Stilvoll kommunizieren: Mode baut soziale Brücken
Ein Spaziergang an einem gewöhnlichen Dienstag durch die Stadt Victoria, Kanada, könnte zu einer Begegnung der besonderen Art führen: Mit strahlendem Lächeln und in modischer Kleidung der 1950er-Jahre zieht die 55-jährige Mollie Kaye die Blicke auf sich.
Doch ihre auffällige Garderobe ist mehr als nur ein modisches Statement. Die Trägerin führt damit mehr im Sinn. Sie möchte die soziale Interaktion fördern – durch die Kraft der Mode.
Mollie Kaye ist die Initiatorin des Projekts „Turned-out Tuesdays“. Jeden Dienstag schlüpft sie in ihre liebevoll ausgewählten Midcentury-Vintagekleider, komplettiert mit Handschuhen und dekorativen Hüten, um mit Fremden ins Gespräch zu kommen und deren Alltag zu erheitern.
„Das Sich-Herausputzen am Dienstag ist mein Beitrag zur Gemeinschaft“, erklärte sie der Epoch Times. „Meine Kleidung kann für jedermann ein Geschenk sein.“
Kaye, geboren in Columbus, Ohio, entdeckte bereits als Teenager ihre Leidenschaft für auffällige Kleidung. Ihre „wilde, eklektische“ Stilwahl prägte ihre Jugendjahre und setzte sich während ihres Studiums an der Rhode Island School of Design fort, wo sie einen Bachelor of Fine Arts erwarb.
„Wenn ich mich freudvoll kleidete, fühlte ich mich stärker mit meiner Gemeinschaft verbunden“, erinnert sie sich.
Doch im Erwachsenenalter passte sich Kaye dem Mainstream an, strebte danach, in der Masse nicht aufzufallen. „In diesen Jahren kämpfte ich mit Depressionen und Angstzuständen“, gibt sie zu. „Ich sehe heute, dass meine Kleidung Einfluss darauf hatte, ob ich mich einsam oder verbunden fühlte.“
Ein Wendepunkt in ihrem Leben kam, als sie in ihren Vierzigern einer A-cappella-Gruppe namens The Millies beitrat, die Musik aus den 1950er-Jahren performte. Die Gruppe trat in typischer Kleidung dieser Ära auf: enge Taillen, weite Röcke und weiße Handschuhe – einem Look, der beim Publikum auf große Resonanz stieß.
Nach Auftritten wurde Kaye im Supermarkt häufig von Menschen angesprochen, die ihr Outfit bewunderten und nostalgische Erinnerungen teilten.
„Leute sagten mir: ‚Oh, du siehst genauso aus wie meine Mutter damals‘ oder ‚Ich erinnere mich daran, solche weißen Handschuhe getragen zu haben‘“, erzählt sie. Diese Reaktionen führten zu einer Idee: Warum nicht diese Kleidung bewusst und regelmäßig tragen, um Freude zu verbreiten?
Nachdem sie lange Zeit mit ihren eigenen Unsicherheiten gerungen hatte, entschied Kaye vor fünf Jahren, dass es an der Zeit war, den Sprung zu wagen. So entstand „Turned-out Tuesdays“.
Anfangs fühlte sie sich unsicher und fragte sich, ob die Leute ihre Aufmachung seltsam finden würden. Doch ihre Zweifel verflogen schnell. „Meine ‚Dienstage‘ gibt es nun seit fünf Jahren und es ist noch nie jemand wütend auf mich zugekommen“, berichtet sie.
Reflexion über die Mode der 1950er-Jahre: Plädoyer für Eleganz und Gemeinschaft
Die Mode der 1950er-Jahre wird heute oft mit Begriffen wie „Unterdrückung“ assoziiert. Doch für die Modestylistin Kaye, die sich intensiv mit den Kleidungsstilen dieser Ära auseinandersetzt, ist es gerade die moderne Kleidung, die das Konzept der „Unterdrückung“ verkörpert.
„Wenn ich mit Menschen spreche, die heute in ihren Neunzigern sind und die 1950er-Jahre als Erwachsene erlebt haben, höre ich oft, wie sehr sie diese Zeit vermissen“, berichtet sie. „Sie sehnen sich nach einer Ära zurück, in der das Verlassen des Hauses noch ein Anlass war, für den man sich bewusst und mit Bedacht kleidete.“
Für viele Menschen war es damals undenkbar, das Haus in derselben Kleidung zu verlassen, die man für Hausarbeiten wie das Bodenreinigen oder das Aufräumen der Garage trug. Das Sich-Herausputzen galt als Ausdruck von Respekt – sowohl gegenüber sich selbst als auch gegenüber der Gemeinschaft.
