Sprachverwirrung: Was ist Eigentum?
„Ein Wort, zwei Welten“ beleuchtet in jeder Ausgabe, in nicht-alphabetischer und nicht priorisierender Reihenfolge, ein einzelnes Wort, das in hitzigen Diskussionen verwendet wird, meist ohne die jeweilige Wortbedeutung zu hinterfragen. Im heutigen Teil der Artikelserie geht es um das Wort Eigentum.
Debatten über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden verbittert geführt, eine gewisse Sprachverwirrung hat daran einen großen Anteil. Je größer diese Sprachverwirrung wird, umso kleiner wird die Chance auf eine Verständigung. Nutzen zwei Gesprächspartner dasselbe Wort, verstehen darunter aber etwas anderes, kann eine Diskussion sich ewig im Kreis drehen oder zügig eskalieren, ohne dass damit etwas gewonnen wäre.
Ein unterschiedlicher Blick auf den Menschen bildet den Hintergrund der unterschiedlichen Weltanschauungen und findet sich auch in den unterschiedlichen Wortinterpretationen wieder – wie auch das heutige Beispiel zeigen wird. Zwei Hauptrichtungen sind zu erkennen: die „idealistische Welt“ und die „praxeologische Welt“. (1)
In beiden Welten hat Eigentum eine wichtige Bedeutung, wie auch der Zankapfel Enteignungen zeigt. Aber damit sind die Gemeinsamkeiten auch schon erschöpft, die Unterschiede überwiegen.
Eigentum in der ideologischen Welt
Aus ideologischer Perspektive ist Eigentum entbehrlich und sogar schädlich, wobei das Eigentum an den Produktionsmitteln im Vordergrund steht, weil damit die Möglichkeit verbunden ist, Profit zu erwirtschaften – was in dieser Perspektive mit Ausbeutung einhergeht.
Ganz allgemein entzieht privates Eigentum den jeweiligen Machthabern Möglichkeiten, den verfolgten Ideen entsprechend zu intervenieren. Wenn es beispielsweise keine Wohnungen mehr in Privateigentum gäbe, beziehungsweise wenn Wohnraum dem Staat gehören würde, wäre es theoretisch leichter machbar, die Wohnfläche pro Person zu vereinheitlichen.
Ein weiterer Weg, die „hemmende Wirkung“ des Eigentums in der ideologischen Welt zu reduzieren, ist die Einschränkung der Nutzung des Eigentums durch gesetzliche Vorschriften. So bleibt das Eigentum formal gewahrt, kann aber faktisch trotzdem abgeschafft werden.
So könnte man die Wohnfläche pro Person beispielsweise vereinheitlichen, indem gesetzlich festgelegt wird, dass nur eine bestimmte Fläche pro Kopf verfügbar sein darf. Liegt individuelles Wohneigentum über diesem Wert, könnte beispielsweise eine prohibitive Besteuerung greifen oder eine Wohnraumverteilung dafür sorgen, dass weitere Menschen in die eigene Wohnung aufgenommen werden müssen.
Auch das aus ideologischer Perspektive besonders problematische Privateigentum an Produktionsmitteln sowie freies profitorientiertes Unternehmertum lässt sich auf diesem indirekten Weg bis zur faktischen Abschaffung „einhegen“, ohne dass dies unmittelbar offensichtlich würde.
Vertreter diese Perspektive können sich daher problemlos eine Welt ohne jegliches Eigentum vorstellen. Sie sehen kein Problem darin, wenn alles direkt oder indirekt in „öffentliches Eigentum“ beziehungsweise Staatseigentum überführt würde.
Eigentum in der praxeologischen Welt
Aus praxeologischer Perspektive ist Eigentum notwendig, um Konflikte zu vermeiden, die durch die allgegenwärtige Knappheit entstehen. In der echten Welt (außerhalb des Paradieses) sind jene Güter, die wir einsetzen, um unsere Ziele zu erreichen, knapp. Ohne klare Regelungen würde es zu endlosen Streitereien um diese knappen Güter kommen.
Um diese Konflikte zu vermeiden und zu verhindern, dass sich im Kampf aller gegen alle einfach nur der Stärkere durchsetzt, schafft Eigentum eine Norm – beachte die Trennung zwischen Dein und Mein. Diese Norm bezieht sich auf das Selbsteigentum (am eigenen Körper) und auf ohne Aggression erworbene Güter.
Daneben ist echtes Privateigentum aus dieser Perspektive auch notwendig, um Freiheit und Privatsphäre zu gewährleisten. Zentrale Steuerung und Umverteilung sowie die Beschränkung von Nutzungsrechten sind unvermeidlich mit weitgehenden Eingriffen verbunden.
Darüber hinaus ist Eigentum in dieser Welt auch eine unverzichtbare „Zutat“ beziehungsweise Voraussetzung für die Marktwirtschaft und schafft einen Anreiz, es gewinnbringend (im doppelten Sinne des Wortes) und zugleich substanzbewahrend zu verwenden.
Zankapfel Enteignungen
Diese unterschiedlichen Perspektiven auf das Eigentum machen verständlich, warum es gerade beim Thema „Enteignung“ zu heftigen Diskussionen kommt. Auf Berliner Landesebene ist aktuell die Enteignung privater Wohnungsbauunternehmen im Gespräch. Auf Bundesebene sind Enteignungen von Energieunternehmen ein Thema.
Die Berliner Initiative glaubt, durch Enteignung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen eine bessere Wohnraumversorgung und niedrigere Mieten ermöglichen zu können. Bei einem Volksentscheid nahm die Initiative die rechtlich nötige Hürde, um den Senat zur Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs aufzufordern.
Die Enteignungsüberlegungen auf Bundesebene sind weit gediehen, hier hat der Bundestag einem entsprechenden Gesetz bereits zugestimmt. Die Abgeordneten, welche dafür stimmten, gehen offensichtlich davon aus, dass die Energieversorgung durch die Enteignung von Energieunternehmen insbesondere in Krisenzeiten besser gesichert werden könne.
Aus ideologischer Perspektive werden beide Enteignungsinitiativen begrüßt, weil sie das ungewünschte Privateigentum und speziell das Eigentum an Produktionsmitteln abzuschaffen trachten. Damit kann der aus dieser Sicht unterstellten Ausbeutung und dem negativ bewerteten Profitstreben Einhalt geboten werden.
Diese Enteignungsbefürwortung ist im Denken der ideologischen Welt stimmig, es schafft Raum für die Orientierung an „höheren Zielen“ – sei dies nun die Gleichheit oder eine politisch gewollte Umgestaltung der Energieversorgung.
Aus praxeologischer Perspektive werden beide Enteignungsinitiativen abgelehnt, weil mit der Schwächung oder Abschaffung von Eigentum ein Mechanismus fehlt, der es erlaubt, Knappheitsprobleme friedlich und kooperativ zu lösen. Beim Verlust des Eigentums an Produktionsmitteln kommt hinzu, dass auch die Möglichkeit der Wirtschaftlichkeitsrechnung verloren geht – was auch das Scheitern der Planwirtschaft erklärt.
Außerdem wird aus praxeologischer Sicht deutlich, dass die mit Eingriffen in das Eigentum unweigerlich verbundenen Nachteile, beispielsweise Freiheits- und Wohlstandsverluste, den einzelnen Menschen zunehmend zum Spielball politischer Interessen werden lassen.
Eigentum – ein Wort, zwei Welten
In der ideologischen Welt ist Eigentum ein Hemmschuh bei der Umgestaltung im Sinne der jeweiligen politischen Agenda. In der praxeologischen Welt ist Eigentum unverzichtbar, um friedlich mit Knappheit umgehen zu können und Freiheitsräume zu schützen.
Das Wort Eigentum hat in der ideologischen und der praxeologischen Welt eine andere Bedeutung und ist mit einem anderen Menschenbild verbunden. Bevor ein Streit zum Thema Eigentum eskaliert, lohnt es sich, den Begriff zu hinterfragen und einen Blick auf den Menschen hinter dem Wort zu werfen.
(1) Die „ideologische Welt“ verdankt ihre Bezeichnung dem Umstand, dass ein „höheres Ideal“ beziehungsweise eine Idee wichtiger ist als der einzelne Mensch und dessen individuelles Streben nach Glück. Kollektivistisch, planwirtschaftlich oder sozialistisch-kommunistisch sind einige Stichworte, welche diese Welt kennzeichnen.
Die „praxeologische Welt“ verdankt ihre Bezeichnung dem Umstand, dass praktische Handlungen einzelner Menschen, den Dreh- und Angelpunkt darstellen und die jeweiligen Weltanschauungen zurücktreten. Der Begriff „Praxeologie“ wurde vom bedeutenden Ökonomen und Sozialphilosophen Ludwig von Mises (1881 – 1973) geprägt. Individualistisch, marktwirtschaftlich, klassisch liberal sind einige Stichworte, welche diese Welt kennzeichnen.
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