Missbrauchsskandale erschüttern katholische Kirche in vielen Ländern
Die katholische Kirche wird seit Jahrzehnten von Missbrauchsskandalen erschüttert. Die versprochene Aufarbeitung schlägt in vielen Ländern hohe Wellen.
DEUTSCHLAND
Der Missbrauchsskandal in Deutschland hatte im Januar 2010 mit einem Brief des Jesuitenpaters und damaligen Schulleiters des Canisius-Kollegs in Berlin, Klaus Mertes, seinen Anfang genommen. Darin bat Mertes die Schüler, ihr Schweigen über Missbrauchsfälle an der Schule in den 70er und 80er Jahren zu brechen. In den darauf folgenden Monaten wurden zahlreiche Missbrauchsfälle in kirchlichen, aber auch weltlichen Einrichtungen wie der Odenwaldschule bekannt.
Im vergangenen September legte die Bischofskonferenz eine von ihr in Auftrag gegebene Studie zum Ausmaß sexuellen Missbrauchs durch Geistliche vor. Die Forscher fanden in kirchlichen Personalakten und anderen Dokumenten Hinweise auf 1670 verdächtige Kleriker und 3677 potenzielle Opfer zwischen 1946 und 2014.
USA
Zwischen 1950 und 2013 gab es in der katholischen Kirche der USA 17.000 Beschwerden wegen sexueller Gewalt. Die Vorwürfe reichten zurück in die Zeit von 1950 bis 1980 und richteten sich gegen rund 6400 Geistliche. Experten bezifferten im Jahr 2012 die Zahl der minderjährigen Opfer auf schätzungsweise 100.000.
Allein im Bundesstaat Pennsylvania missbrauchten mehr als 300 katholische Priester über Jahrzehnte hinweg mehr als tausend Kinder, wie ein im August veröffentlichter Bericht eines Geschworenengerichts ans Licht brachte. Die Täter hätten Alkohol und Pornografie eingesetzt, Kinder seien begrapscht oder vergewaltigt worden, hieß es darin.
Die Bischofskonferenz in den USA kündigte im September die Einrichtung einer Melde-Hotline für Missbrauchsopfer an. Zudem wurde ein neuer Verhaltenskodex für Bischöfe zum Thema sexueller Missbrauch erarbeitet. Die Abstimmung über die neuen Maßnahmen wurde auf Geheiß des Vatikans aber auf die Zeit nach dem Krisengipfel im Vatikan verschoben.
Wenige Tage vor der Konferenz entließ der Papst den wegen sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochenen US-Kardinal Theodore McCarrick aus dem Klerikerstand.
CHILE
Die Aufarbeitung von Missbrauchsvorwürfen sorgt in der katholischen Kirche in Chile seit Monaten für Aufruhr. Etwa 150 Ermittlungsverfahren gegen katholische Geistliche und andere Kirchenvertreter wurden eingeleitet.
Papst Franziskus zog Kritik auf sich, als er während seiner Chile-Reise Anfang 2018 dem umstrittenen Bischof Juan Barros Rückendeckung gab. Barros soll in den 1980er und 1990er Jahren einen pädophilen Priester gedeckt haben. Inzwischen trat Barros von seinem Kirchenamt zurück – genau wie zahlreiche weitere chilenische Bischöfe.
Die Bischofskonferenz des Landes bat die Opfer im August um Verzeihung. Sie kündigte an, ab sofort in Missbrauchsfällen eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten und die Ermittlungen öffentlich zu machen.
AUSTRALIEN
Auch die katholische Kirche in Australien wurde in den vergangenen Jahren von Enthüllungen über sexuellen Kindesmissbrauch und dessen systematische Verschleierung erschüttert. Auf massiven öffentlichen Druck hin wurde 2012 eine nationale Untersuchungskommission eingerichtet. Mehr als 15.000 Opfer wandten sich an das Gremium.
Eine Forderung des Ende 2017 vorgelegten Untersuchungsberichts zielte auf eine Lockerung des Beichtgeheimnisses ab: Priester, denen Missbrauch gebeichtet werde, sollten künftig von ihrem Schweigegelübde befreit werden.
Die Bischofskonferenz des Landes bezeichnete dies jedoch im vergangenen August als „nicht verhandelbar“. Die Kirchenführung gelobte jedoch, dass sich die „schändliche“ Geschichte des Kindesmissbrauchs nicht mehr wiederholen dürfe.
FRANKREICH
Der ranghöchste katholische Geistliche, der sich im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen in Frankreich vor Gericht verantworten muss, ist Kardinal Philippe Barbarin. Ihm wird vorgeworfen, in den 1980er Jahren sexuelle Übergriffe eines Priesters gegen Minderjährige gedeckt zu haben. Der Priester soll rund 70 Pfadfinder missbraucht haben – wurde aber erst Ende August 2015 seines Amtes enthoben. Das Urteil im Prozess gegen Barbarin soll Anfang März fallen.
In der vergangenen Woche wurden außerdem Vorwürfe gegen einen Gesandten des Vatikans in Frankreich laut. Der 74-jährige Luigi Ventura soll beim Neujahrsempfang im Pariser Rathaus einen jungen Mitarbeiter der Stadt wiederholt unsittlich berührt haben.
IRLAND
In Irland gibt es seit Jahrzehnten Vorwürfe des Kindesmissbrauchs in katholischen Einrichtungen. Die Zahl der minderjährigen Opfer wird auf rund 14.500 geschätzt. Mehrere Bischöfe und Priester wurden wegen sexueller Gewalt oder wegen Vertuschung solcher Taten bereits bestraft. Die Missbrauchsaffären bescherten der einstmals mächtigen katholischen Kirche in Irland einen dramatischen Vertrauensverlust.
SEXUELLE GEWALT GEGEN NONNEN
Die Missbrauchsdebatte weitete sich zuletzt auf die sexuelle Gewalt in Ordensgemeinschaften aus. Der Papst räumte Anfang Februar erstmals den Missbrauch von Nonnen durch Kleriker ein. Mehrere Geistliche seien wegen der Übergriffe suspendiert und einige besonders betroffene Frauenkongregationen aufgelöst worden, sagte Franziskus. In einem Fall war es nach Angaben des Papstes zur „sexuellen Versklavung durch Priester und den Gründer“ gekommen. (afp)
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