„Wenn ich mich heute wie eine Frau mittleren Alters aus den 1950er-Jahren kleide, tue ich dies nicht, um das Aussehen einer Jugendlichen jener Zeit nachzuahmen“, erklärt Kaye. „Ich kleide mich bewusst wie eine erwachsene Frau dieser Epoche, was meiner Rolle innerhalb der Gemeinschaft entspricht.“
Dienstags ist für Kaye ein besonderer Tag. Sie stellt fest, dass sie an diesen Tagen mehr Komplimente verteilt, großzügiger ist und eine aufrechtere Haltung einnimmt. Sie bemerkt, dass sie sich automatisch anders verhält, wenn sie elegant gekleidet ist. „Kleidung hilft mir dabei, bestimmte Aspekte meines Charakters zu verstärken“, sagt sie.
Ein typischer Dienstag umfasst für Kaye den Besuch eines Antiquitätengeschäfts, einen Termin beim Zahnarzt und das Einkaufen von Lebensmitteln. Dabei vermeidet sie bewusst die Routine. „Manchmal verfalle ich in eine Gewohnheit, gehe immer in dasselbe Geschäft einkaufen, und die Leute dort sind es gewohnt, mich zu sehen. Sie wissen bereits von mir und meinem Projekt“, erklärt sie. „Deshalb versuche ich, mich selbst zu disziplinieren und bewusst andere Orte aufzusuchen, um neue Menschen kennenzulernen.“
Ihre Kleidung bezieht Kaye aus Kommissionsläden und Vintage-Boutiquen. Besonders ihre umfangreiche Hutsammlung, die inzwischen über einhundert Stück umfasst, ist hervorzuheben. Darunter befinden sich restaurierte Secondhand-Funde sowie Hüte, die ihr im Laufe der Jahre geschenkt wurden.
Viele ihrer Hüte erinnern an aufwendig dekorierte Paradewagen, reich verziert mit Blumen. „Wenn ich einen dieser Hüte aufsetze, verändert sich meine Haltung“, bemerkt sie. „Ein solcher Hut erfordert, dass man den Kopf hochhält. Man muss ihn mit Würde und Intention tragen.“ Hüte seien, so Kaye, „essenziell“ für ihr Projekt.
Diese besondere Art der Selbstpräsentation hat oft ungeahnte soziale Auswirkungen. „Sozial und neurophysiologisch ist es nahezu unmöglich, einen Hut zu übersehen.
Wenn jemand den Hut wahrnimmt, schaut er automatisch auch in mein Gesicht. Das führt zu Augenkontakt und oft zu einem Lächeln“, erklärt sie. Diese Interaktionen führen häufig zu Gesprächen – oder, wie Kaye sie nennt, „Hutgesprächen“.
Mit ihrem Projekt hat sie schon vielen Menschen, die sich in Trauer befanden oder schwierige Zeiten durchlebten, ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. „Es ist bemerkenswert, wie das Tragen dieses Outfits dazu führt, dass wir uns als Fremde miteinander verbinden und in diesem Moment gegenseitig unterstützen können“, sagt sie.
Der soziale Aspekt ist ein zentraler Bestandteil von Kayes Modephilosophie. „Das Wohlbefinden von Geist und Körper hängt maßgeblich von sozialer Interaktion ab“, betont sie.
Um den sozialen Aspekt von „Turned-out Tuesdays“ zu verstärken, veranstaltet Kaye zu besonderen Anlässen sogenannte Schmücktage. Dabei fertigt sie kleine Ansteckblumen an und verteilt sie in der Stadt an Passanten. „Ich frage: ‚Darf ich Sie schmücken? Würden Sie sich darüber freuen?‘“, erzählt sie. „Manchmal treffe ich Monate später jemanden wieder, der mir stolz die Ansteckblume zeigt – ein wunderbarer Gesprächseinstieg.“
Neben der Verbreitung von Freude und Optimismus spricht Kaye auch bei TedX über ihre Philosophie und hat damit in kürzester Zeit Hunderttausende erreicht. Viele Menschen haben ihr mitgeteilt, dass sie von ihrer Lebensphilosophie inspiriert wurden und versuchen, einige ihrer Ansichten in ihren eigenen Stil zu integrieren.
Für diejenigen, die ihrer Philosophie folgen möchten, empfiehlt Kaye, mit einem Schal zu beginnen. Ein Schal sei eine einfache Möglichkeit, einer Garderobe eine Vintagenote zu verleihen, und könne zudem ein hervorragender Gesprächseinstieg sein.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Woman Swaps Modern Clothing for Vintage Wear Every Tuesday, Shares How She Uses the Power of Fashion to Beat Isolation“. (deutsche Bearbeitung kr)
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