„Verfassungsgericht tut nichts in der schlimmsten Krise der Bundesrepublik“ – Anwälte protestieren
Seit über einem Jahr brodelt es in der Anwaltschaft. Grund sind die verhängten Corona-Maßnahmen, die die Bevölkerung empfindlich einschränken. Ausgerechnet am historischen 17. Juni wollen die Anwälte für Aufklärung ein Zeichen setzen – und ziehen dafür mit ihrer Aktion vor das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe.
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„Die schlimmste Krise der Geschichte der Bundesrepublik nimmt das Verfassungsgericht zum Anlass, nichts zu tun und in völliger Ruhe in den nächsten Jahren seine Entscheidung zu treffen", erklärt Dr. Alexander Christ, Pressesprecher des Vereins Anwälte für Aufklärung.
Maskenpflicht, Abstände und Corona-Tests. Seit über einem Jahr begleiten uns die Maßnahmen der Corona-Politik. Am 17. Juni 2021 versammeln sich die Anwälte für Aufklärung (AfA) ab 15 Uhr vor dem Bundesverfassungsgericht Karlsruhe. Das Motto der Versammlung lautet „Für eine Wiederherstellung der Grundrechte, für eine Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“. Es wird zahlreiche Redebeiträge geben, heißt es vom Veranstalter. Mit dabei sind bekannte Sprecher aus Anwaltskreisen.
Dass die Aktion der Anwälte auf den 17. Juni fällt, ist kein Zufall. „Der 17. Juni ist einfach ein historischer Tag in der deutschen Geschichte“, erklärte Dr. Alexander Christ, Pressesprecher der Anwälte für Aufklärung, gegenüber Epoch Times. Dieser Tag verweise darauf, dass man Gräben überwinden und Brücken bauen sollte. Diese Erkenntnis habe man aus den Ereignissen rund um den 17. Juni 1953 ziehen können. Daher sei dies ein guter Tag, dass Rechtsanwälte vor dem Bundesverfassungsgericht als Organe der Rechtspflege den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts signalisieren: Wir wollen reden. Wir müssen reden.
Die Anwälte erhoffen sich durch ihre Aktion, dass ein Dialog zwischen den Anwälten für Aufklärung und den Verfassungsrichtern in Gang kommt.
„Wir fordern auch die Verfassungsrichter allesamt inklusive dem Präsidenten auf, sich diesem Anwaltsverein zu stellen und auch Rede und Antwort zu stehen“, so Christ weiter.
Die Richter sollen erklären, warum es aus Sicht des Verfassungsgerichtes auch nur ansatzweise gerechtfertigt sein könnte, Grundrechte einzuschränken. Inzwischen liegen den Verfassungsrichtern Hunderte Eilanträge vor. Es ist die Aufgabe der Richter abzuwägen, ob sofort eine Entscheidung getroffen werden muss. Bis zu einer Entscheidung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens hingegen können Jahre hingehen.
„Wir haben aber jetzt eine Krise in unserem Land“, betont der AfA-Pressesprecher. Das Verfassungsgericht müsse erläutern, warum es seine Rolle als Streit- und Krisenschlichter nicht wahrnimmt.
„Es muss ja irgendeinen Grund geben, warum die Richter bei vollem Lohnausgleich Zeit für ihre Entscheidungen haben, während den Menschen im Land die Rechte beschnitten werden. Die Leute warten dringend auf Antworten, aber das Verfassungsgericht hat sich entschieden, nichts zu tun“, kritisiert der Anwalt.
Aktuell gibt es vom Bundesverfassungsgericht laut Christ nur noch Entscheidungen, die ein zweiseitiges Papier umfassen. Die Richter würden sich gar nicht mit dem Inhalt der Anträge auseinandersetzen. Das sei ungewöhnlich. „Früher war das anders. Was hat sich denn geändert? Die schlimmste Krise der Geschichte der Bundesrepublik nimmt das Verfassungsgericht zum Anlass, nichts zu tun und in völliger Ruhe in den nächsten Jahren seine Entscheidung zu treffen.“
Es wäre begrüßenswert, wenn die Verfassungsrichter, vor allem der Präsident, am 17. Juni herauskommt und mit den Anwälten spricht, so Christ. Die Anwälte erwarten, dass der Präsident zu dieser Zeit bei der Arbeit ist und die Grundrechte verteidigt.
