Wer in Deutschland in die Schuldenfalle gerät

Während die Staatsschulden pro Kopf in Deutschland Rekordhöhen erreichen, sind hierzulande immer weniger Menschen persönlich verschuldet. Angst vor Krieg, Inflation und Jobverlust lassen die Deutschen ihr Geld zusammenhalten – und haben die individuellen Schulden gesenkt. Die Deutschen sind, was ihren Pessimismus die Wirtschaft betreffend anbelangt, unter dem europäischen Durchschnitt.
Die neuen Schuldenregeln für EU-Staaten haben die letzte Hürde genommen.
Mehr als nur Kleingeld: Rekordschulden des Staates versus sinkende Überschuldung der Bürger.Foto: Monika Skolimowska/dpa
Von 3. Dezember 2024

Die öffentlichen Schulden in Deutschland sind so hoch wie nie. Ende vergangenen Jahres sind sie mit 2.445,1 Milliarden Euro auf einen Höchststand gestiegen. Dieser Rekord von 2023 entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung von 28.943 Euro. Das sind 778 Euro mehr als Ende 2022.

Staatsverschuldung immer höher – Schulden der Bürger gehen zurück

Die deutschen Bürger hingegen versuchen ihr Geld zusammenzuhalten. Sie sparen mehr als je zuvor. Das hat zur Folge, dass immer weniger Menschen hierzulande verschuldet sind. Bereits zum sechsten Mal in Folge sank die Zahl der überschuldeten Verbraucher, wie aus dem sogenannten Schuldneratlas 2024, der jedes Jahr von der Kreditauskunft Creditform herausgegeben wird, hervorgeht. 

Demnach sind derzeit 8,09 Prozent der Deutschen überschuldet. Überschuldet bedeutet, dass weder ihr Vermögen noch die erwarteten Einnahmen die bestehenden Schulden übersteigen. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 8,15 Prozent und war also marginal höher.

Aktuell gelten nur noch 5,56 Millionen Menschen (-94.000 Fälle gegenüber dem Vorjahr) in Deutschland als überschuldet. Das ist ein erneuter Tiefststand. Die Überschuldungsquote, also der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland, ist damit marginal um 0,06 Punkte auf 8,09 Prozent gesunken.

„Wieder ist die Überschuldung gesunken, wenn auch weniger deutlich als in den vergangenen Jahren“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Die eigentlich guten Nachrichten hätten aber einen ernsten Hintergrund.

Der deutsche Angst-Sparer

„Die deutschen Verbraucher haben Angst vor der Zukunft und halten ihr Geld deshalb zusammen“, erläutert Hantzsch. Dazu hätte die Politik der Ampelregierung ebenso beigetragen wie die schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft, der Ukraine-Konflikt und die Wahlen in den USA. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform fasst die Ergebnisse unter der Headline zusammen „Angst-Sparen senkt Überschuldung“ und „Konsumzurückhaltung verhindert Anstieg / Arbeitsplätze in Gefahr“.

Seit 2020, mit Beginn der Corona-Krise, hatten sich die Überschuldungsfälle in drastischem Tempo verringert. Damals unterstützten staatliche Hilfen und eine bereits ausgeprägte Sparneigung die Verbraucher. Auch 2024 sei der Konsum deutlich zurückgegangen, so Hantzsch. Ähnlich wie den Verbrauchern ergeht es derzeit den Unternehmen, die aus Unsicherheit ebenfalls kaum noch investieren.

Männer machen mehr Schulden, alleinerziehende Frauen die Leidtragenden

Ein detaillierter Blick auf die Gruppe der Überschuldeten gibt Aufschluss über dem Thema zuzuordnende Trends. Vor allem sind es Geringverdiener, die in die Überschuldungsspirale geraten. Denn diese müssen einen größeren Anteil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse ausgeben, und vor allem die hohen Energie- und Lebensmittelpreise setzen ihnen zu, weiß Michael Goy-Yun, Geschäftsführer von Creditreform Boniversum.

