dann können in der Öffentlichkeit nur noch bestimmte Themen diskutiert werden.

Links, zwo, drei, vier

Im vierten Kapitel bezeichnet Adler den Kurs der Gesellschaft als einen, der im „Linksschritt“ unterwegs ist. Außerdem analysiert sie neben den Parteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen hier nun auch die SPD, die CDU, die AfD und ihre eigene Partei, die FDP.

Leider bleibt Adler auf den wenigen Seiten über die FDP zu sehr in deren Geschichte hängen. Dabei hätte Adler hier die Gelegenheit für eine kritische Selbstbetrachtung nutzen können. Dass sie diese Gelegenheit nicht wahrnahm, kommt nicht überraschend.

Denn wer der Bundestagsabgeordneten auf der Internetplattform X folgt, wird festgestellt haben, dass eine kritische Betrachtung der FDP nicht zu ihren Leitthemen gehört. Wenn sie auf X etwas Kritisches zu der Ampelregierung postet, dann wird sie in dem Kommentarbereich regelmäßig darauf hingewiesen, dass sie als Mitglied des Bundestages und der FDP selbst Teil der Regierung ist.

Im fünften und letzten Kapitel legt Adler die Endstationen der Freiheit und der Demokratie für sich fest. Sie lehnt den paternalistischen Staat klar ab, auch wenn er vorgibt, diese oder jene Maßnahme aufgrund einer höheren, moralischen Gewalt ausführen zu müssen.

Außerdem scheint sie, das zeigte sich auch in den anderen Kapiteln immer wieder, erstaunt darüber zu sein, wie leicht die Regierung den Bürgerinnen und Bürgern die harten Corona-Maßnahmen auferlegen konnte. Das sind die Textstellen, an denen eine Kritik an den Bürgern selbst durchblitzt.

Deutliche und sanfte Kritik

Wie Adler es in ihrem Buch selbst schreibt, wurden Personen, die in den letzten Jahren auf die Freiheit und Achtung des Grundgesetzes Wert gelegt und dies auch entsprechend geäußert haben, gerne als Verschwörungstheoretiker oder (extreme) Rechte bezeichnet.

Dieses Buch kann dabei helfen, diese wichtige Debatte über die Freiheit und Bedeutung der Grundrechte weiterzuführen und somit die kritische Betrachtung über die politischen Vorgänge in der Gesellschaft zu intensivieren.

An manchen Stellen scheint es so, als würde sie ihre Kritik an der Politik der letzten Jahre hinter Begriffen wie „fühlen“ etwas verstecken. Getreu dem Motto, der Bürger „fühlt“ sich nur an die DDR erinnert, es ist aber nicht so, wie er es wahrnimmt.

Es gibt Stellen im Buch, in denen Adler sehr deutlich wird (siehe zum Beispiel die Ergebnisse ihrer Umfrage). Es gibt aber auch Textstellen, in denen sie sich nicht festlegt. Im Vorwort setzt sie wie erwähnt auf Vergleiche, nicht auf Gleichsetzungen der BRD mit der DDR.

Doch wenn es ausschließlich um Vergleiche geht, wieso mahnt sie im Nachwort dann eine erneute „große Wachsamkeit und Sensibilität“ an? Wer mutlos ist und seine eigenen Meinungen nicht äußert, wird „in einer Gesellschaft der Meinungs- und Mutlosigkeit aufwachen“.

Sind das die Äußerungen einer Person, die wirklich nur vergleichen möchte, oder schimmert hinter diesen Konklusionen nicht doch eine stärkere Sorge durch?

Ein wichtiges Buch, das den Diskurs bereichert

Katja Adler bringt in ihrem Buch „Rolle rückwärts DDR?“ auf knapp 300 Seiten nicht nur ihre Achtung vor der Demokratie, sondern auch ihre Sorge über die gegenwärtigen politischen Entwicklungen zum Ausdruck. Vor allem Letzteres kann sie über die Kapitel hinweg mit vielen konkreten Beispielen, die sich in den letzten Jahren ereignet haben, untermauern.

Dieses Buch ist nicht für den akademischen Elfenbeinturm gedacht, es richtet sich an die, die eine gewisse Sorge und Frage nach dem Wesen des deutschen politischen Systems umtreibt.

Auch wenn eine deutlichere Sprache dem Buch an manchen Stellen gutgetan hätte und eine selbstkritische Betrachtung der eigenen Partei angebracht gewesen wäre: Wenn an dem Buch noch etwas kritisiert werden kann, dann der Umstand, dass es erst jetzt erschienen ist.

Hardcover, 288 Seiten, erschienen: September 2024, ISBN: 978-3-95972-806-5, 22,- €

Über den Autor:

Ronny Ebel ist Literaturwissenschaftler und im Begriff, sein Philosophiestudium an der Humboldt-Universität zu Berlin abzuschließen. Er beschäftigt sich mit menschlichem Verhalten und den Auswirkungen ihres Tuns. Seinen Fokus legt er auf Verantwortung und demokratische Partizipation.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion