Neue Wege im Gesundheitssystem: Wenn die Wohnung zum Krankenzimmer wird

Ob der treue Vierbeiner oder jemand aus der Familie, vieles spricht dafür, dass man zu Hause schneller gesund wird als im Krankenhaus. Das Behandlungsmodell „hospital at home“ setzt inzwischen Trends – und spart nicht unerhebliche Kosten.
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Foto: monkeybusinessimages/iStock
Von 4. Juni 2024

„Wann darf ich wieder nach Hause?“ Mit dieser Frage werden täglich unzählige Ärzte und das Pflegepersonal in Krankenhäusern konfrontiert. Für Léo stellt sich diese Frage nicht. Der 30-jährige Franzose, der an der Darmerkrankung Morbus Crohn leidet, bekommt zweimal pro Tag Besuch von einem Arzt und einer Pflegefachfrau zu Hause. Er ist einer von 100 Patienten, dem die Züricher Hirslanden-Klinik eine häusliche Behandlung angeboten hat.

„In meinem eigenen Bett fühle ich mich wohler als im Spital, und ich bin erstaunt, wie gut die Betreuung ist“, betont der junge Mann.

Seit Sommer 2023 behandelt die Hospital at Home AG mit ihrem Ärzte- und Pflegeteam im Raum Zürich Patienten zu Hause. Die bisherige Resonanz sei positiv, heißt es von dem Unternehmen. „Ich bin dankbar, dass mir die Möglichkeit gegeben wurde, meine Behandlung im vertrauten Zuhause zu erhalten. Die Anwesenheit meines geliebten Hundes machte diesen Prozess umso schöner“, so die Rückmeldung einer Patientin.

Das Konzept stammt aus der Feder von Abraham Licht, Chefarzt des Notfallzentrums der Hirselanden-Klinik, wie der „Tagesanzeiger“ berichtet. Fünfmal wurde er bei der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich vorstellig. Inzwischen hat diese für die nächsten drei Jahre einen Subventionsbeitrag für das Modell zugesprochen.

Licht schätzt, dass durch „hospital at home“ mindestens rund 3,2 Milliarden Franken eingespart werden können, was zehn der im Jahr 2022 angefallenen Versorgungskosten in Krankenhäusern (32,6 Milliarden Franken) entspricht.

Für wen kommt „hospital at home“ infrage?

Nicht für jeden Patienten ist die spitaläquivalente Betreuung geeignet. Bestimmte Diagnosen und Kriterien müssen erfüllt werden, wobei die Patientensicherheit oberste Priorität genießt, heißt es in einem der Epoch Times vorliegenden Flyer. 

Um überhaupt in den Genuss einer häuslichen Krankenhausbetreuung zu kommen, müssen Patienten im Umkreis von 20 km ab der Leitstelle der Hospital at Home AG, Zollikon wohnen.

Ihre Erkrankung muss eine Einweisung in die Klinik erfordern, aber zu Hause behandelt werden können. Für Patienten, die unter Pneumonie, Harnwegsinfekt, Herzinsuffizienz und mittelschweren Entzündungen leiden, kommt dies beispielsweise in Betracht.

Ein weiteres wichtiges Kriterium: Grundbedürfnisse können von den Patienten selbstständig oder mit Hilfe erledigt werden; Pflegeleistungen durch Angehörige sollen jedoch nicht erforderlich sein.

Leistungen und Kosten

Das Hospital at Home-Team sichert die medizinische Betreuung daheim ab. Täglich erfolgen Besuche durch Ärzte und Pflegepersonal. Zu den Leistungen gehören im Bedarfsfall neben EKG, Ultraschall und Blutentnahme auch die Überwachung von Vitalwerten und medikamentöse Therapien. Eine Patienten-Hotline ist rund um die Uhr besetzt. In einem medizinischen Notfall kommt eine Verlegung ins Krankenhaus in Betracht.

Die Behandlung gilt als ärztlich verordnete ambulante Leistung und wird von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen. Es gelten jedoch der vereinbarte Selbstbehalt und Franchisebetrag – ein Fixbetrag, der pro Jahr an Behandlungskosten gezahlt werden muss, wie es in der Schweiz üblich ist.

Seit Jahrzehnten erprobt

Neu ist das Versorgungskonzept „hospital at home“ nicht. In Frankreich entstanden bereits Ende der 1950-er Jahre erste sogenannte „hospitalisation à domicile“-Modelle zur Betreuung beatmungspflichtiger Patienten in ihrem häuslichen Umfeld. 30 Jahre später wurden ähnliche Modelle vor allem im amerikanischen Raum entwickelt.

Auch Forscher der Johns Hopkins Schools of Medicine and Public Health widmeten sich der Thematik. Eine von Dr. John Burton geleitete Pilotstudie mit 17 Patienten in den Jahren 1996 bis 1998 zeigte, dass das Konzept von „hospital at home“ nicht nur umsetzbar, sondern auch kostengünstig war. Die Kosten lagen bei 60 Prozent der Behandlungskosten im Akutkrankenhaus.

Heute wird es in mehr als 35 Ländern praktiziert und gewinnt auch in der Schweiz zunehmend an Beachtung, heißt es auf der Website der Schweizer AG.

Auch in Deutschland gibt es einen solchen Ansatz. Die GHD GesundHeits GmbH ist Deutschlands größter Anbieter für medizinische Komplettversorgung im häuslichen Raum. Das Unternehmen beschäftigt bundesweit rund 2.700 Mitarbeiter.

„Die Medizin wird ambulanter und viele Therapien werden zukünftig stärker in den Homecare-Bereich wandern“, erklärte Geschäftsführer Prof. Christian Schmidt bereits Ende 2022. Diese Entwicklung sei bereits in den USA zu sehen. Dort würde der größte Teil aller Ausgaben im Gesundheitssystem für chronisch kranke Patienten aufgewendet werden, die einen signifikanten Teil aller Todesfälle in den USA ausmachen.

„Eine ähnliche Entwicklung ist auch für Deutschland zu erwarten“, so Schmidt. Das Problem könne nur in einer engen Zusammenarbeit von Kliniken und Homecare gelöst werden, da die Therapien in den meisten Fällen ambulant oder zu Hause erfolgen und einer intensiven Nachbetreuung der Patienten bedürfen.



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