Oppositionelles Medium im Behördenvisier: „Multipolar“ soll Texte umschreiben

Die Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen wirft dem „Multipolar-Magazin“ Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht vor. Obwohl ein Verfahren inklusive Löschung der monierten Texte droht, will Herausgeber und RKI-Files-Kläger Paul Schreyer nicht kleinbei geben.
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Die Landesmedienanstalt von Nordrhein-Westfalen hat das regierungskritische „Multipolar-Magazin“ neuerdings offenbar besonders scharf unter die Lupe genommen. (Symbolbild)Foto: iStock/seb_ra
Von 30. August 2024

Die Landesanstalt für Medien (LfM) in Düsseldorf hat das regierungskritische Online-Nachrichtenportal „Multipolar-Magazin“ ins Visier genommen. Das in Greven ansässige Magazin hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt, als es einen Großteil der Protokolle des RKI-Krisenstabs der Jahre 2020 und 2021 freigeklagt und in einer teilweise geschwärzten Fassung im März 2024 veröffentlicht hatte.

Wie das Magazin am Dienstag, 27. August 2024, auf seiner Website mitteilte, soll es sich mit seiner Corona-Berichterstattung schuldig gemacht haben, in vier Texten „Verstöße gegen die journalistische Sorgfalt“ begangen zu haben. Das geht aus einem fünfseitigen Schreiben hervor, das die LfM am vorangegangenen Freitag an „Multipolar“-Mitherausgeber Paul Schreyer geschickt hatte. Die Unterschrift eines Verantwortlichen fehlt.

„Multipolar“ soll vier Texte verändern

Es sei das erste Mal überhaupt, dass „Multipolar“ von der Landesanstalt kontaktiert worden sei, schreibt das Magazin. Konkret gehe es in dem Brief (PDF) um vier Texte aus den Jahren 2022 bis 2024, die alle die Regierungsverlautbarungen zur Corona-Politik infrage gestellt hätten.

So habe die LfM in einem Interview mit dem Arzt und Psychologen Prof. Christian Schubert eine fehlende redaktionelle Einordnung von „unklaren“ und „unbelegten“ Zahlen aus dem Munde des Wissenschaftlers bemängelt. In einem weiteren Interview mit einem Berliner Feuerwehrmann hätte das Magazin nach Ansicht der LfM die Aussagen des Befragten ebenfalls nicht unkommentiert stehen lassen dürfen, sondern eine Einordnung bringen müssen.

Ein weiterer Artikel, in dem es um die Analyse einer offiziellen britischen Impf- und Sterbefallstatistik gegangen war, habe nach Meinung der LfM Fehlinterpretationen und somit eine Falschdarstellung enthalten. Belege für diese Anschuldigung, die sich auf andere Quellen stützen würden, nennt die LfM nicht. Somit schreibt sich die LfM selbst die Fähigkeit zu, eine Studie besser interpretieren zu können als ein Fachjournalist.

Dabei hatte „Multipolar“-Autor Florian Schilling schon im dritten Absatz seines Artikels die Schwierigkeiten problematisiert: „Alle Schwächen des besagten Datensatzes aufzuarbeiten, würde in Umfang und Tiefe eine wissenschaftliche Veröffentlichung erfordern. Es folgt daher lediglich eine Zusammenfassung der wichtigsten Kritikpunkte. Interessierten seien ein Interview des Mathematikers Norman Fenton (2) sowie sein Schreiben an die britische Statistikbehörde ONS (3) empfohlen. Er adressiert hier jeweils detailliert, fachlich fundiert und spezifisch die Qualitätsprobleme der ONS-Daten.“

Zu guter Letzt soll sich das Magazin in seinem vielleicht bekanntesten Text über die freigeklagten RKI-Protokolle der „Irreführung“ schuldig gemacht haben. Nach Meinung der beschuldigten Redaktion, weil diese einen anderen Schluss als das LfM aus der Nichtexistenz von Dokumenten gezogen hatte. Dabei ging es um die exakten Gründe zur Hochstufung der Risikobewertung durch das RKI zu Beginn der Corona-Zeit.

LfM verlangt Stellungnahme

Die LfM setzte „Multipolar“-Mitherausgeber Paul Schreyer und seinem Kollegen Stefan Korinth eine Frist bis zum 23. September 2024: Bis dahin solle das Portal eine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgeben. „Je nach Ergebnis des Verfahrens wird dieses eingestellt oder eine Anpassung des jeweiligen Beitrags gefordert, erst dann wird über die Eröffnung eines förmlichen Verwaltungsverfahrens entschieden“, stellte ein Sprecher der Landesanstalt für Medien NRW auf schriftliche Nachfrage der Epoch Times klar.

Das bedeutet, dass wir im Rahmen einer Anhörung gemäß § 28 VwVfG [Verwaltungsverfahrensgesetz] erneut die entsprechenden Verstöße gegen die journalistischen Grundsätze gemäß § 19 Abs. 1 MStV [Medienstaatsvertrag] feststellen und den Anbieter auffordern, die fehlenden Informationen zu ergänzen sowie die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen.“

Medienstaatsvertrag schreibt seit November 2020 Sorgfaltspflichten vor

Für ein förmliches Verwaltungsverfahren werde kein externes Gericht bemüht. Die LfM führe es vielmehr selbstständig gegenüber einem Anbieter durch. Bußgelder würden nicht verhängt. Zudem stehe es dem Anbieter „frei, gegen dieses Verfahren vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu klagen“, ergänzte der LfM-Sprecher.

Als Rechtsgrundlage berief sich die LfM auf Paragraf 19 des seit dem 7. November 2020 in Kraft getretenen MStV (PDF). Nach den darin skizzierten „Sorgfaltspflichten“ sind Nachrichten „vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen“. Telemedien sind laut MStV den „anerkannten journalistischen Grundsätzen“ verpflichtet. Gemäß Paragraf 109 MStV kann eine Landesmedienanstalt Texte beanstanden, untersagen oder sperren und sogar eine Rücknahme oder einen Widerruf fordern.

Lesen Sie im zweiten Teil unseres Artikels, wie „Multipolar“-Mitherausgeber Paul Schreyer auf die Anschuldigungen reagiert, wie die LfM zu Zensurvorwürfen steht und wie andere Journalisten und Medienexperten die Sache beurteilen.



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