Verleiht Selbstvertrauen: Die edwardische „Rüstung“ eines Mannes aus Neuengland
Philip Southworth-Kreyche blätterte durch die Seiten seines antiquarischen Versandkatalogs des US-amerikanischen Kaufhauses Sears, Roebuck & Co. aus dem Jahr 1917. Den sehr langen einknöpfigen edwardischen Frack, den er dort entdeckt hatte, zieht heute kaum noch jemand an. Doch er träumte davon, einen solchen an seinem Hochzeitstag zu tragen.
Für den wichtigsten Tag seines Lebens wollte der 36-Jährige ihn von Hand zusammennähen; dazu einen Zylinder, eine graue Weste und eine gestreifte Krawatte im Stil der frühen 1900er-Jahre – und voilà! – schon hatte er die edwardische Silhouette seiner Träume.
Die Kleidung und die Psyche
Philip Southworth-Kreyche ist ein Geschichtsliebhaber. Geboren wurde er in Kalifornien, in Texas ging er zur Schule und heute lebt er im Nordosten der USA, im Gebiet von Neuengland. Für ihn sind edwardische Kleidungsstücke jedoch nicht nur etwas für besondere Anlässe.
Er erinnert sich daran, wie er kürzlich in voller Ausstattung die Straße entlangging, was angesichts der heutigen oft allzu legeren Kleidungsstile seltsam anmuten mag. Aber Southworth-Kreyche hat seine Gründe. Denn Kleidung, so sagt er, beeinflusse die Psyche ihres Trägers.
„Diese Art von Kleidung zu tragen, hat eine gewisse Wirkung, die den Gemütszustand verändert“, erklärt er gegenüber Epoch Times. „Es verleiht mir Ruhe und Gelassenheit und gibt mir ein Gefühl von Ordnung und Aufgeräumtheit. Obendrein verleiht es eine aufrechtere Haltung.“
Bei diesen Worten strahlt seine Stimme Selbstbewusstsein aus.
Die steife Beschaffenheit der edwardischen Kleidung hält einen buchstäblich aufrecht, gibt eine physische Unterstützung, die sich emotional widerspiegelt.
In einem schweren dreiteiligen Anzug und einem Zylinder „fühlt man sich fast wie in einer Rüstung“, meint Southworth-Kreyche. „Das gibt jedem, der [sie] trägt, ausreichend Selbstvertrauen, sich allem zu stellen, was auf ihn zukommt.“
Qualität vom Feinsten
Edwardische Couture ist das, was unsere Urgroßväter oder sogar Ururgroßväter zu Beginn des 20. Jahrhunderts trugen. Irgendwie sieht sie der heutigen Kleidung auffallend ähnlich. Kreyche sagt: „Sie ist der Ursprung der meisten modernen Herrenbekleidungen“ – und praktisch alles, was wir heutzutage tragen, lasse sich stilistisch auf die edwardische Zeit zurückführen.
Moderne Kleidung sei im Vergleich dazu eine blasse Imitation.
Die edwardische Zeit sei das einzig Wahre, meint Philip Southworth-Kreyche. Die damalige Kleidung sei reichhaltig und vielfältig gewesen.
Dabei hebt er die Dicke und Wärme des Stoffes und die praktischen Knopffalten hervor, die tatsächlich vor dem eisigen Küstenwind zu schützen vermochten. „Es ist diese Art Stoff, die sowohl plüschig und weich als auch stark und atmungsaktiv ist – obwohl der Stoff dick ist“, sagt er.
Er zeigt auf einen violettfarbenen Faden, der sich durch das Gewebe zieht – ein solches Detail sei heute kaum noch zu finden. Die einst unerschöpfliche Farbenvielfalt sei trostloser Schlichtheit gewichen.
In alten Zeiten gab es Anzüge für die Arbeit, für die Freizeit und für alles dazwischen. „Selbst wenn man sich leger kleidete, war man immer noch ein wenig herausgeputzt“, sagte Southworth-Kreyche. „Wenn Männer aufs Land gingen, um zu schießen, zu reiten oder Tennis zu spielen, trugen sie trotzdem Anzug und Krawatte.“ Die Gesellschaft wollte „immer gut aussehen“, fügt er hinzu.
