Potsdam-Treffen: Teilnehmer gefeuert – Arbeitsgericht pfeift Stadt Köln zurück

Nach ihrer Teilnahme am umstrittenen Potsdamer Treffen wurde Simone Baum von der Stadt Köln entlassen. Sie klagte dagegen und erzielte einen Sieg vor dem Arbeitsgericht. Bleibt abzuwarten, ob die Stadt Köln gegen dieses Urteil Berufung einlegen wird. Die Entscheidung ist eine Klatsche für die Stadt, die Stadtpolitik schweigt plötzlich.
Die Statue der Justitia steht für Gerechtigkeit: Das Landgericht Salzburg hat einen Mann für einen Doppelmord zu lebenslanger Haft verurteilt.
Die Statue der Justitia steht für Gerechtigkeit.Foto: Arne Dedert/dpa
Von 6. Juli 2024

Als Anfang des Jahres durch die Rechercheplattform „Correctiv“ das sogenannte „Geheimtreffen“ von Potsdam publik gemacht wurde, bei dem neben Politikern der AfD, CDU und der WerteUnion auch der ehemalige Sprecher der Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, einen „Masterplan zur Remigration“ vorgestellt hat, kochten die Wogen in Deutschland hoch. Hunderttausende Menschen gingen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus im Land zu demonstrieren. 

Für die damalige stellvertretende Bundesvorsitzende des Vereins WerteUnion, Simone Baum, hatte die Teilnahme an diesem Treffen im Nachgang Konsequenzen. Seit 2008 ist Baum Mitglied der CDU. Kurz nachdem bekannt wurde, dass sie im November am Treffen in Potsdam teilgenommen hatte, entschied der CDU-Kreisverband Oberberg auf seiner Vorstandssitzung in Rösrath, Baum ausschließen. Er stellte einen förmlichen Antrag beim Kreisparteigericht. Aus Kreisen der nordrhein-westfälischen CDU hieß es damals laut WAZ, das Ausschlussverfahren werde möglichst schnell vorangetrieben: „Solche Leute haben bei uns nichts verloren.“

Es kam für Baum allerdings noch heftiger: 20 Jahre arbeitete sie im Beschwerdemanagement des Umweltamtes der Stadt Köln. Damit sollte nach Bekanntwerden der Teilnahme in Potsdam Schluss sein. Die Stadt kündigte der Politikerin fristlos. 

Kölner Stadtpolitik begrüßte Kündigung

Von Kölner Ratspolitikern wurde die Kündigung Baums begrüßt, auch wenn man aus personalrechtlichen Gründen damals nicht auf den Einzelfall eingehen wollte. Gegenüber dem WDR sagte Jörg Detjen von der Linksfraktion, dass es erfreulich sei, dass die Stadt so schnell reagiert habe. Detjen hatte nach einem Bericht des „Kölner Stadtanzeigers“ auch diesen über die Kündigung der WerteUnion-Politikerin informiert. Der Kölner CDU-Fraktionsvorsitzende Bernd Petelkau betonte damals, dass in der Stadtverwaltung kein Platz für Rechtsextreme sei. Und das gelte auch für seine Partei.

Jennifer Glashagen, Vorsitzende der Volt-Fraktion im Kölner Stadtrat, äußerte sich gegenüber dem WDR damals so: „Köln ist eine Stadt der Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Dies spiegelt sich auch in ihrer Rolle als Arbeitgeberin wider. Gleichzeitig sollte Politik keine Einflussnahme auf arbeitsrechtliche Angelegenheiten ausüben.“

Später präzisierte Volt diese Aussage: „Die Volt Fraktion bekräftigt, dass in Köln kein Platz für Rechtsextremismus ist. Zu arbeitsrechtlichen Fragen nimmt Volt als politische Fraktion keine Stellung.“

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Christiane Martin, hatte damals gegenüber dem „Kölner Stadtanzeiger“ betont, dass Rechtsextremismus in Köln nicht geduldet werde, auch nicht in der Stadtverwaltung.

Simone Baum reichte gegen die Entscheidung der Stadt Köln eine Kündigungsschutzklage ein. Sie hatte gegenüber verschiedenen Medien zuvor immer wieder ausdrücklich bestritten, dass die in den Medien behauptete „massenhafte Vertreibung“ oder etwa die Entziehung deutscher Staatsbürgerschaften nach ethnischen Kriterien auf dem Treffen in Potsdam besprochen oder gar konkret geplant wurde.

