Weimarer Familienrichter rechtskräftig wegen Rechtsbeugung verurteilt
Im Revisionsfall des Weimarer Familienrichters Christian Dettmar vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ist am Mittwoch (20. November) eine Entscheidung gefallen.
Der 2. Strafsenat bestätigte das Urteil gegen den Amtsrichter aus dem thüringischen Weimar wegen Rechtsbeugung. Damit ist das vorinstanzliche Urteil des Landgerichts Erfurt rechtskräftig und Dettmar nicht mehr Richter. Außerdem verlor er seine Pensionsansprüche.
Dettmar hat nach Ansicht des fünfköpfigen Strafsenats sein Richteramt missbraucht, als er im April 2021 im Eilverfahren einen Großteil der staatlichen Coronaschutzmaßnahmen an zwei Schulen aufhob (Az. 2 StR 54/24).
Dettmar selbst hatte dies mit der Gefährdung des Kindeswohls begründet. Als Familienrichter am Amtsgericht war er für Kindeswohlfälle in der thüringischen Stadt zuständig.
Kindeswohlgefährdung spielte vor Gericht keine Rolle
Die Entscheidung des seit 1996 am Amtsgericht Weimar tätigen Richters wurde wenige Wochen später auf eine Beschwerde des Landes Thüringen hin vom Oberlandesgericht Jena wieder aufgehoben. Dettmar sei für den Fall nicht zuständig gewesen. Das bestätigte der BGH im November 2021. Unter den Juristen ist dieser Punkt umstritten.
Doch darum ging es weder im Verfahren vor dem Landgericht Erfurt, noch jetzt am BGH. Und auch die Frage, ob tatsächlich eine Kindeswohlgefährdung vorlag, spielte für beide Gerichte keine Rolle.
„Richter müssen unparteilich sein, das ist ein fundamentales rechtsstaatliches Prinzip“, erklärte die Vorsitzende Richterin Eva Menges bei der Urteilsverkündung.
Und weiter: Die Strafkammer [des BGH] werte das Vorgehen des Angeklagten als Rechtsbeugung. Sie warf dem Angeklagten vor, die verfassungsrechtlich gebotene richterliche Unabhängigkeit aus sachfremden Motiven missachtet zu haben.
Gericht wirft Dettmar Amtsmissbrauch vor
Der Angeklagte habe in elementarer Weise Recht und Gesetz verletzt, indem er das familiengerichtliche Kindesschutzverfahren nicht nur trotz seiner Befangenheit, sondern gerade wegen seiner Befangenheit und Voreingenommenheit geführt habe.
Die Vorsitzende führte weiter aus: Aufgrund seiner persönlichen und politischen Überzeugung zur SARS-CoV-2 Pandemie sei er bereits im Februar 2021 fest entschlossen gewesen, im Rahmen seiner Tätigkeit als Familienrichter eine öffentlichkeitswirksame gerichtliche Entscheidung zu treffen.
Seine Voreingenommenheit habe er im Verfahren in mehrfacher Hinsicht bewusst verschleiert und das ihm anvertraute Richteramt gezielt eingesetzt und missbraucht, so das Gericht.
Unter Missachtung der verfassungsrechtlich gebotenen richterlichen Unabhängigkeit und Neutralität habe er aus persönlichen Gründen ein familiengerichtliches Kindesschutzverfahren gezielt interessengeleitet initiiert, durchgeführt und durch Erlass einer einstweiligen Anordnung, so entschieden, wie es von vornherein beabsichtigt gewesen sei.
Gericht: Voreingenommenheit sollte verschleiert werden
Auch die Vorinstanz, das Landgericht Erfurt, hatte festgestellt, dass Dettmar im Februar 2021 entschieden hatte, Coronamaßnahmen an Schulen auszusetzen – noch bevor ein entsprechendes Verfahren an seinem Gericht anhängig war.
Auch habe er daraufhin versucht, ein solches Verfahren in seinen Geschäftsbereich übertragen zu bekommen. So habe er gezielt nach Familien gesucht, deren Nachnamen mit den Buchstaben begannen, die in seinen Geschäftsbereich fielen und die ein solches Verfahren anstrengen könnten.
„Mit dieser Vorgehensweise beabsichtigte er, seine Voreingenommenheit zu verschleiern“, warf ihm jetzt der BGH vor.
Schon vor Eröffnung eines Kindeswohlverfahrens habe er über seine private E-Mail-Adresse eine Sachverständige kontaktiert, die durch Kritik an den Corona-Maßnahmen aufgefallen sei und die seine vorgefasste Rechtsauffassung geteilt habe. Auch später habe es solche E-Mails gegeben, erklärte das Gericht.
BGH: „Richteramt zielgerichtet benutzt und missbraucht“
„Die Kommunikation mit den Sachverständigen von seiner privaten E-Mail-Adresse hatte der Angeklagte nicht in den Akten dokumentiert, um die Kommunikation zum Inhalt der zu erstellenden Gutachten zu verbergen“, führt die BGH-Richterin in der Urteilsbegründung aus. Sein Richteramt habe er zielgerichtet benutzt und missbraucht, so das Gericht.
Er selbst gibt an, die Gutachter nach ihrer Qualifikation ausgewählt zu haben.
Das Landgericht Erfurt verurteilte ihn im August 2023 mit fast identischer Begründung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Dagegen zogen sowohl der Angeklagte selbst als auch die Staatsanwaltschaft vor den BGH. Dieser hat das Urteil überprüft, nun aber beide Revisionen verworfen. Das Landgericht habe keine Rechtsfehler gemacht, entschied der BGH schlussendlich.
Prozessbeobachter zeigt sich „enttäuscht“
Der Kölner Strafverteidiger und ehemalige Vorsitzende der „Anwälte für Aufklärung“, Dirk Sattelmaier, nahm als Prozessbeobachter an der Urteilsverkündung teil.
Gegenüber der Epoch Times kritisierte er, dass die materielle Rechtmäßigkeit offenbar weder bei der Entscheidung am Landgericht noch am BGH eine Rolle gespielt habe.
Am Landgericht Erfurt habe die Verteidigung dazu einen Beweisantrag gestellt, den das Gericht jedoch abgelehnt habe. Er sah vor, dass das Gericht durch ein Sachverständigengutachten feststellen sollte, ob tatsächlich eine Kindeswohlgefährdung vorlag.
„Und auch da hat der BGH heute gesagt, darauf kommt es nicht an, es kommt darauf an, dass er hier gegen seine Neutralitätspflicht in eklatanter, massiver Weise verstoßen hat“, so Sattelmaier.
Die Begründung habe ihn enttäuscht, denn er habe gehofft, dass es dem BGH mehr um die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung gehe. „Und dazu hat das Gericht leider gar nichts gesagt.“
Bundesverfassungsgericht oder Europäischer Gerichtshof?
Jetzt bleibt Dettmar nur noch der Weg zum Bundesverfassungsgericht oder zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
„Also die Erfahrungen der letzten Jahre [mit dem Bundesverfassungsgericht], insbesondere zu diesen Fragen, die sind ziemlich eindeutig. Ich glaube, da wird nicht viel passieren“, urteilt Sattelmaier. An dem Bundesverfassungsgericht könnten nur Grundrechtsverletzungen gerügt werden. „Und das gelingt in den seltensten Fällen.“
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