U-Vorsorgeuntersuchung vergessen? – Es droht Jugendamt und Gelder-Kürzung

Anfragen an die Gesundheitsministerien der Länder ergeben ein uneinheitliches Bild, was Sanktionen bei Nichterscheinen zu Vorsorgeuntersuchungen für Kindern angeht. Mütter erhalten Mahnschreiben. Alles nur leere Drohungen?
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Foto: SeventyFour/iStock
Von 19. September 2024

Eine Mutter zeigt Epoch Times ein „Erinnerungsschreiben“ des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie. Im Brief wird sie ermahnt, an die U7 Vorsorgeuntersuchung ihres Zweijährigen zu denken.

Die Mutter wurde aufgefordert, mit dem Kinderarzt einen Termin zur U-Untersuchung zu vereinbaren. Informiert wurde sie zudem darüber, dass der Arzt den Termin auf einer dem Schreiben beiliegenden Antwortkarte bestätigen müsse, denn nur so könne gesichert werden, „dass alle Kinder in Niedersachsen die für ihre Gesundheit so wichtigen Untersuchungen erhalten.“

Kinderärzte sind rar gesät

Heutzutage ist es nicht einfach, einen Termin beim Kinderarzt zu bekommen oder er ist mit endlosen Wartezeiten verbunden. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages mahnte hier schon 2022 einen drohenden Notstand an.

Die U7 überprüft neben der Sprachentwicklung von Zweijährigen auch das Sozialverhalten hinsichtlich des Kontaktes zwischen Mutter und Kind. Auch der Impfstatus ist ein Thema entlang der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Ebenso seien eine Ernährungsberatung und Unfallverhütungstipps Teil der Untersuchung.

Die Mutter des Zweijährigen irritierte insbesondere eine Schlussbemerkung in besagtem Schreiben, die sie als Drohung empfand. Dort heißt es nämlich (Original liegt Epoch Times vor):

„Sollte uns Ihre Antwortkarte auch nach der oben genannten Frist nicht erreichen, sind wir gesetzlich verpflichtet, das zuständige Jugendamt zu informieren. Wir möchten, dass alle Kinder gesund aufwachsen.“

Das Schreiben endet mit einer „Rechtsgrundlage“. Verwiesen wird hier auf ein niedersächsisches Gesetz über das Einladungs- und Meldewesen für Früherkennungsuntersuchungen von Kindern aus dem Jahr 2009.

Vorab ein allgemeiner Blick in dieses Gesetz: Dort heißt es, die zuständige Behörde erinnere den gesetzlichen Vertreter der Kinder „innerhalb einer angemessenen Frist“ schriftlich an eine Rückmeldung, wenn diese nicht vorliege. Und wenn die Frist verstrichen sei, übermittle sie den Fall dem Jugendamt beziehungsweise dem örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe.

Zusammenhang mit Zahl der Kinder geflüchteter Menschen

Die Kinder- und Jugendhilfe in Niedersachsen stellt online Bezüge zur Massenmigration her, wenn es da heißt:

„Gerade im Zusammenhang mit der zunehmenden Anzahl an geflüchteten Menschen in Deutschland haben immer mehr Menschen Berührung mit der Kinder- und Jugendhilfe, die bislang wenig oder gar nichts damit zu tun hatten.“

Für Epoch Times ergeben sich eine Reihe von Fragen wie zum Beispiel: Hat das Mahnschreiben an die Mutter auch damit zu tun, dass in Deutschland ansässige Ausländer mit ihren Kindern den Untersuchungen öfter fernbleiben?

Gibt es diese Mahnschreiben und Meldungen auch in anderen Bundesländern?

Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt antwortet daraufhin, in Sachsen beständen keine entsprechenden Regelungen.

