Parzinger-Interview zu IS: «Zerstörung von Kulturgut ist Kriegsverbrechen»

Berlin (dpa) - Auf Initiative von Deutschland und dem Irak hat die UN-Vollversammlung die Zerstörung von Kulturgütern durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verurteilt. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger…
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Hermann Parzinger.Foto: Jörg Carstensen/dpa
Epoch Times1. Juni 2015
Auf Initiative von Deutschland und dem Irak hat die UN-Vollversammlung die Zerstörung von Kulturgütern durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verurteilt.

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, sagt in einem Gespräch, was er von dem Beschluss erwartet. Und welche weitere Hilfe nötig wäre.

Welche Wirkung kann die UN-Resolution haben?

Hermann Parzinger: Zunächst einmal ist es ein ganz wichtiges Zeichen der Weltgemeinschaft, hier klar Position zu beziehen. Das schärft das Bewusstsein dafür, was vor allem in Syrien und dem Nordirak derzeit geschieht: Die bewusste Zerstörung von Kulturgut ist ein Kriegsverbrechen! Alle Länder sind jetzt zum Handeln aufgefordert. Wir können nicht in die kriegerischen Auseinandersetzungen vor Ort eingreifen, aber wir müssen die betroffenen Staaten mit Blick auf den späteren Wiederaufbau schon jetzt gezielt unterstützen.

Was sollten wir tun?

Parzinger: Das Wichtigste ist, den illegalen Handel mit gestohlenem oder ausgegrabenem Kulturgut einzudämmen. Solange terroristische Vereinigungen wie der Islamische Staat wissen, dass es einen Markt gibt, dass es Abnehmer gibt, werden sie weiter plündern und rauben.

Stimmt es, dass der IS seinen Terror so finanziert?

Parzinger: Angeblich soll der Umsatz aus dem illegalen Antikenhandel inzwischen an dritter Stelle hinter dem Drogen- und Waffenhandel liegen. Ob das wirklich so ist, wissen wir nicht genau, aber man kann sich ausmalen, dass es auf jeden Fall erhebliche Summen sind. Dass ein Teil auch in die Finanzierung von Terroraktionen des IS fließt, darf man annehmen. Immer mehr Gas- und Ölfelder stehen ja durch die Luftangriffe nicht mehr als Einnahmequelle zur Verfügung, das macht den illegalen Antikenhandel noch interessanter.

Was passiert denn in den betroffenen Ländern konkret?

Parzinger: Zweierlei. Das eine ist die bewusste und gezielte Zerstörung von Weltkulturerbe aus ideologischen Gründen zu Propagandazwecken. Wir haben das etwa im Museum in Mossul erlebt, in Hatra, in Nimrud und in Ninive. Wir bangen darum, dass Ähnliches sich jetzt nicht auch in Palmyra wiederholt. Dann gibt es aber auch noch eine andere Art der Zerstörung, nämlich die systematische Durchwühlung von bekannten und unbekannten archäologischen Stätten auf der Suche nach wertvollen Antiken: Statuen, Schmuck aus Gold- und Silber, Rollsiegel, Keilschrifttafeln usw. Es gibt Luftbilder von riesigen Fundplätzen, die nur noch aus Kratern bestehen, einer neben dem anderen. Und wer mit Bulldozern und anderem schwerem Gerät im Orient Fundschichten durchpflügt, zerstört die historischen Zusammenhänge unwiederbringlich.

Was tun Sie als Stiftung?

Antwort: Wir haben ein Fortbildungsprogramm für die gezielte Schulung in den neuesten Restaurierungstechniken, wir schicken dringend benötigte Materialien, die es vor Ort nicht gibt, etwa säurefreies Verpackungsmaterial für archäologische Objekte. Darüber hinaus arbeiten wir mit Partnerinstitutionen im Irak an der Konzeption eines umfangreichen Maßnahmenpakets zum „capacity building“ im Bereich des Kulturgutschutzes. Wir tun dies in enger Abstimmung mit internationalen Organisationen wie der Unesco oder dem Internationalen Museumsrat ICOM.

Hilft die Wissenschaft?

Parzinger: Schon seit längerer Zeit arbeiten wir zusammen mit dem Deutschen Archäologischen Institut am Syrian Heritage Project, das vom Auswärtigen Amt finanziert wird. Dabei digitalisieren wir die gesamte Dokumentation, die wir über Kulturstätten in Syrien haben. Das soll später die Grundlage für einen schnellen und zielgerichteten Wiederaufbau sein.

Neu ist außerdem „ILLICID“, ein vom Bundesforschungsministerium finanziertes Projekt zur Dunkelfeldforschung, das kürzlich unter Federführung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angelaufen ist – mit zahlreichen Partnern, auch Ermittlungsbehörden. Dabei erforschen wir die Wege und Mechanismen des illegalen Antikenhandels in Deutschland, um dann effektiver präventive Maßnahmen treffen zu können, aber auch Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

ZUR PERSON: Hermann Parzinger (56) ist seit 2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Zuvor war der gebürtige Münchner und habilitierte Vor- und Frühgeschichtler für das Deutsche Archäologische Institut tätig, von 2003 bis 2008 als dessen Präsident. Bis heute leitet er zahlreiche Ausgrabungs- und Forschungsprojekte und veröffentlicht regelmäßig, zuletzt die Menschheitsgeschichte „Die Kinder des Prometheus“.  

(dpa)

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