Theologe, Pazifist und unbequemer Geist: Friedrich Schorlemmer wird 80 Jahre alt

Nachts lies er Schwerter zu Pflugscharen umschmieden: Friedrich Schorlemmer ist einer der prominenten Köpfe der deutschen Friedensbewegung. 2009 hat er sich Attac angeschlossen.
Titelbild
Eussenhausen/Mellrichstadt, Deutschland am 12. November 1989: Die Grenze der DDR zur BRD kurz nach der Öffnung.Foto: iStock
Epoch Times12. Mai 2024

Theologe, Pazifist, Dissident: Friedrich Schorlemmer ist Zeit seines Lebens ein unbequemer Geist. Als prominenter Vertreter der DDR-Opposition engagiert er sich in der Friedensbewegung, auch nach der Wende bleibt er politisch aktiv und ein kritischer Beobachter. Am Donnerstag wird der Kirchenmann, der einst ein Schwert zu einer Pflugschar schmieden ließ, 80 Jahre alt.

Abitur verweigert, Studentenpfarrer und Widerstand

Zuletzt wurde es still um den erkrankten Schorlemmer, der sein Leben lang gegen den Strom schwamm. Geboren am 16. Mai 1944 als Sohn eines Pfarrers in Wittenberge im heutigen Brandenburg, wächst Schorlemmer in der Altmark auf und engagiert sich früh in der Kirche. Das Abitur wird dem Pfarrerssohn verweigert, er holt es später an der Volkshochschule nach.

1962 verweigert er als Pazifist den Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee und beginnt in Halle ein Studium der evangelischen Theologie. Er wird Studieninspektor in den Franckeschen Stiftungen und nach dem Examen Vikar.

1970 erhält er die Ordination zum Pfarrer und tritt eine Stelle als Studentenpfarrer in Merseburg an, bevor er 1978 als Prediger an die Schlosskirche der Lutherstadt Wittenberg wechselt. Noch heute lebt er dort, 2015 verlieh ihm die sachsen-anhaltische Stadt die Ehrenbürgerwürde.

Kirche in der DDR – das ist auch Widerstand, aus dem sich die Friedliche Revolution formt, die schließlich zum Fall der Mauer führt. Schorlemmer predigt regelmäßig gegen das von der SED beanspruchte Wahrheitsmonopol. 1980 scharrt er eine oppositionelle Kirchengruppe um sich, die über Jahre hinweg im Visier der Stasi ist.

Eine nächtliche Schmiedeaktion

Die Gruppe wendet sich gegen die Stationierung von sowjetischen SS-20-Raketen in der DDR. Im Lutherjahr 1983 lässt Schorlemmer in Wittenberg nachts vor tausend Menschen durch den Kunstschmied Stefan Nau ein Schwert zur Pflugschar umschmieden. Das Westfernsehen ist damals dabei und verschafft der Aktion auch überregionale Aufmerksamkeit.

Ende der 80er Jahre legt die Friedensgruppe dem Evangelischen Kirchentag die regimekritischen „20 Wittenberger Thesen“ zur umfassenden Demokratisierung und Reformierung der DDR vor.

Zwei Monate vor dem Mauerfall gehört Schorlemmer zu den Mitgründern der Bürgerbewegung Demokratischer Aufbruch (DA) und ruft bei der Massenkundgebung vom 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz zur Gewaltfreiheit auf.

Mit der Hinwendung des DA zur CDU kehrt Schorlemmer der Bürgerbewegung den Rücken und schließt sich der SPD an, für die er vier Jahre lang als Fraktionsvorsitzender im Wittenberger Stadtparlament sitzt.

Der Kirche bleibt Schorlemmer verbunden, etwa an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. Er veröffentlicht zahlreiche Schriften, wird Mitherausgeber der Wochenzeitung „Der Freitag“ und setzt sich mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte auseinander. 1999 schlägt er eine Amnestie für verurteilte DDR-Funktionäre vor, was vielfach für Kritik sorgt.

Friedenspolitik und Engagement

Die Friedenspolitik bleibt eines seiner zentralen Themen. Mit Empörung reagiert Schorlemmer 1999 auf die Nato-Luftangriffe in Serbien sowie später auf die von den USA geführten Militäreinsätze in Afghanistan und im Irak. 2009 schließt er sich der globalisierungskritischen Vereinigung Attac an.

Für sein Engagement und seine Unbeugsamkeit wird Schorlemmer mit zahlreichen Preisen geehrt, unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zuletzt erhielt er im April gemeinsam mit Harald Brettschneider stellvertretend für die Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ den Gothaer Kultur- und Friedenspreis.

Die Losung habe über Jahre die Friedensbewegung in West und Ost verbunden, hieß es. Schorlemmer konnte den Preis nicht selbst entgegen nehmen, das übernahm seine Familie. (afp/red)



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