„Insgesamt sind es vor allem die Männer, die sich weitaus häufiger überschulden als Frauen – und das altersunabhängig. Doch vor allem sind es alleinerziehende Frauen, die immer noch überdurchschnittlich häufig von Überschuldung betroffen sind und damit weiterhin wirtschaftlich herausgeforderte die hauptsächlich Leidtragenden“, so Goy-Yun.

Bei der Betrachtung des Alters zeigt sich, dass nur die jüngste (unter 30 Jahre) und die älteste Altersgruppe (ab 70 Jahre) einen Anstieg der Überschuldungsquote verzeichnen. Besonders bei den unter 30-Jährigen ist das bemerkenswert, da ihre Überschuldung nach jahrelangem Rückgang zwischen 2013 und 2022 nun zum zweiten Mal in Folge zunimmt.

Leben auf Pump?

Insgesamt verschuldet sich vor allem die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen. Große Anschaffungen, Familienplanung und beispielsweise der erste Hauskauf sorgen hier für große finanzielle Belastungen.

Vor allem drei von Creditreform definierte Gruppen fallen dabei auf, die allesamt mehr oder weniger starke Verschuldungszuwächse zwischen 1,7 und 6,2 Prozent aufweisen: Dauerüberschuldete, Konsumüberschuldete und Überschuldungspragmatiker, die vorübergehende finanzielle Risiken eingehen, um zu konsumieren. Der Effekt nennt sich „Buy now, pay later“ und bezieht sich auf die Zahlungsart, die oft angeboten wird und vor allem von jungen Menschen genutzt wird.

37 Prozent der Deutschen haben in den letzten zwölf Monaten häufiger „Buy Now, Pay Later“ (BNPL) Zahlungsmethoden genutzt als zuvor, also erst einmal „auf Pump“ gekauft. Dieser Trend hat sich aus der aktuellen, jährlich stattfindenden Befragung von europaweit 10.000 Konsumenten, darunter 2000 Deutsche, durch den Finanzdienstleister Mollie herausgestellt. Der Zuwachs suggeriert, dass sich der Ratenkauf gerade in unruhigen wirtschaftlichen Zeiten als Shopping-Alternative etabliert.

Online macht es möglich: Jetzt kaufen, später abstottern

Online-Shopping hat Aufwind, obwohl die Untersuchung nach die wirtschaftlichen Herausforderungen das allgemeine Stimmungsbild trüben. Während im letzten Jahr noch 47 Prozent der Befragten hierzulande an eine Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtsituation glaubten, ist der Wert mittlerweile um fünf Prozentpunkte auf 42 Prozent gesunken.

Der Pessimismus der Deutschen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung liegt damit unter dem europäischen Durchschnitt. Nur in Frankreich sind die Konsumenten noch pessimistischer mit 41 Prozent. Am optimistischsten sind noch die Niederländer, sie erwarten mit fast der Hälfte, 49 Prozent, am häufigsten eine gesamtwirtschaftliche Verbesserung. Insgesamt geht ein Viertel aller deutschen Befragten (25 Prozent) sogar von einer Verschlechterung der Wirtschaftslage aus. Im Vorjahr waren es noch 29 Prozent.

Shoppen bis zum Ende …

Trotz Unsicherheiten und Pessimismus auf Konsumentenseite gibt es Lichtblicke, findet die Mollie-Umfrage, zumindest für den Online-Handel. Der Konsumwille scheint ungebrochen: Vier von fünf Deutschen (81 Prozent) planen, im kommenden Jahr genau so viel oder sogar mehr beim Online-Shopping auszugeben als bisher.

Ob dies jedoch tatsächlich so eintreten wird, wird sich erst in der Zukunft zeigen und sicher von den weiteren Entwicklungen abhängig sein.

„Für das laufende und kommende Jahr wird der Verlust von Arbeitsplätzen wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Der Arbeitsmarkt hat sich den negativen konjunkturellen Entwicklungen lange widersetzt. Der dauerhafte Druck auf unsere Industrie wird auch zum Verlust von gut bezahlten Arbeitsplätzen führen, Stichworte VW und Bayer“, so Creditreform Sprecher Hantzsch.



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