Wie die „Welt“ damals berichtete, hatte Baum in ihrem Schreiben an die CDU als Stellungnahme in Bezug auf das gegen Sie durchgeführte Parteiausschlussverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie dort nur Themen gehört habe, über die Bundes- und Landespolitiker von SPD bis CDU auch bereits vielfach gesprochen hätten – etwa die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber oder sogenannter Clan-Krimineller. Eine Abweichung von den Werten und Überzeugungen der CDU sei für sie nicht erkennbar gewesen, so Baum. 

Stadt lehnt Einigung kategorisch ab

Bei einem vom Arbeitsgericht Mitte Februar angesetzten Gütetermin, der üblich ist und erörtern soll, ob eine gütliche Einigung zwischen Arbeitgeber und -nehmer ohne Rechtsstreit möglich ist, lehnte der Anwalt der Stadt Köln eine Einigung kategorisch ab. Unter anderem berichtete damals der WDR darüber. 

Anfang dieser Woche entschied das Kölner Arbeitsgericht nun für die Politikerin der WerteUnion und gegen die Stadt Köln. Die Stadt hätte Simone Baum nicht kündigen dürfen, nur weil sie am Potsdamer Treffen teilgenommen hat, so das Urteil der Arbeitsrichter. 

Das Arbeitsgericht stellte in seiner Entscheidung fest, dass allein die Teilnahme an dem Treffen keinen ausreichenden Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt. Weil Simone Baum schon 20 Jahre bei der Stadt Köln angestellt war, konnte die Stadt keine ordentliche Kündigung aussprechen. Daher kam nur eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Nach Ansicht der Stadt hatte Baum mit ihrer Teilnahme in Potsdam gegen ihre Loyalitätspflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber gegenüber verstoßen. Das wies das Gericht jetzt zurück. 

Die Richter betonten, dass Simone Baum aufgrund ihrer spezifischen beruflichen Tätigkeit keine erhöhte politische Treuepflicht trifft, sondern lediglich eine grundlegende politische Loyalität erforderlich ist, um ihre Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen.

„Ein Verstoß gegen diese einfache Treuepflicht liegt erst dann vor, wenn das Verhalten darauf abzielt, verfassungsfeindliche Ziele aktiv zu fördern oder zu verwirklichen“, heißt es in der offiziellen Gerichtsmitteilung. Das Gericht stellte weiter klar, dass allein die Anwesenheit bei dem Treffen nicht automatisch darauf schließen lässt, dass Baum innerlich mit den dort geäußerten Ansichten übereinstimmt. Die Stadt Köln konnte nicht nachweisen, dass Baum sich aktiv für verfassungsfeindliche Ziele eingesetzt oder diese unterstützt hat.

Urteil für Arbeitsrechtler wenig überraschend

Für Arbeitsrechtsexperten kam das Urteil nicht überraschend. Gegenüber „Legal Tribun Online“ (LTO) kommentiert der Arbeitsrechtler Professor Michael Fuhlrott das Urteil so: 

„Das, was der Arbeitnehmer in seiner Freizeit macht, ist grundsätzlich dessen Privatangelegenheit und hat den Arbeitgeber nicht zu interessieren. Arbeitsrechtliche Auswirkungen entfaltet das Verhalten erst, wenn das Arbeitsverhältnis durch das außerdienstliche Verhalten konkret beeinträchtigt wird oder der Arbeitnehmer einen Bezug zu seinem Arbeitgeber herstellt.“

Für die Wirksamkeit einer Kündigung, auch im Öffentlichen Dienst, sei es notwendig, dass die Person aktiv verfassungsfeindliche Ziele verfolge und für diese eintrete, erläutert der Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Die bloße Teilnahme an einem Treffen, auf dem fremdenfeindliche Äußerungen getätigt werden, sei nicht ausreichend. Genau so hatte auch das Kölner Arbeitsgericht geurteilt. 

Entscheidend sei auch die konkrete Tätigkeit der Arbeitnehmerin, so Fuhlrott weiter. „Vorliegend war diese im allgemeinen Beschwerdemanagement tätig. Wäre die Arbeitnehmerin in leitender Funktion in der Ausländerbehörde tätig, wäre das Urteil womöglich anders ausgefallen.“

Auch eine weitere außerordentliche Kündigung vom März erklärte das Arbeitsgericht für unwirksam. Weil die Stadt offenbar selbst unsicher war, ob die Teilnahme am Potsdamer Treffen vom Arbeitsgericht als außerordentlicher Kündigungsgrund anerkannt werden würde, hatte sie noch einmal gekündigt und die Kündigung damit begründet, Baum habe eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben. Dieser Vorwurf, so entschied das Gericht, treffe nicht zu. 

Die Entscheidung ist bisher nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln eingelegt werden. Laut dpa heißt es aus der Stadt, dass man nun die „Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens“ prüfe. Reaktionen aus der Kölner Stadtpolitik bleiben nach dem Urteil aus. 



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