Rendezvous an der Grenze mit Punsch und Keksen
Liebe und Freundschaft kennen keine Grenzen und keine Altersbeschränkung. Auch im Alter von 89 und 85 Jahren wollen sich Karsten Tüchsen Hansen und Inga Rasmussen täglich sehen.
Das Problem: Hansen wohnt in Süderlügum in Nordfriesland, Rasmussen im dänischen Gallehus. Und die Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark ist seit zwei Wochen wegen der rasanten Ausbreitung des neuartigen Coronavirus weitgehend geschlossen. Doch nur telefonieren ist für die Senioren zu wenig. Also treffen sie sich seitdem täglich am gesperrten Grenzübergang Aventoft.
Der 89-jährige Hansen fährt mit seinem E-Bike von Süderlügum zu den nachmittäglichen Treffen. Rasmussen kommt mit ihrem Auto an den Grenzübergang, der auf halber Strecke zwischen den Wohnorten der beiden liegt. Direkt an der rot-weißen Absperrung sitzen sie jeder auf seiner Seite der Grenze auf mitgebrachten Stühlen. Rasmussen hat eine Thermoskanne mit Kaffee mit, Hansen eine mit heißem Wasser und eine Flasche „Geele Köm“ – eine in der Region beliebte Spirituosenspezialität. Daraus mischt der Senior Wasserpunsch, wie er es nennt. „Den trinken wir sonst abends zusammen, aber das geht ja jetzt nicht.“ Sie prosten sich mit ihren Bechern zu. „Prost, auf die Liebe“, sagt Hansen.
Manchmal treffen sie sich auch schon mittags. Dann essen sie gemeinsam das Essen, das Rasmussen für sich und ihren Freund gekocht hat. Und bisher hat auch das Wetter bei den Treffen mitgespielt. Den Mindestabstand halten die beiden Senioren bei ihren Treffen ein. Küsse, selbst eine Umarmung oder ein Handschlag gibt es derzeit nicht, wie Hansen sagt.
Vor zwei Jahren trafen sich Hansen und Rasmussen das erste Mal und rein zufällig – und alles ging ganz schnell. Beide sind zum Zeitpunkt des Kennenlernens seit einigen Jahren verwitwet, wie sie berichten. Sie kamen ins Gespräch und Hansen überreichte Rasmussen einen Blumenstrauß, den er eigentlich für eine andere Frau dabei hatte, so erzählt er es. Noch am selben Tag sei sie auf seine Einladung hin mit zu ihm nach Süderlügum gefahren. Er lud sie zu einer Feier am nächsten Tag ein. Sie machte sich schick und kam. „Da war ich noch verliebter“, sagt Hansen. Seitdem, bis zum 13. März dieses Jahres verbringen die beiden jeden Tag zusammen und jede Nacht. „Ich bin sonst immer bei Karsten“, sagt Rasmussen. Sie habe da geschlafen und sei dann zu sich nach Hause gefahren und später wieder zu Karsten.
Am 14. März schließt Dänemark im Zuge der Corona-Krise die Grenze zu Schleswig-Holstein weitgehend. Zwei Tage später zieht Deutschland nach. Seitdem können die beiden Senioren nicht mehr wie gewohnt zusammen sein. „Es ist traurig, aber wir können es nicht ändern“, sagt Rasmussen. Sie telefonierten seitdem viel und sähen sich zumindest bei ihren Treffen. Die Zeit dazwischen sei aber schon lang, wenn man alleine sei, sagt Rasmussen. Die Seniorin hofft, dass sie sich vielleicht nach Ostern wieder besuchen dürfen.
Und auch für die fernere Zukunft haben die Senioren Pläne. Wenn die Beschränkungen wegen Sars-Cov-2 aufgehoben sind, wollen sie gerne wieder verreisen. Zweimal haben sie schon Schiffsreisen auf der Donau beziehungsweise auf Mosel und Rhein unternommen. Gerne wollen sie wieder eine solche Reise unternehmen. Und auch der 90. Geburtstag von Hansen Anfang März 2021 soll gefeiert werden – natürlich gemeinsam. (dpa)
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