Nach Ansage von Rechtschreibrat: Genderverbot für Lehrer?

In Deutschland nimmt die Debatte um geschlechtersensible Sprache weiter an Fahrt auf. In einigen Bundesländern wurden bereits Genderverbote an Schulen, Universitäten und Behörden eingeführt. Besonders Bayern und Hessen sind hierbei ins Rampenlicht gerückt. Drohen jetzt Strafen fürs Gendern?
Gendern - das geht mit Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt. (Symbolfoto)
Schulschluss für Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt? (Symbolbild).Foto: Uli Deck/dpa
Von 2. August 2024

Der Rechtschreibrat hatte Anfang Juli Wortbinnenzeichen wie Sternchen, Doppelpunkten und Unterstrichen eine offizielle Abfuhr erteilt. Laut der aktualisierten Ausgabe des „Amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung“ gehören gegenderte Worte nach offizieller Lesart nicht zur deutschen Amtssprache. Epoch Times berichtete.

Das widerspricht der Praxis einiger Schulen, Bildungseinrichtungen und auch Universitäten. Inzwischen schreiben viele Unis sogar ihren Studenten das Gendern vor. Auch Behörden verschicken gegenderte Schreiben oder der öffentlich-rechtliche Rundfunk bedient seine Gebührenzahler oftmals in Gendersprache.

Wie sieht es nun aus nach dem neuen Richtwerk des Rechtschreibrats? Hat es sich jetzt ausgegendert in Behördenbriefen, Hörsälen und Klassenzimmern?

Dienstrechtliche Konsequenzen angekündigt

Als Reaktion auf die Ansage vom Rechtschreibrat hätten bereits Bayern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein das Gendern als Reaktion per Erlass verboten, wie „Bild“ zuerst berichtete. Das bedeutet, dass für Lehrer, die sich nicht daran halten und weiterhin Sonderzeichen wie Gendersternchen und Unterstriche nutzen, dienstrechtliche Konsequenzen drohen. Laut „Bild“ können diese von einer Rüge über Geldbußen bis zur Entlassung reichen.

In Sachsen machte der Bildungsminister Christian Piwarz (CDU) laut „Bild“ klar, dass auch das gesprochene Gendern, also etwa die abgehackte Pause vor dem Innen wie bei Schüler – Pause – Innen, das Verbot betreffe. Bayern und Hessen gingen in ihren Verboten sogar noch weiter. Dort sei es bereits verboten, in schriftlichen Dokumenten, auf der Schulwebsite oder auf Arbeitsblättern zu gendern.

Bayern als Vorreiter

Bayern hat als eines der ersten Bundesländer ein umfassendes Verbot der Gendersprache in Schulen, Hochschulen und Behörden eingeführt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte bereits im Frühjahr angekündigt: „Für Bayern steht fest: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Wir werden das Gendern in Schulen und Verwaltungen sogar untersagen.“

Am 1. April 2024 trat das Verbot in Kraft. In der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern heißt es seitdem: „Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkt sind unzulässig.“

Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) plant eine Ausweitung der Genderverbote auch auf Schulbücher und Unterrichtsmaterialien, die in bayerischen Schulen zum Einsatz kommen. Die Regelung soll nur Neudrucke betreffen.

Das bayerische Verbot untersagt ausdrücklich die Verwendung der Genderzeichen in allen offiziellen Schriftstücken und im dienstlichen Schriftverkehr. Staatskanzleichef Florian Herrmann betonte, dass die Sprache klar und verständlich bleiben müsse. Eine ideologisch geprägte Sprache habe eine exkludierende Wirkung.

Dass das Sternchen schließlich auch ausgrenzend verstanden werden kann, befand der Präsident des Lehrerverbandes, Stefan Düll, und begrüßte das Verbot. „Missverständliche Formulierungen sind daher grundsätzlich zu vermeiden. Es geht um respektvolle Formulierungen, die damit auch gendersensibel sind, ohne es als solche zu markieren.“

Welche Konsequenzen denjenigen drohen, die sich über das Verbot hinwegsetzen, ist nach Angaben des bayerischen Innenministeriums eine Einzelfallentscheidung.

„Ob überhaupt beziehungsweise wann dabei die Schwelle eines disziplinarrechtlich relevanten Fehlverhaltens im Sinne einer Dienstpflichtverletzung im konkreten Einzelfall überschritten wird, wird insbesondere mit Blick auf die Häufigkeit, das Ausmaß und den jeweiligen Kontext zu beurteilen sein“, so eine Ministeriumssprecherin in der „Ostthüringer Zeitung“.

Hessen: Genderverbot in Verwaltung

Auch die schwarz-rote Regierung in Hessen hat ein Genderverbot erlassen. Es betrifft allerdings nur einen Teilbereich der Hochschulaufgaben. Dies geht aus einer Dienstanweisung des Wissenschaftsministeriums hervor, berichtet die „Frankfurter Rundschau“. Demnach bezieht sich das Genderverbot nicht auf die Bereiche Lehre und Forschung, sondern lediglich auf die Verwaltung der Hochschulen. So sollen Gebührenbescheide oder amtliche Schreiben, wie sie zur Vergabe von Studienplätzen erstellt werden, jetzt frei von Genderzeichen sein.

