Schuld an Missverständnissen? Teilnehmer des Potsdamer-Treffens verklagen „CORRECTIV“
Die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch hatte Mitte Dezember 2024 einen juristischen Angriff des Recherchenetzwerks „CORRECTIV“ vorläufig erfolgreich abgewehrt – nun haben zwei Teilnehmer jenes Potsdamer „Geheimtreffens“, über das „CORRECTIV“ im Januar 2024 geschrieben hatte, neue Klagen gegen das Autorenteam eingereicht.
Nach Angaben der „Legal Tribune Online“ (LTO) handelt es sich um das erste Mal, dass zwei direkte Augen- und Ohrenzeugen des Hoteltreffens den „CORRECTIV“-Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ in „zentralen Punkten“ juristisch überprüfen lassen wollen. Bis zum heutigen Tage ging es bei den geführten Gerichtsverfahren zum Artikel um Teilaspekte, nicht jedoch darum, ob der Artikel „unwahre Tatsachenbehauptungen oder zwingend falsche Eindruckserweckungen“ beinhaltet.
Meinungen als Tatsachenbehauptungen dargestellt
Die im Text reichlich enthaltenen Überzeugungen und wertenden Schlussfolgerungen waren vor einem Jahr von zahlreichen großen Medienhäusern zumeist ungeprüft als Tatsachenbehauptungen wiedergegeben worden. Gerade diese Presseberichte, die später in vielen Fällen durch das Landgericht Hamburg verboten wurden, hatten eine Protestwelle „gegen rechts“ und gegen die AfD ausgelöst.
Obwohl nach Auffassung des Medienanwalts und Klagevertreters Carsten Brennecke die von „CORRECTIV“ verbreiteten subjektiven Wertungen per se noch in den Rahmen einer zulässigen Meinungsäußerung fielen, steht das Landgericht Hamburg nach Angaben der LTO nun vor einer ganz neuen Herausforderung: Das Gericht müsse auf Grundlage des Ursprungstextes überprüfen, ob das „CORRECTIV“-Autorenteam presserechtlich dafür verantwortlich gemacht werden könne, dass sein Text vielfach missverstanden wurde.
Dass das „CORRECTIV“-Team mit seinem Text den „falschen Eindruck“ erweckt habe, in Potsdam sei im November 2023 über die Ausweisung deutscher Staatsbürger gesprochen worden, hatte das Landgericht Berlin II nach Informationen der LTO bereits am 11. Dezember 2024 festgestellt (Az. 2 O 296/24 eV). Dieses erstinstanzliche Urteil ist allerdings bislang nicht rechtskräftig.
Potsdam-Gäste Vosgerau und Mörig klagen
Bei den beiden aktuellen Klägern handelt es sich nach LTO-Angaben um den Staatsrechtler Dr. Ulrich Vosgerau und um den Zahnarzt Gernot Mörig – den Mann, der seinerzeit zu dem Wochenendtreffen im Landhotel eingeladen hatte.
Wie Rechtsanwalt Brennecke auf seinem X-Kanal bestätigte, geht es Vosgerau um zwei Textstellen aus dem „Geheimplan“-Artikel, nämlich jene mit dem bereits vom LG Berlin II beanstandeten „‚Masterplan‘ zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern“ und den Passus „An die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er [Vosgerau] sich aber nicht erinnern können“.
Potsdam-Initiator Gernot Mörig klage nicht nur wegen derselben beiden Passagen, so Brennecke, sondern wehre sich auch „gegen die Falschbehauptung, er habe in Potsdam ein Expertengremium gefordert, das den Plan der Vertreibung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund ausarbeiten soll“. Laut LTO habe Mörig lediglich eingeräumt, dass er in Potsdam ein Expertengremium erwähnt habe, dass sich mit der Frage der konsequenten Rückführung illegal anwesender Ausländer befassen sollte.
Nach Angaben Brenneckes, der Vosgerau bereits im Februar 2024 vor dem Landgericht Hamburg vertreten hatte, seien in Potsdam niemals Pläne zur Ausweisung Deutscher geschmiedet worden. Selbst Thorsten Feldmann, der Rechtsbeistand von „CORRECTIV“, habe damals bestätigt, dass „im Rahmen der Diskussion [in Potsdam] nicht weiter erörtert wurde, welche Möglichkeiten bestehen, aktuell deutsche Staatsbürger mit deutschem Pass unmittelbar auf Grundlage rassistischer Kriterien auszuweisen“.
Brennecke: Andere Medien vertrauten auf „CORRECTIV“-Recherche
Dieser Eindruck habe sich aber nach der Lektüre des Textes eingestellt, „wie die zahlreiche Falschberichterstattung als Folge des Correctiv-Berichts belegt“, meint Brennecke unter Verweis auf den NDR, das ZDF, den SWR, die Nachrichtenplattform „Campact“ sowie die Grüne Bürgerschaftsfraktion in Hamburg.