Die Anwälte für Aufklärung, ein unabhängiger und unparteiischer Verein von Rechtsanwälten, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Öffentlichkeit auf verfassungsrechtlich relevante Missstände hinzuweisen. Durch eine nicht immer ausgewogene Presseberichterstattung könne nach Aussage des Vereins schnell der Eindruck entstehen, dass ein konkretes politisches Handeln juristisch nicht zu beanstanden oder sogar notwendig sei – obgleich es erhebliche rechtliche Einwände gibt.
Rückblick auf einen historischen Tag
Der 17. Juni 1953 – ein historischer Tag für Deutschland. „Nicht einmal vier Jahre nach ihrer Gründung steht die DDR kurz vor ihrem Ende: Nur mithilfe sowjetischer Panzer gelingt es dem SED-Regime, einen Volksaufstand niederzuschlagen und damit Rufe nach freien Wahlen und der Wiedervereinigung Deutschlands zu ersticken“, heißt es dazu auf der Website der Bundesregierung. Ohne den 17. Juni lasse sich die deutsche Geschichte der vergangenen Jahrzehnte nicht erklären.
Damals waren die Lebensmittel knapp. Lange Menschenschlangen warteten vor den Geschäften und der Strom wurde nachts abgeschaltet. Eine der damaligen Parolen lautete „Wir wollen freie Menschen sein“. Als Zeichen dazu wurde von den Protestlern die rote Fahne vom Brandenburger Tor gerissen. Die Menschen hatten genug von der kommunistischen Ideologie. Mehr Arbeit bei gleichbleibendem Lohn war nur eine Folge der Ausbeutung der Bevölkerung, die das Fass zum Überlaufen brachte.
Bauarbeiter in der Ost-Berliner Stalinallee, von der Bundesregierung als ein „Prestigeprojekt der SED“ bezeichnet, traten in den Streik. Innerhalb von Stunden schlossen sich Menschen aus über 700 Orten an. Über eine Million Menschen gingen aus Protest auf die Straße.
Russische Panzer fuhren durch Berlin und weitere Städte, darunter auch Leipzig. 25.000 sowjetische Soldaten übernahmen Berlin. Das Regierungsviertel wurde abgeriegelt. In der Dokumentation „1953: Volksaufstand in der DDR – der 17. Juni“ sieht man, wie Menschen auf dem Potsdamer Platz mit Steinen auf einen Panzer werfen. Der Zeitzeuge Günter Sandrow, Bauarbeiter in der damaligen Stalinallee, sagte: „Wir hatten nun gedacht, jetzt haben wir es geschafft.“ Die Freiheit war zum Greifen nahe – aber dann gab es Schüsse. Sowjetische Truppen griffen ein.
Der frühere KGB-Offizier Sergej Kondraschow erinnerte sich: „Mehrmals warnten wir die Staatsführung der DDR unter Ulbricht. Wir wiesen sie darauf hin, dass die Unzufriedenheit zunimmt und dass daraus Probleme entstehen könnten.“ Aus Sicht der damaligen Sowjetunion hätte man einen Krieg riskiert, wenn man den Aufstand nicht niedergeschlagen hätte. Daher verhängte Moskau am 17. Juni ab 13 Uhr den Ausnahmezustand in seiner Besatzungszone. Jegliche Menschenansammlungen von mehr als drei Personen wurden auf Straßen, Plätzen und in öffentlichen Gebäuden verboten.
„Wenn die sowjetischen Truppen nicht eingegriffen hätten, wäre am 17./18. Juni das passiert, was dann am 9./10./11. November 1989 passiert ist, als die Demonstranten praktisch in der DDR das Heft in die Hand nahmen und die SED nichts mehr zu sagen hatte“, erklärte Fritz Schenk, damaliger Mitarbeiter der DDR-Plankommission in der Dokumentation. Ohne den Schutz der Sowjettruppen hätte die SED 1953 damals nach seinen Angaben nicht überlebt.
Auf der Seite der Bundesregierung heißt es weiter: Ohne den 17. Juni lässt sich die deutsche Geschichte ebenso wenig erklären wie beispielsweise der Bau der Mauer, „die systematische Verfolgung Andersdenkender“, die Proteste gegen das Regime oder die Friedliche Revolution. „Schon deshalb muss der 17. Juni ein Gedenktag bleiben. Aber auch, weil er das Bewusstsein dafür schärft, was Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie bedeuten.“
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