Palästina-Proteste stürzen Unis ins Dilemma
Es begann vor Wochen in den USA. An mehr als 100 amerikanischen Universitäten haben propalästinensische Gruppen Protestcamps gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen errichtet. Seither scheint eine Welle um die Welt zu gehen. Zeltstädte und aufgebrachte Demonstranten an Hochschulen in Bangladesch und Australien, in Spanien und Großbritannien, in Frankreich und Finnland, in den Niederlanden und Dänemark. Und nun auch in Deutschland.
In den vergangenen Tagen kam es nicht nur zu aufgewühlten Szenen an Unis in Berlin und Leipzig. Auch die Universität Bremen ließ ein Camp räumen. In Köln stehen Zelte auf einer Wiese an der Universität, in Hamburg eine Mahnwache. An anderen Hochschulen blieb es vorerst ruhig, aber auch Jena oder Weimar hat man ein waches Auge auf mögliche Aktionen. Und überall ist das Dilemma: Geht es hier um legitime Meinungsäußerungen oder antisemitische Propaganda? Um Mitgefühl mit den Menschen in Gaza oder puren Hass auf Israel? Und wie können jüdische und nichtjüdische junge Leute gemeinsam studieren in einer oft so aufgeheizten Stimmung?
Kritik von allen Seiten an der FU
Die Debatte nach der Räumung eines Protestcamps an der Freien Universität Berlin am Dienstag zeigt, dass die Verantwortlichen wohl fast nichts richtig machen können in einer solchen Situation. Die Leitung der FU reagierte rasch, als vormittags einige Dutzend Menschen mit Palästina-Tüchern und Transparenten in einen Hof der Uni strömten und begannen, Zelte aufzubauen. Um 10.00 Uhr rief eine Verantwortliche die Polizei, um 12.20 Uhr beantragte die Uni die Räumung.
Für das schnelle Einschreiten bekam sie Lob vom Berliner Senat und vom Zentralrat der Juden. Zentralratspräsident Josef Schuster kritisierte aber, dass die Uni sich nicht inhaltlich zu dem Protest geäußert habe, der eindeutig „fanatischen Charakter“ trage. Noch bitterer war die Kritik der anderen Seite. Etwa 100 Dozenten von mehreren Berliner Hochschulen stellten sich gegen die Räumung: „Wir fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen.“ Dafür wiederum kassierten die Dozenten Empörung, unter anderem von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).
Studenten starteten ihrerseits eine Petition für den Rücktritt von FU-Präsident Günter Ziegler. Soziale Netzwerken verbreiteten Bilder von einem sehr robusten Vorgehen einiger Polizisten. Die Polizei selbst bilanzierte am Mittwoch, es seien 79 Personen vorübergehend festgenommen worden, davon 49 Frauen und 30 Männer, es gebe 80 Strafermittlungsverfahren und 79 Ordnungswidrigkeitenverfahren.
„Viele der Aktivisten sind gar keine Studenten“
Das Spannungsfeld ist in anderen Ländern ähnlich. Die Anti-Defamation League, eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York, beobachtet die propalästinensischen Proteste rund um den Globus, vor allem aber in den USA. „Es gibt legitime Protestformen, wenn sie friedlich und legal sind“, sagt Vizepräsidentin Marina Rosenberg der Deutschen Presse-Agentur. Aber in vielen Fällen sei das nicht so. „Viele der Aktivisten sind gar keine Studenten“, sagt Rosenberg. Diese „professionellen antiisraelischen und antizionistischen Aktivisten“ brächten Slogans auf den Campus, die teils Terrorismus und Gewalt verherrlichten. Das wiederum schaffe eine Atmosphäre der Angst. „Wir machen uns extrem große Sorgen um jüdische Studierende weltweit“, sagt Rosenberg.
In Australien toleriert die Universität in Sydney schon seit fast drei Wochen ein Zeltlager von Studenten vor dem Hochschulgebäude. Ein Sprecher sagte zuletzt, es seien keine Verstöße im Zusammenhang mit Antisemitismus festgestellt worden. Der Vizepräsident der „Australasian Union of Jewish Students“, Zac Morris, betonte hingegen, jüdische Uni-Mitarbeiter und Studenten fühlten sich zunehmend bedroht. Viele hätten Angst und verpassten deshalb Vorlesungen. „Sie werden gefilmt, verfolgt, eingeschüchtert“, sagte er.
Ähnliche Ängste haben jüdische Studenten auch in Deutschland, gerade an der FU Berlin, nachdem einer von ihnen im Februar von einem propalästinensischen Kommilitonen krankenhausreif geschlagen wurde. Danach gab es Solidaritätsbekundungen unter dem Motto „Fridays for Israel“. Die politische Anspannung blieb jedoch, der Konflikt ungelöst. Mit dem Impuls aus den USA nimmt der Protest eine neue Form. (dpa/dl)
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