Verzicht auf digitale Medien? Grundschulverband warnt vor Folgen
Der Grundschulverband stellt sich entschieden gegen das kürzlich von der Gesellschaft für Bildung und Wissenschaft geforderte Moratorium hinsichtlich der Digitalisierung in Kindertagesstätten und Grundschulen.
Die Forderung, digitale Medien bis zur sechsten Klasse auszusetzen, verkennt laut Verband die entscheidende Rolle von Schulen und Kitas für die Förderung digitaler Kompetenzen in der heutigen und zukünftigen Bildungslandschaft.
Wie der Verband mitteilt, müssten in einer Welt, in der digitale Technologien nahezu alle Lebensbereiche durchdringen, „Kinder gezielt und strukturiert in diese Kultur der Digitalität einzuführen“.
Vor allem in deutschen Schulen gebe es Nachholbedarf, da Kindern die erforderlichen Kompetenzen in deutlich geringerem Maße vermittelt würden als in anderen Ländern.
Ausdrücklich warnt der Verband auch vor den negativen Folgen eines Verzichts auf digitale Medien in Grundschulen und Kitas.
Vom Vorstand heißt es: „Das Moratorium der GBW [Gesellschaft für Bildung und Wissenschaft] weist berechtigt auf Gefahren digitaler Medien für das Aufwachsen von Kindern hin. Ein Verzicht in Bildungseinrichtungen verhindert allerdings eine systematische Einführung und Bildung in diesem Bereich und überlässt die Verantwortung für die sichere Nutzung digitaler Medien allein den Familien.“
Die Schule muss aus Sicht des Grundschulverbands das Aufwachsen von Kindern in der digital geprägten Welt unterstützen, indem sie systematisch in die Reflexion, Analyse, Nutzung und Gestaltung digitaler Medien und Technologien einführt. Auch deshalb, weil die Nutzung digitaler Medien zu einer „wichtigen Kulturtechnik“ geworden sei und damit die traditionellen Kulturtechniken erweitere.
Vielfältige Erfahrung mit und ohne digitale Medien
Des Weiteren verweist der Grundschulverband auf die „enormen Chancen für das Aufwachsen und die Bildung von Kindern“ durch digitale Technologien. Richtig eingesetzt, würden diese neben kognitiven Lernzielen auch die Persönlichkeitsentwicklung, Kreativität, Solidaritätsfähigkeit und eine gesunde Lebensführung fördern.
„Schulen und Kitas müssen diese Bildungspotenziale nutzen, um Kinder angemessen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten“, so der Verband.
Dabei nimmt der Verband die Bedenken bezüglich der Risiken digitaler Medien durchaus ernst. Diese müssten in den Konzepten berücksichtigt werden.
Gleichzeitig betont der Grundschulverband die Bedeutung lebensweltlicher und ganzheitlicher Erfahrungen in Natur und Kultur, die im Zeitalter der Digitalisierung keinesfalls vernachlässigt werden dürften.
Kinder müssen gerade heute vielfältige Erfahrungen mit und ohne digitale Medien erwerben können“, heißt es vom Verband.
Kinder sollen auch durch solche Primärerfahrungen und den Einsatz analoger Medien ein vielfältiges Lernen erleben, das sie auf unterschiedliche Lebenssituationen vorbereitet. Dies sei ein wesentlicher Baustein für die Entwicklung von Kindern in Kitas und Grundschulen.
Abkehr von der „Entweder-oder“-Debatte
Ähnlich wie der Grundschulverband sieht es auch die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e. V. (GMK). Der Verein wollte das Moratorium der Wissenschaftler nicht unkommentiert stehen lassen. Die in Richtung „Entweder-oder“ gelenkte Debatte sei nicht zielführend. Vielmehr müsse diskutiert werden, wie man digitale Bildung einsetzt.
Der GMK sieht großen Handlungsbedarf an Schulen, damit der Einsatz von Medien medienpädagogisch und didaktisch begründeter geschieht. Auch das Alter der Schüler müsse hierbei eine Rolle spielen.
„Wir sind uns bewusst, dass Medien von Familien unterschiedlich genutzt werden und Kinder oft unbegleitet und unkontrolliert Sendungen und Spiele nutzen oder ihnen der Zugang zu förderlichen Medien nicht gegeben ist“, heißt es vom GMK. Als Ursachen werden sowohl unterschiedliche Bildung als auch finanzielle Ressourcen und Ausstattung angeführt.
Notwendig sei es auch, bei der Verwendung neuester Entwicklungen wie ChatGPT, die sich in großem Ausmaß generativer Intelligenz bedienen, ethische und datenschutzrelevante, aber auch Nachhaltigkeitsaspekte (sogenannte Sustainable Development Goals) mitzubedenken.
„Technik allein, das ist allerseits bekannt, schafft nicht automatisch die Möglichkeit, altersgerechte Bildungsinhalte, wie z. B. gute, digitale Kinderbücher oder Kreativ-Apps, passend zu nutzen“, so der Verein weiter.
Digitale Bildung von Anfang an
Für die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur gehören Bildung und Medien zusammen – und zwar von Anfang an. Deshalb müssten alle Eltern wissen und lernen, „was für ein gutes Aufwachsen in digitalen Welten zu beachten ist, was für Kinder förderlich, was schädlich ist, auf was sie achten müssen, wenn sie smarte Technik zu Hause einsetzen“.
In Kitas würden etwa digitale Mikroskope und Endoskopkameras eingesetzt, um junge Forscher anzuregen. Andere Beispiele seien kindgerechte Mikrofone, die vielfältig eingesetzt werden könnten, etwa um eigene Hörspiele zu produzieren. Auf diese Weise könne Sprachbildung in beeindruckender Weise gelingen.
Der Verein weist zudem darauf hin, dass die „Stiftung Lesen“ seit Jahren fordert, dass Kindern auch zu Hause regelmäßig vorgelesen wird. Das fördere die schulische, soziale und persönliche Entwicklung von Kindern. Doch lediglich 36 Prozent aller Eltern würden ihren Kindern Bücher oder Geschichten vorlesen oder mit ihrem Nachwuchs Bilderbücher anschauen, gibt der GMK zu bedenken.
Hintergrund des Moratoriums
Über 40 führende Wissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche hatten Mitte November zusammen mit Kinder- und Jugendärzten von den Kultusministern der Länder ein Moratorium der Digitalisierung an Schulen und vorschulischen Bildungseinrichtungen gefordert, wie Epoch Times berichtete.
Unter den Erstunterzeichnern sind führende Experten wie der Ordinarius für Schulpädagogik Prof. Klaus Zierer (Universität Augsburg), die Mediziner Prof. Manfred Spitzer (Universitätsklinik Ulm) und Prof. Thomas Fuchs (Jaspers-Lehrstuhl Universität Heidelberg) sowie der Medienpädagoge Prof. Ralf Lankau (Hochschule Offenburg).
Prof. Ralf Lankau, einer der Initiatoren des Aufrufs, betonte: „Die wissenschaftliche Erkenntnis ist inzwischen, dass Unterricht mit Tablets und Laptops die Kinder bis zur sechsten Klasse nicht schlauer, sondern dümmer macht. Hinzu kommen laut Studien negative gesundheitliche, psychische und soziale Wirkungen durch den vermehrten Einsatz digitaler Geräte im Unterricht.“
„Im Sinne der Fürsorgepflicht öffentlicher Bildungseinrichtungen fordern wir daher ein Moratorium der Digitalisierung insbesondere der frühen Bildung bis zum Ende der Unterstufe (Klasse 6)“, heißt es von den Wissenschaftlern.
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