Vom Fable zum Business
Southworth-Kreyche begann, diese edlen, alten Kleidungsstücke in seine Garderobe zu integrieren, als er in Los Angeles Filme drehte. Zunächst experimentierte er mit historischen Kostümen aus den 1920er-Jahren und übernahm den „Peaky Blinders“-Look mit der klassischen Schiebermütze.
Eine talentierte Schneiderin half ihm, seine Modevorstellungen zu verwirklichen. Sie passte ihm Vintage-Krawatten und Kleidung aus der Viktorianischen Ära und der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs an. Daraus entwickelte sich ein lukratives Geschäft. Bald brachte sich Southworth-Kreyche das Schneidern selbst bei und bot seine historischen Kreationen einem begeisterten Onlinemarkt an.
„Es war sehr erfolgreich“, erzählt er. „Die Leute bekamen alle möglichen Vergünstigungen. Einige erhielten kostenfrei Anzüge, andere bekamen Krawatten geschenkt.“
Immer mehr Menschen wurden auf das neue Talent an der Nähmaschine aufmerksam und nahmen ihn in ihre Gemeinschaft von Liebhabern historischer Kleidung auf.
Nach und nach fand edwardische Kleidung Einzug in Southworth-Kreyches Kleiderschrank und in seinen Alltag. Er begann, eine historische Krawatte zu einem normalen Anzug zu kombinieren, mischte Hüte im historischen Stil dazu und legte schließlich steifen Kragen und Fliege an.
„Heute tragen die Leute Baseballkappen und Jeans, wenn sie Milch im Laden um die Ecke kaufen. In edwardischer Zeit trugen sie Strohhüte – diese flachen, runden – und leichte Sommeranzüge. Ein einfacher Blazer reicht heute fürs Theater. Damals trug man weiße Frack-Ensembles mit Umhängen. Und ein Monokel dazu? Dann war man wirklich stilvoll.“
„Das Prunkstück meiner Sammlung ist ein originaler dreiteiliger schwarzer Anzug von 1900“, sagte Southworth-Kreyche. „Das ist momentan mein Meisterstück.“
Er besitzt auch Panamahüte und Fedora-Hüte wie den, welchen Dick Tracy trug.
Southworth-Kreyches Unternehmen, Southworth Tailoring, verkauft die Kleidungsstücke, die er von Hand fertigt. Alte Sears-Roebuck-Kataloge erweisen sich dabei als nützlich. Anhand dieser Vorlagen stellt er verschiedene Varianten einzelner Kleidungsstücke zusammen und kreiert so den idealen Mode-Mix. Hin und wieder wurde eine Krawatte aus der Zeit um 1900 durch eine von heute ersetzt.
„Viele grundlegende Techniken von vor 100 Jahren haben sich nicht geändert“, sagt er. Die feinen Details? Das sei eine andere Geschichte. „Es gibt da eine Art Fleur-de-Lis-Muster. Es ist wunderschön“, schwärmt er und zeigt auf die Stickerei seiner edwardischen Westentasche.
Die Wiederentdeckung der Freude am guten Stil
Southworth-Kreyche erinnerte sich an den Tag seiner Hochzeit im Oktober 2019. Er schritt in einem Frack für den Vormittag, den er selbst handgefertigt hatte, an der Seite seiner jetzigen Frau Courtney zum Altar. „Es war in einer sehr kleinen Kapelle in den Wäldern von New Hampshire, nahe der Küste“, erzählt er. „Die Kapelle wurde 1903 erbaut.“
Genau passend für die Epoche.
Eine altmodische Kirchenglocke läutete.
„Meine Frau trug das Hochzeitskleid ihrer Mutter“, erinnert er sich.
Southworth-Kreyches private edwardische Renaissance scheint nicht mehr so privat zu sein. Die Welt beginne, die Gleichgültigkeit in der Bekleidung abzulehnen, sagt er, und entdecke neu, wie Kleidung den Geist des Trägers verändern könne.
„Wenn man einen Hoodie und Jogginghosen trägt, fühlt man sich psychisch so, als würde man immer noch im Bett liegen“, sagt er. „Es kann Spaß machen, sich schick zu machen. Es kann Spaß machen, Regeln einzuhalten.“
Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „New England Man Dons Edwardian Attire Like ‘A Suit of Armor’ That Gives ‘Supreme Confidence’“. (Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung sm)
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