Senioren im Straßenverkehr: Eher Gefährdete statt Gefährder
Verglichen mit ihrem Anteil an der Bevölkerung verunglücken Menschen über 65 Jahre seltener als Jüngere. Ältere Menschen machen 21,5 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, sind jedoch „nur“ an 13,6 Prozent der Verkehrsunfälle beteiligt. Im Jahr 2019 verunglückten 52.444 Menschen im Alter von 65 Jahren oder darüber im Straßenverkehr (-1,5 Prozent als im Vorjahr). 38.218 Senioren wurden leicht (-1,1 %) und 13.189 schwer verletzt (-2,8 %), 1.037 (-0,8 %) starben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes.
Das Unfallrisiko der älteren Menschen im Vergleich zum Durchschnitt der Gesamtbevölkerung ist mit 466 Verunglückten je 100.000 Einwohnern wesentlich geringer.
Doch die Schäden sind schwerer
Wenn sie allerdings einen Unfall erleiden, sind die Schäden im Durchschnitt schwerer. So wurden 25,1 Prozent der verunglückten älteren Menschen schwer verletzt, der entsprechende Anteil bei den unter 65-Jährigen war mit 15,5 Prozent deutlich geringer. Bei den Verkehrstoten gehörte fast jeder Dritte (34,0 Prozent) zu dieser Altersgruppe. Vor allem die über 75-Jährigen sind gefährdet.
Das Statistische Bundesamt schreibt: „Hierin spiegelt sich zum einen die mit zunehmenden Alter nachlassende physische Widerstandskraft wider, zum anderen ist das höhere Sterberisiko durch die Art der Verkehrsteilnahme bedingt: Ältere Menschen nehmen häufiger als – ungeschützte – Fußgänger am Verkehr teil und sind daher einem größeren Risiko ausgesetzt, schwerwiegende Verletzungen zu erleiden.“
Typische Unfallursachen sind Fehler beim Überqueren der Fahrbahn zu Fuß oder eine falsche Straßenbenutzung mit dem Fahrrad. Bei den älteren Autofahrern sind es Vorfahrtfehler sowie Fehler beim Abbiegen, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren. Bei den älteren Motorradfahrern sind es nicht angepasste Geschwindigkeit, Abstandsfehler und Fehler beim Überholen.
Das Alter allein, so internationale Studien, bedeute allein kein erhöhtes Unfallrisiko. Probleme entstehen jedoch bei krankheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, die nicht mehr durch ein entsprechendes Verhalten kompensiert werden können, so die Deutsche Verkehrswacht.
Ältere bauen die meisten Unfälle zu Fuß
Ältere Menschen gelten landläufig als besondere Gefahr im Straßenverkehr. Keiner wundert sich daher, dass sie höhere Grundbeträge für ihre Kfz-Haftpflichtversicherung zahlen müssen.
Scholz und Kulcke zitieren eine ältere Meldung des Verbrauchermagazins „Finanztip.de“: „Es kann sein, dass ein 75-Jähriger fast 40 Prozent mehr für seine Police zahlen muss als ein 55-Jähriger. (…) ‚Wir haben herausgefunden, dass die Kfz-Versicherung bei einigen Anbietern bereits ab dem 60. Lebensjahr mehr kostet‘…. 65-Jährige zahlen je nach Versicherer schon bis zu 12 Prozent drauf. Für 70-Jährige kostet die Autoversicherung bei manchen Anbietern rund 20 Prozent mehr als für 55-Jährige im selben Tarif. Ab 75 Jahren wird es richtig teuer: Hier verlangen manche Anbieter bis zu 37 Prozent Aufschlag.“
Die Versicherungswirtschaft gehe demnach nicht von Unfällen aus, die „ältere Menschen mit dem Auto verursachen, sondern von allen Unfällen, die sie verursachen“. Und es werde ein Umgang mit dem Auto unterstellt, der gar nicht stattfinde.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, so schreiben Scholz und Kulcke, sehe darin keine Altersdiskriminierung, sondern folge der Feststellung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, „dass ältere Fahrer im Schnitt mehr Schäden verursachen als Fahrer mittleren Alters“.
ADAC: Eher Gefährdete statt Gefährder
Der ADAC sieht es ähnlich wie die beiden Autoren. Für den Verein steht ebenso wie für den Verkehrssicherheitsrat fest, dass Senioren „eher Gefährdete als Gefährder“ sind. Nahezu jeder zweite im Straßenverkehr tödlich verunglückte Fußgänger oder Radfahrer war 2017 älter als 65 Jahre.
„Finanztip.de“ meinte im Jahr 2015, dass Senioren zu viel zahlen müssen. Eine Beispielrechnung des Verbralinksucherportals: „Während ein 55-Jähriger bei der Huk-Coburg für seinen Golf 379 Euro jährlich zahlt, kostet der Tarif mit den gleichen Bedingungen für einen 65-Jährigen 423 Euro und für einen 75-Jährigen 565 Euro. Und das, obwohl Senioren gemäß Unfallstatistik des Statistischen Bundesamts im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil unterproportional an Unfällen beteiligt sind.“
Bei genauer Untersuchung der Daten stellten Scholz und Kulcke fest, dass offenbar auch „die Schadenshöhe pro Versicherungsfall gesunken ist“ und „die Älteren weniger Schäden verursachen als die Jüngeren“.
Eine Änderung der bisherigen Praxis erscheint den beiden Autoren allerdings schwer. Viele Statistiken hätten Makel oder seien fehlerbehaftet, manche sind auch etwas älter und wurden nicht aktualisiert. Die ebenfalls schon etwas ältere Expertise „Benachteiligungsverbot und Rechtfertigungsgründe beim Abschluss privatrechtlicher Versicherungen“ empfahl eine gerichtliche Klärung und entstand im Jahr 2010 im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durch Univ.-Prof. Dr. Christian Armbrüster.
Der Konflikt wäre aus seiner Sicht auch dadurch zu lösen, indem „die internen Daten des Versicherers durch eine neutrale, zur Verschwiegenheit verpflichtete Stelle überprüft werden“.
Insgesamt lebten 2019 rund 17,9 Millionen Personen im Alter von mindestens 65 Jahren in Deutschland.
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