In Hessen beruft man sich ebenfalls auf die Aktualisierung vom Rat für deutsche Rechtschreibung. Die hessische Landesregierung sieht im Verbot auch keine Gängelung, sondern eine notwendige Maßnahme zur Wahrung der sprachlichen Einheitlichkeit und Verständlichkeit. „Zu einer bürgernahen Verwaltung gehört auch eine einheitliche und verständliche Sprache“, so die Staatskanzlei in Wiesbaden gegenüber dem „Hessischen Rundfunk“.

Einen endgültigen Beschluss über die konkreten Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen gegen ein solches Verbot gibt es in Hessen aktuell bislang nicht.

Thüringen und Schleswig-Holstein

In Thüringen scheiterte erst kürzlich ein Vorstoß der CDU, ein Genderverbot für Schulen und Behörden einzuführen. Die Initiative fand keine Mehrheit im Landtag, insbesondere weil die SPD und die Grünen sich entschieden dagegenstellten.

Schleswig-Holstein hat bereits seit 2021 ein Verbot der Verwendung von Gendersonderzeichen an Schulen. Im Gegensatz zu Bayern gibt es hier jedoch keine so klaren Vorschriften für Hochschulen. Das Bildungsministerium unter Karin Prien hat diese Regelung erlassen. An der Universität Kiel gab es kritische Stimmen, die diese Verordnungen als gegen die geschlechtliche Vielfalt gerichtet sehen.

Zankapfel Gendern: Debatte nimmt Fahrt auf

Die jüngsten Maßnahmen in Bayern und Hessen haben eine breite öffentliche Debatte ausgelöst. Kritiker der Gendersprache argumentieren, dass geschlechtersensible Sprache eine exkludierende Wirkung habe und den Lesefluss störe. Sie fordern eine klare und verständliche Sprache ohne ideologische Prägung.

Befürworter des Genderns sehen in den zunehmenden Genderverboten einen Rückschritt in der Gleichberechtigung und eine Bevormundung der individuellen Sprachwahl. Ebenso richte sich das Genderverbot gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Geschlechtersensible Sprache sei wichtig, um die Vielfalt der Geschlechter abzubilden und Diskriminierung zu vermeiden.

In Hessen hat sich die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegen das vom Kultusministerium angekündigte Genderverbot ausgesprochen. Es drohten erhebliche schulpraktische und rechtliche Probleme, es sei nicht fair und auch juristisch angreifbar. In Bayern bezog der Lehrerverband (BLLV) gegen das Genderverbot Stellung. Es sei eine Einschränkung, die die gesellschaftliche Entwicklung hin zur Diversität nicht aufhalten werde, so Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV. Solche Verbote glichen einer „Rolle rückwärts“.

Ferda Ataman: „Rückschritt ins letzte Jahrhundert“

Vor einem staatlichen Verbot inklusiver und geschlechtsgerechter Sprache warnt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) vor einem staatlichen Verbot inklusiver und geschlechtsgerechter Sprache. Ferda Ataman, Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, dazu in einer Mitteilung:

„Menschen zu verbieten, inklusive Sprache zu verwenden, ist ein Rückschritt ins letzte Jahrhundert.“ Einen angeblichen Genderzwang, gegen den sich Verbote auf Länderebene richteten, gebe es nicht, so Ataman. Das sogenannte Genderverbot diene einem Kulturkampf auf dem Rücken von Minderheiten.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat dazu bereits ein Kurzgutachten beauftragt und vorgelegt. Laut diesem bestehe unter anderem die Gefahr, das Geschlechtsdiskriminierungsverbot sowie allgemeine Persönlichkeitsrechte durch Verbote gendergerechter Sprache zu verletzen. Zudem greife ein Verbot an Hochschulen in die Wissenschaftsfreiheit ein. An Schulen könne ein Verbot Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler in ihrer Meinungsfreiheit sowie in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit verletzen.

Wörtlich heißt es in dem Gutachten:

„Geschlechtliche Vielfalt abzubilden und Selbstbezeichnungen der Schüler*innen zu respektieren, sind wichtige Bestandteile von Demokratie- und Menschenrechtsbildung an Schulen.“ Das gelte auch für den Schulbetrieb: „Wenn Lehrkräfte oder Schüler*innen in der Einzelansprache mit dem falschen Geschlecht angesprochen werden, wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt. Insbesondere hier ist unbedingt auf eine gendersensible Kommunikation zu achten.“

Das letzte Wort in richtigem Deutsch

Dem entgegen steht der Rat für deutsche Rechtschreibung mit seiner Haltung zur Genderdebatte. Auch wenn sich Sprache stetig verändere, bleiben Zeichen in Wörtern wie ein Sternchen, ein Unterstrich oder der Doppelpunkt amtlich falsch. „Diese Wortbinnenzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie“, erklärte das Gremium, dessen Regelwerk für Schulen und Ämter verbindlich ist.



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