Eine umfangreiche Beantwortung kommt aus Baden-Württemberg. Das dortige Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration bestätigt, dass es ebenso wie in Niedersachsen seit 2009 „ein Gesetz zum präventiven Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ gebe. Auch lege man Wert darauf, versäumte Früherkennungsuntersuchungen anzumahnen, diese seien nachzuholen „und die Kinder hierzu dem zuständigen Gesundheitsamt vorzustellen“.

Ein Bundesland verzichtet bewusst auf Tracking und Sanktionen

In Baden-Württemberg sehe das Gesetz allerdings kein „Einladungs- oder Mahnsystem“ vor. Die ausführliche Begründung des Ministeriums gegenüber Epoch Times lautet wie folgt:

„Ein Einladungs- oder Mahnsystem sieht das Gesetz nicht vor. Auch wurde ausweislich der Gesetzesbegründung bewusst auf ein Tracking und Sanktionen für eine Nichtteilnahme wie z. B. die Versagung von Geldleistungen oder eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit verzichtet, da die erhebliche Gefahr besteht, dass für die betroffenen Kinder der Zugang zu nötigen Hilfen weiter erschwert und soziale oder emotionale Problemlagen noch verschärft werden.“

Auf Nachfrage, wie das denn konkret aussehe, wenn die Kinder dem Gesundheitsamt „vorzustellen sind“ und inwieweit hier Zwangsmaßnahmen zum Tragen kommen, antwortet das Ministerium:

„Die Personensorgeberechtigten sind zur Nachholung der Untersuchung verpflichtet (§ 2 Absatz 1), hierzu können sie ihr Kind dem für sie zuständigen Gesundheitsamt vorstellen. Sanktionen bzw. Zwangsmaßnahmen sieht das Gesetz nicht vor.“

Demnach handelt es sich hier ausschließlich um eine Art moralischen Druck und nicht um einen vollstreckungsrechtlichen Zwang eingebettet in eine Kann- beziehungsweise Soll-Vorschrift?

Keine U-Untersuchung – kein Landeserziehungsgeld

Folgenlos ist die Nichtteilnahme an den U-Untersuchungen trotzdem nicht überall. So berichtete das bayerische Familienministerium bereits 2008 davon, dass es auf einer Gesundheitsministerkonferenz Empfehlungen für eine landesgesetzliche Regelung eines Teilnahmekontrollsystems der Kinder und Jugenduntersuchungen gegeben habe.

Konkret heißt es da, dass in Bayern das Fernbleiben durchaus mit Konsequenzen verbunden sei. So sei etwa der Antrag auf Landeserziehungsgeld mit dem Nachweis der Früherkennungsuntersuchungen verbunden. Fehle der Nachweis, werden Zahlungen nicht gewährt. In Thüringen sei das Erziehungsgeld ebenfalls mit diesem Nachweis verbunden, weiß Bayern ebenfalls zu berichten.

In Bayern sei es zudem so, dass der Nachweis der Früherkennungsuntersuchungen grundsätzlich für jene notwendig sei, die einen Kita- oder Kindergartenplatz beanspruchen beziehungsweise dessen Kind einen solchen Platz schon beansprucht, aber anstehende Untersuchungen nicht nachweisen kann. Hier sei das Personal angehalten, diese Versäumnisse ebenfalls dem Jugendamt zu melden. Bayern betont aber explizit, dass der Verbleib im Kindergarten bei Nichtvorlage nicht angetastet werden dürfe.

Liegen in Bayern bei der Einschulung die Nachweise der Früherkennungsuntersuchungen nicht vor, haben die Kinder an einer schulärztlichen Untersuchung teilzunehmen, heißt es weiter.

Auch Nachfragen beim Arzt ist erlaubt

Das ebenfalls angefragte Hessische Familien- und Gesundheitsministerium antwortet, dass die Erziehungsberechtigten in Hessen ebenfalls aufgefordert werden, „die Teilnahme innerhalb einer angemessenen Frist sicherzustellen.“ Werde dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, „informiert das Hessische Kindervorsorgezentrum unverzüglich das zuständige Jugendamt“.

Das Hessische Kindervorsorgezentrum sei zudem berechtigt, schreibt das Ministerium weiter, sich „zur Vermeidung von Fehlmeldungen“ beim behandelnden Arzt des Kindes zu informieren, ob die entsprechende Früherkennungsuntersuchung zwischenzeitlich durchgeführt wurde. Der bisher behandelnde Arzt sei verpflichtet, dem Hessischen Kindervorsorgezentrum dies unverzüglich mitzuteilen.

Das Bundesfamilienministerium verweist gegenüber Epoch Times darauf, dass dem Bund keine Gesetzgebungskompetenz zur Einführung verpflichtender Frühuntersuchungen zustehe. Das Ministerium berichtet aber, dass es laut Statistik 2023 eine hohe Zahl an Überprüfungen von Kindeswohlgefährdungen gegeben habe.

Darin enthalten seien unter anderem auch Verfahren, die aufgrund einer verpassten U-Untersuchung initiiert wurden, allerdings, so das Ministerium, werden diese Information nicht gesondert erhoben: „Es lässt sich also nicht beziffern, wie viele Verfahren aufgrund von verpassten U-Untersuchungen durchgeführt wurden.“

Über 150.000 jährliche Meldungen beim Jugendamt

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen antwortet ebenfalls umfangreich und auch im Namen des Familienministeriums.

So werde in NRW jede Teilnahme an der Früherkennungsuntersuchung U5 bis U9 zentral erfasst. Dazu seien die Ärztinnen und Ärzte nach dem Heilberufsgesetz verpflichtet. Untersuchungsergebnisse werden nicht mitgeteilt, dafür Name, Geburtsdatum und -ort, Geschlecht und Anschrift des Kindes sowie Datum und Bezeichnung der Untersuchung.

„Die Zentrale Stelle vergleicht die Daten des Einwohnermeldeamtes mit den Meldungen der Ärztinnen oder Ärzte. So werden die Kinder ermittelt, für die noch keine Teilnahmebestätigungen vorliegen“, so das Ministerium gegenüber Epoch Times. Die Eltern der nicht untersuchten Kinder werden zehn Tage nach Ende eines Toleranzzeitraums angeschrieben. Wird die Teilnahme auch sechs Wochen später noch nicht bestätigt, erfolge die Meldung an das Jugendamt.

Auf die Frage, wie oft gemeldet wird, sendet das Ministerium eine Tabelle mit Zahlen von 2013 bis Mitte September 2024. Auffällig ist hier ein Anstieg ab 2016 um knapp 15.000 Meldungen an die Jugendämter auf über 110.000.

In den Folgejahren kommt es mehrfach zu Steigerungsraten um 10 Prozent. Im Jahr 2022 sind es 150.000 und 2023 über 145.000 Meldungen. Für 2024 sind bis Mitte September bereits so viele Meldungen zusammengekommen wie in den Jahren vor 2016.

Nationalität der Kinder wird statistisch nicht erfasst

Sanktionen bei Nichtteilnahme an den Untersuchungen werden laut Statistik der Kinder- und Jugendhilfe nicht erfasst, teilt das Ministerium mit. Auch die Nationalität der Kinder werde nicht statistisch erfasst. Allgemein könne aber zu Sanktionen gesagt werden, so das Ministerium, dass diese wenn, dann immer mit „gewichtigen Anhaltspunkten auf eine Kindeswohlgefährdung“ zusammenhängen.

Über juristische Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Sanktionen liegen dem Ministerium keine Informationen vor.

Mit Blick auf die Mutter aus Niedersachsen schickte Epoch Times auch dem Niedersächsischen Gesundheitsministerium einen Fragenkatalog, der aber bis zur Veröffentlichung auch nach knapp einer Woche sowie einer Reihe schriftlicher und telefonischer Nachfragen unbeantwortet blieb. Sollte es noch zu einer Beantwortung kommen, wird diese hier nachgereicht.



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