Rückzug ins Private: So reagieren Deutsche auf Krisen

Zukunfts-Zuversicht ist einer Studie zufolge nur noch im Privaten zu finden – von der Politik erwartet die Mehrheit derzeit kaum noch etwas. Viele Menschen haben einen Verdrängungsvorhang heruntergelassen.
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Krisen – viele Menschen in Deutschland ziehen sich einer Studie zufolge mehr und mehr ins Private zurück.Foto: iStock
Epoch Times28. Juli 2023

Als Reaktion auf Krisen ziehen sich die Deutschen einer Studie zufolge mehr und mehr ins Private zurück. Die bedrohliche Wirklichkeit klammern sie weitgehend aus und richten den Fokus auf ihre persönliche Lebenswelt. Nur noch 34 Prozent haben nach der am Donnerstag veröffentlichten Studie des Kölner Rheingold-Instituts Vertrauen in die Bundesregierung.

Als Zufluchtsort wird das eigene Zuhause liebevoll zur Wohlfühloase ausgebaut – 93 Prozent der Befragten gaben an, es sich daheim so schön wie möglich zu machen. Für 84 Prozent hat auch das Miteinander mit Freunden und Familie an Bedeutung gewonnen – wobei dieser soziale Kreis zunehmend aus Gleichgesinnten besteht, die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden wird vermieden. Ein Gefühl von Selbstwirksamkeit erwächst vor allem aus der Beschäftigung mit sich selbst, etwa im Gym oder in der Yoga-Schule. Körperliche Fitness und mentale Ausgeglichenheit sollen das Gefühl vermitteln, das Leben im Griff zu haben.

Außenwelt ausgeblendet

Die „böse Außenwelt“ wird dagegen weitgehend ignoriert. „Die Angst vor einem Atomkrieg etwa, die kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs sehr stark war, wird heute kaum noch genannt“, erläutert Rheingold-Gründer Stephan Grünewald der Deutschen Presse-Agentur. „Länger als sechs Wochen hält man eine so fundamentale Bedrohung nicht aus.“ Mittlerweile informieren sich der Studie zufolge nur noch 39 Prozent ausführlich über das Weltgeschehen. „Die Leute gucken sehr viel weniger Nachrichten“, so Grünewald. „Auch das ist Ausdruck der Verdrängung.“

Die Studie, die Rheingold in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Philosophie-Stiftung Identity Foundation aus Düsseldorf erstellt hat, setzt sich zusammen aus einer repräsentativen Online-Befragung von 1.000 Menschen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren und einer jeweils zweistündigen tiefenpsychologischen Befragung von 35 Probanden, bei deren Auswahl Aspekte wie Geschlecht, Alter, Bildung und politische Präferenz berücksichtigt wurden.

Innen hui, außen pfui

Für den Psychologen und Autor Grünewald („Wie tickt Deutschland?“) ist das überraschendste Ergebnis, dass nur 23 Prozent zuversichtlich im Hinblick auf Politik und Gesellschaft sind, im Privaten aber großer Optimismus vorherrscht. So äußerten sich 73 Prozent in der repräsentativen Befragung zuversichtlich zu ihrer Arbeit, ihrem Studium oder ihrer Ausbildung. „Das ist eine ungeheure Diskrepanz“, findet Grünewald. „Den Deutschen gelingt die Maximierung ihrer Zuversicht durch die Minimierung ihres Gesichtskreises.“

Der Ukraine-Krieg, die Migrationskrise und der Klimawandel würden von den meisten Menschen ausgeblendet – trotz der ständigen Medienpräsenz und wiederholten Berichterstattungen. „Das ist, als würde ein Verdrängungsvorhang heruntergelassen, der unsere eigene Welt von der da draußen abschottet.“ Durch diesen Vorhang schimmere höchstens noch durch, was für das eigene Leben unmittelbar relevant sei, etwa die Inflation und die Energiepreise.

Insgesamt führen die Krisenverdrängung und die Hinwendung zum Privaten demnach dazu, dass eine Mehrheit eine passiv resignative Haltung entwickelt und für den übergreifenden Wandel überhaupt nicht mehr ansprechbar ist. So sagen nur 47 Prozent von sich: „Mein persönliches Engagement ist entscheidend, um die gesellschaftlichen Herausforderungen zu stemmen.“ Grünewalds Analyse: „Die proklamierte Zeitenwende ist bei den Leuten überhaupt nicht angekommen. Sie hoffen vielmehr auf eine Art Nachspielzeit, die noch einige Jahre andauert.“ (dpa/dl)



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