Weihnachten feiern in einer besonderen Art

Bitte redet, dichtet, erzählt Geschichten, tragt Fundstücke aus der Literatur vor, singt, tanzt, blast in alle möglichen Instrumente, spielt Klavier, oder was Euch sonst noch einfällt…
Titelbild
Engel fliegen tief um diese Jahreszeit – mal daran gedacht, zu Weihnachten Texte zu verschenken?Foto: Johannes Simon/Getty Images
Von 17. Dezember 2017

An Weihnachten beleben wir in meiner Familie gern eine Idee, die vor Jahren entstand, als es einmal einen besonderen Geburtstag zu feiern gab. Ich wollte damals viele verschiedene Gäste aus meinem privaten und beruflichen Umfeld gemeinsam einladen. Alt und Jung, Stadt und Land und viele darunter, die einander nicht kannten.

Da sechs Wochen zuvor mein Mann gestorben war, wollte ich meiner Familie und meinen Freunden signalisieren, dass ich trotz des tiefen Schmerzes und der Trauer gewillt war, den Blick mit ihnen gemeinsam nach vorn zu richten. Also verfasste ich eine entsprechende Einladung.

„In diesem Jahr ist mir nach Feiern in einer besonderen Art zumute und nach einer gemeinsamen Freude an den Geschenken. Bitte stürzt Euch nicht in materielle Unkosten, bringt auch keinen Kuchen mit, sondern: redet, dichtet, erzählt Geschichten, tragt Fundstücke aus der Literatur vor, singt, tanzt, blast in alle möglichen Instrumente, spielt Klavier, oder was Euch sonst noch einfällt… Danach gibt es etwas für’s leibliche Wohl und Schluss ist, wenn es langweilig wird.“

Dieser Aufforderung konnte niemand widerstehen und alle wussten, dass wir nicht gemeinsam traurig und beklommen herumsitzen würden. So füllte sich das Haus an dem besagten Geburtstag mit vielen Gästen. Der begnadete Trompeter aus meiner Nachbarschaft eröffnete das Fest noch vor der Haustür mit dem Choral: Lobe den Herren. Er „sang“ auf seiner Trompete blasend – drei Strophen. Wer den Text kannte, konnte ihn innerlich sprechen hören und wieder erkennen.

Einige waren etwas aufgeregt, im großen Kreis ihr „Geschenk“ auch vorzutragen, aber als allmählich Schwung in die Sache kam, war jeder eher begierig, doch auch in die private Schatzkiste zu greifen.

Der Griff in die Schatzkisten

Und wie der Griff in eine Schatzkiste fühlte sich die Begegnung schließlich auch an, hatten doch alle eine individuelle Wahl getroffen. Das begann mit dem Gedicht von 1944 von dem verehrten Dietrich Bonhoeffer, das mit dem folgenden Vers endet:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Es ging zwanglos weiter mit den selbstverfassten Versen eines 10-Jährigen: „Nun sitze ich hier mit Verdruss / und muss tun, was ein Junge tuen muss. Ich schreibe für dich ein Gedicht, aber wie das endet, weiß ich jetzt noch nicht.“

Italo Calvino wurde ebenso vorgelesen wie ein Gedicht von meinem geliebten Ringelnatz. Herrmann Hesse kam zu Wort ebenso wie Wilhelm Busch, und etwas frech ließ der sagen: „Dumme Gedanken hat jeder – nur der Weise verschweigt sie.“

Ein besonderes Geschenk.Ein besonderes Geschenk.  Foto: Justin Sullivan/Getty Images

Selbstverfasste Reden beleuchteten bewegende Reminiszenzen an vergangene Zeiten und endeten mit ermutigenden Sprüchen für die Zukunft, wie mit dem von Groucho Marx aus den Zeiten, als die Bilder laufen lernten:

„Es ist ein guter Gedanke, das Leben nicht zu leben, nur um anderen zu gefallen.

Man gefällt sich selbst nicht und am Ende gefällt man niemandem mehr.

Aber wenn man sich selbst gefällt, gefällt man vielleicht noch jemand anderem.“

Was mich besonders bewegte, war die Entdeckung, dass in diesen Textpassagen sich Freunde und Familienmitglieder von Seiten zeigten, die sonst nicht für jedermann sichtbar waren.

Humorvoll oder tiefsinnig, treffsicher oder ironisch, zärtlich und liebevoll leuchteten sie auf. Auch im Anschluss an den fast offiziellen Teil wurden die Gespräche intensiv und persönlich, heiter und lebendig. Viele hatten tagelang ihre Bücherschränke durchforstet, keine Zeit mehr zum Fernsehen gefunden und fühlten sich selbst auch reich beschenkt.

Eine Mappe bewahrt seitdem nicht nur die Texte dieses Tages auf, sondern auch noch die vieler weiterer Begegnungen. Wir haben Freude daran gefunden, unsere Feste in dieser Weise miteinander zu feiern, Kulinarisches kommt nicht zu kurz, aber die geistige Nahrung und die Begegnung der Herzen machen aus Weihnachten wirklich jedes Jahr wieder geweihte Nächte.



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