Wie die LTO berichtet, habe Brennecke in seiner aktuellen Klageschrift im Auftrag Vosgeraus betont, dass die abgemahnten Medien stets darauf hingewiesen hätten, bei ihren Berichten auf Grundlage des „CORRECTIV“-Stücks auf die Korrektheit der Recherche vertraut zu haben. Meist hätten sie sich auch auf den „Eindruck von Tatsachenbehauptungen“ berufen. Der Medienanwalt schlussfolgert:
Wenn etablierte Medien reihenweise meinen, dass es sich im Correctiv-Bericht um Fakten handelt, dann liegt der Verdacht nahe, dass Correctiv Falschbehauptungen verbreitet hat.“
Nach Angaben von Brennecke richten sich die Klagen nicht nur gegen die auch mit Steuergeldern finanzierte Correctiv gGmbH, sondern auch direkt gegen jene „CORRECTIV“-Autoren, die nach Ansicht des Landgerichts Berlin II den „falschen Eindruck“ erweckt hatten, im Hotel sei über die Ausweisung deutscher Staatsbürger gesprochen worden: Chefredakteur Justus von Daniels, seine stellvertretende Chefredakteurin Anette Dowideit und die Redaktionsmitarbeiter Marcus Bensmann, Jean Peters und Gabriela Keller.
Selbst bei Niederlage auf der Gewinnerstraße?
Brennecke glaubt an einen erneuten Erfolg seines Mandanten Vosgerau: „Wir gehen davon aus, dass die Kernaussagen des Correctiv-Berichts als Falschbehauptungen verboten werden“, so Brennecke auf X. Auch andernfalls könne man sich als Sieger betrachten:
Doch selbst wenn das Gericht feststellen sollte, dass es sich bei einigen Aussagen um zulässige Wertungen handelt, wäre das für die Teilnehmer immer noch ein Gewinn. Denn dann wäre auch gerichtlich endgültig festgestellt, dass der Correctiv-Bericht an entscheidenden Stellen nur wolkige Wertungen enthält“.
Der „CORRECTIV“-Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ war vor einem Jahr, nämlich am 10. Januar 2024, mitten in der Hochphase der deutschen Bauernproteste erschienen.
Der mit Theaterbegriffen wie Prolog, Akt, Szene und Epilog gespickte, umfangreiche Text legte bei oberflächlicher Betrachtung nahe, dass es bei einem Treffen von AfD- und CDU-Parteiangehörigen und ihrem Gastredner Martin Sellner („Remigration: Ein Vorschlag“) Ende November 2023 in einem Landhotel in Potsdam unter anderem um massenhafte Deportationen und um einen „‚Masterplan‘ zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern“ gegangen sei. Im Kern sollten damit die Artikel 3, 16 und 21 des Grundgesetzes „unterlaufen“ werden, wie es noch immer im „Epilog“ zu lesen steht.
AfD-MdB von Storch siegte in erster Instanz
Noch einmal zurück zur ganz oben erwähnten Auseinandersetzung zwischen der AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch und „CORRECTIV“. Die Politikerin, die persönlich nicht in Potsdam dabei war, hatte Mitte Oktober auf dem Berliner AfD-Landesparteitag eine Redepassage mit den Worten eingeleitet: „Nach einem Jahr Hass und Hetze gegen die AfD, nach der dreckigen Correctiv-Lüge, nach diesen ganzen massenhysterischen Demos…“. Daraufhin zogen die „CORRECTIV“-Rechercheure vor Gericht, um künftige Äußerungen dieses Wortlauts verbieten zu lassen.
Doch der Schuss ging fürs Erste nach hinten los: Das LG Hamburg entschied, dass das „CORRECTIV“-Netzwerk auch scharfen Gegenwind aushalten müsse, da es selbst ebenfalls im Meinungskampf unterwegs sei. Im Fall des Lügenvorwurfs von Beatrix von Storch handele es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine zulässige Meinungsäußerung. Es sei nicht klar, so das Gericht, was genau von Storch gemeint haben könnte.
Merz forderte Möglichkeit des Passentzugs
Das Thema Ausbürgerung von deutschen Staatsbürgern hatte erst vor wenigen Tagen erneut Fahrt aufgenommen. Dabei standen allerdings nicht die AfD oder „CORRECTIV“ im Fokus, sondern der CDU-Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz.
Nach Informationen des „Spiegel“ hatte Merz im Interview mit der „Welt am Sonntag“ die Möglichkeit eines Entzugs der deutschen Staatsbürgerschaft für straffällig gewordene Menschen mit zwei Pässen gefordert. Merz habe sich dabei auf den Terroranschlag in Magdeburg vom 20. Dezember 2024 bezogen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion