TU Berlin: Präsidentin Rauch soll binnen 24 Stunden über Rücktritt entscheiden
Der Akademische Senat der Technischen Universität (TU) Berlin hat sich am Mittwoch, 5.6., nicht auf eine Abwahl von Präsidentin Geraldine Rauch einigen können. Unter anderem der Zentralrat der Juden in Deutschland und der Antisemitismusbeauftragte des Bundes, Felix Klein, hatte eine solche gefordert. Die akademische Funktionärin hatte sich durch ihr Verhalten in sozialen Netzwerken dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt.
Keine Abstimmung auf der Sitzung – aber „Stimmungsbild“ erhoben
Wie die „Jüdische Allgemeine“ schreibt, hat es der Akademische Senat der TU Rauch selbst überlassen, bis Donnerstagabend eine Entscheidung über ihren Verbleib zu fällen. Das Gremium habe demnach nicht abgestimmt, äußerte dessen Leiterin Annette Hiller im Anschluss an eine vierstündige Sitzung.
Unter den 25 Mitgliedern, zu denen Hochschullehrer, Mitarbeiter, Studierende und Vertreter aus Verwaltung und technischen Dienst gehören, habe man ein Stimmungsbild erhoben. Dieses solle nun auch im Laufe des Donnerstags mitgeteilt werden. Rauch selbst solle sich binnen 24 Stunden äußern.
Zwischen den Zeilen spricht deshalb vieles dafür, dass Rauch auf diese Weise ein eigener freiwilliger Rücktritt als gesichtswahrende Option eingeräumt werden soll. Entscheidet sie sich für einen Verbleib, wäre ein formelles Abwahlverfahren erforderlich.
Rauch gab Likes an mehrere gegen Israel gerichtete Beiträge
Dieses ist an hohe Hürden gebunden. Das Kuratorium der TU müsste speziell zur Personalie Rauch eine Sitzung einberufen, die frühestens am kommenden Montag stattfinden könnte. Würde das Kuratorium sich mit Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Abwahl aussprechen, müsste auch der Akademische Senat abstimmen. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit wäre auch hier erforderlich.
Es waren keine expliziten eigenen Äußerungen, sondern Likes für Beiträge im sozialen Netzwerk X, die Rauch in die Kritik gebracht hatten. Diese bezogen sich unter anderem auf einen Beitrag, in dem Bilder einer Kundgebung abgebildet waren. Eines davon zeigte ein Transparent, auf dem Israels Premierminister Benjamin Netanjahu mit Hakenkreuzen abgebildet ist.
Ein anderer Like bezieht sich auf einen X-Beitrag, in dem in Bezug auf die Militäroperation „Jerusalems“ gegen die terroristische Hamas von einem „Völkermord in Gaza“ die Rede war. In der Sitzung am Mittwoch erklärte Rauch:
„Ich habe unsere Universität in der vergangenen Woche in eine schlimme Situation gebracht. Dafür will ich mich entschuldigen und meine tiefe Reue ausdrücken.“
Wann ist Israelkritik wahrscheinlich Ausdruck von Antisemitismus?
Nach der Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) gilt Kritik an Israel dann als Ausdruck von Antisemitismus, wenn sie den sogenannten 3D-Test besteht. Dieser umschreibt drei Kennzeichen als tatsächliche Anhaltspunkte für eine antisemitisch motivierte Israelkritik.
Eines davon ist die Delegitimierung, die dann anzunehmen ist, wenn Äußerungen eine Ablehnung des Existenzrechts des jüdischen Staates implizieren. Eine weitere ist die Anwendung doppelter Standards. Diese äußert sich darin, dass ein Handeln, das anderen Staaten als legitim beispielsweise im Kampf gegen Terrorismus zugebilligt wird, Israel nicht zugestanden werden soll.
Im Fall Rauchs würde nach Überzeugung ihrer Kritiker das dritte „D“ greifen, nämlich das der Dämonisierung. Diese bezeichnet die Darstellung einer anderen Person, Gruppe oder Einheit als wesensmäßig böse – mit dem Zweck der Dehumanisierung. Ein offenkundig willkürlich konstruierter Vergleich mit dem Nationalsozialismus oder ein nicht begründbarer Vorwurf des „Völkermordes“ impliziert eine solche.
Rauch kündigte Maßnahmen gegen Antisemitismus an der TU an
Die Präsidentin erklärte im Vorfeld der Sitzung, ihr sei klar, dass sie mit ihrem Verhalten „viele verletzt“ habe. Sie räumte – was sie aus Sicht ihrer Kritiker zuvor unterlassen hatte – auch ein, dass die Hamas mit ihrem Massaker vom 7. Oktober 2023 „unermessliches Leid“ ausgelöst habe. Die Terroristen hatten an jenem Tag israelische Ortschaften in Grenznähe zu Gaza überfallen.
Dabei töteten sie mindestens 1.200 Menschen und verschleppten etwa 300 als Geiseln. Eine große Zahl der Verschleppten hat die Hamas ebenfalls ermordet. Rauch erklärte, sie wünsche sich Frieden. Weiter erklärte sie, sie habe sich gefragt, warum sie „nicht gründlicher hingesehen“ und ihren „inneren Schmerz darüber nicht im Privaten gelassen“ habe. Ob sie mit „darüber“ nur die Militäroperation oder auch das Hamas-Massaker gemeint habe, präzisierte sie nicht.
Etwa 100 Studenten hatten sich vor Beginn der Sitzung zu einer Kundgebung unter dem Motto „Geraldine bleibt“ versammelt. Gerade an Universitäten war es in den vergangenen Wochen zu zahlreichen Vorfällen im Zusammenhang mit antiisraelischen Protestaktionen gekommen.
Rauch hat gegen sich selbst ein Disziplinarverfahren beantragt. Außerdem wolle sie mit fünf konkreten Schritten „Vertrauen wiederherstellen“ und die Arbeit gegen Antisemitismus stärken. Die Geschehnisse wolle sie „gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden und der Jüdischen Studierendenunion aufarbeiten“. Auch solle es künftig Sprechstunden für jüdische Studierende geben. Ob es dazu noch kommen wird, entscheidet sich in wenigen Stunden.
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