Messerkriminalität in NRW: Zahl der Angriffe an Schulen steigt um über 50 Prozent

Die Zahl der Straftaten unter Zuhilfenahme von Messern ist in Nordrhein-Westfalen auch an Schulen stark gestiegen. Der Anstieg der Fälle habe im Vorjahr mehr als 50 Prozent betragen. Auch im Umfeld von Schulsportveranstaltungen und Klassenfahrten nahm deren Zahl zu.
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Insgesamt lag die Zahl der Messerangriffe in NRW 2023 bei 6.221. Symbolbild.Foto: Анатолий Тушенцов/iStock
Von 12. Oktober 2024

Im Bundesland Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Straftaten unter Zuhilfenahme von Messern deutlich angestiegen. Dies hat der WDR unter Berufung auf Zahlen berichtet, die ihm aus dem Innenministerium zugespielt wurden. Dem öffentlich-rechtlichen Sender zufolge stieg die Zahl der Gewalttaten oder Bedrohungen mit einem Messer als Tatwaffe in NRW um mehr als 50 Prozent.

Messerkriminalität in NRW auch insgesamt auf dem Vormarsch

Noch im Jahr 2022 seien im bevölkerungsreichsten Bundesland 193 Fälle dieser Art erfasst worden. Im Vorjahr stieg die Zahl demgegenüber auf 293. Innenminister Herbert Reul hält die Zahl für alarmierend.

Seine Behörde dokumentiert auch Straftaten jenseits des Schulgeländes, solange ein Bezug zur Schule vorliegt – etwa bei Klassenfahrten oder beim Schulsport. Dort sei die Zahl der Fälle von 99 Straftaten 2022 auf 217 im vergangenen Jahr angestiegen. Vor Corona waren es im Jahr 2019 182 Vorfälle dieser Art gewesen.

Bereits im August hatte der Minister ein „Lagebild“ zur Messerkriminalität in dem Bundesland insgesamt vorgestellt. Dieses wies einen Anstieg der Fälle von Messerattacken in der Öffentlichkeit um 1.057 oder 42,6 Prozent auf 3.536 aus. Dies war ein noch höherer Wert als im Vor-Corona-Jahr 2019 – damals gab es in NRW 3.420 Straftaten, bei deren Begehung ein Messer verwendet wurde.

„Männlichkeitsgehabe“ und kriminelle Freundeskreise als Risikofaktoren

Insgesamt lag die Zahl der Messerangriffe in NRW 2023 bei 6.221. Darin sind auch Vorfälle im privaten Bereich eingerechnet. Die Zahl habe auch in den Corona-Jahren stabil über 4.000 gelegen. An Schulen oder im Umfeld schulbezogener Veranstaltungen fanden 2023 entsprechend 8,1 Prozent der Messerstraftaten in NRW statt.

Die meisten Straftaten mit Messern ereigneten sich abends oder nachts, meist im Freien, aber auch in Bussen und Bahnen. Dabei gab es 15 Todesopfer, 288 schwer und 1.355 leicht Verletzte. Reul sprach von „scheinbar belanglosen Anlässen“, die häufig zu Messerattacken führten. Vor allem in „Party-Hotspots“ seien solche Tendenzen zu beobachten.

In 93 Prozent der Fälle waren die ermittelten Täter und in 82 Prozent die Opfer männlich. Knapp die Hälfte der Tatverdächtigen war unter 21 Jahre alt, 45 Prozent waren nichtdeutsche Staatsangehörige. Unter diesen waren syrische Staatsangehörige mit 23 Prozent am häufigsten vertreten – vor türkischen, irakischen und rumänischen. Reul nannte „Männlichkeitsgehabe“, kriminelle Freundeskreise, falsche Erziehung oder den Wunsch, sich selbst zu schützen als Gründe für das Mitführen von Messern.

Mitführen von Waffen an Schulen in NRW verboten

Gegenüber dem WDR äußerte sich Andreas Tempel, Landesvorsitzender der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule NRW, zu dem Thema. Der Schulleiter aus Solingen gab dabei an, er habe „immer wieder mit Meldungen über Messer zu tun“. Dabei sei im Regelfall „nicht gedroht“ worden, äußert Tempel gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender. Schüler hätten diese nur gezeigt. Der Hintergrund sei, dass „Personen, die ein Messer mitbringen, sich auf dem Schulweg unsicher fühlen“. Tatsächliche Bedrohung oder Gewaltausübung habe es in seinem Verantwortungsbereich noch nicht gegeben.

Es sei die „allgemeine Stimmung“, dass Schulwege als gefährlicher wahrgenommen würden, so der Gesamtschulleiter. Dass diese tatsächlich so viel gefährlicher geworden seien, lasse sich nicht zwingend bestätigen. Erziehungsberechtigte, so ergebe sich aus Gesprächen, wüssten zum Teil nichts über Messer im Besitz ihrer Kinder. Einige rechtfertigten dies jedoch auch bewusst damit, dass „ihr Kind sich sicher fühlen“ sollte.

Eingangskontrollen lehnt Tempel – wie auch Minister Reul ab. Diese hätten zur Folge, dass an einen Unterrichtsbeginn vor 9 Uhr faktisch nicht zu denken wäre. Einige Schulen, so sei ihm bekannt, diskutierten aber bereits den Einsatz von Wachmännern, die mit Scannern ausgestattet sein sollen. An Schulen in NRW ist das Mitführen von Waffen grundsätzlich verboten.

„Zustände wie in den USA“ zu befürchten

Der Gesamtschulleiter hält es für „keine Gesetzmäßigkeit“, dass junge Menschen immer weniger fähig wären, Konflikte gewaltfrei zu klären. Allerdings sei es derzeit zu beobachten, und das zeige sich vor allem an den Jahrgängen, die von den Schulschließungen der Corona-Zeit betroffen gewesen seien. Tempel dazu:

Das sind die Jahrgänge, die soziales Lernen nicht so sehr praktiziert haben wie in der Vergangenheit.“

Das Phänomen zeige sich auch bei den Leistungen. Es sei aber auch zu beobachten, dass Erwachsene zunehmend die Haltung an den Tag legten, es sei erforderlich, sich für den Aufenthalt in der Öffentlichkeit zu bewaffnen. Damit seien Eskalationen vorprogrammiert. Am Ende seien Verhältnisse wie in den USA zu befürchten.



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