Lorin Maazel – Dirigenten-Wunderkind und Alleskönner gestorben
Lorin Maazel war unbestritten ein musikalisches Jahrhundert-Genie. Er starb nach einer längeren Erkrankung gestern, am 13. Juli 2014, in Castleton-Farms/Virginia.
Geboren am 6. März 1930 in Neuilly-sur-Seine bei Paris, stand er in seiner 75-jährigen Karriere als Dirigent und Geiger auf den internationalen Konzertpodien und in den Orchestergräben der berühmtesten Opernhäuser stand.
Er leitete mehr als 150 Orchester in ca. 5.000 Aufführungen und hinterlässt mehr als 300 Tonträger-Aufnahmen. 1964 übernahm er von Ferenc Fricsay das Radio-Symphonie-Orchester (RSO) Berlin (heute: Deutsches Symphonie-Orchester Berlin), das er bis 1975 als Chefdirigent leitete. Von 1965 bis 1971 war er daneben als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin tätig.
Von 1982 bis 1984 wirkte er als Intendant der Wiener Staatsoper. Er war langjähriger Chefdirigent von Chor und Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks und leitete von 2002 – 2009 die New Yorker Philharmoniker und wechselte 2012 wieder nach München als Chef der Münchner Philharmoniker; bereits im April dieses Jahres hatte Maazel alle Engagements absagen müssen.
Von 1993-2002 hatte ich genügend Gelegenheit, Maazel in der bayerischen Metropole zu erleben, wo er Chef des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks war mit der höchsten Gage, die jemals ein Dirigent bekommen hat. Wiederholt habe ich bei den Konzerten Maazels seinen Vater Lincoln Maazel gesehen, der im September 2009 im Alter von 106 Jahren auf der Maazel-Farm in Castleton/Virginia gestorben war.
Die Maazels waren russisch-jüdische Einwanderer. Der Großvater von Lorin Maazel war Konzertmeister an der Metropolitan Opera in New York. Lincoln Maazel war viele Jahre Direktor des Pittsburgh Symphony Orchestra; diese Position hat Lorin Maazel neben seinen vielen anderen Engagements von 1988-1996 ebenfalls innegehabt. Maazel ist in Pittsburgh aufgewachsen und hat bereits mit 11 Jahren vor Tausenden von Zuhörern dirigiert.
In Anlehnung an das berühmte Buch von George Orwell komponierte Lorin Maazel die Oper „1984“, deren Uraufführung er am 3. Mai 2005 am Royal Opera House Covent Garden, London, dirigierte. Die Titelpartie sang Deutschlands „Königin der Koloraturen“, Diana Damrau. Maazel war Vater von sieben Kindern und war in dritter Ehe mit der Schauspielerin Dietlinde Turban verheiratet (geb. 1957 in Reutlingen); ihr Bruder Ingolf ist ein erstklassiger Geiger und war Konzertmeister unter Lorin Maazel in München.
Ich bin in eine harte Schule bei einem Privatlehrer gegangen
Lorin Maazel beklagte, dass es heutzutage genügend Menschen gibt, die sich Dirigenten nennen, nur weil sie einen Taktstock vor einem Orchester bewegen.
„In der Musik bewegen sie nichts! Es dirigieren Manager, Politiker, Tänzer und Sänger. Das ist eine tragische Entwicklung. Der gute Ruf meines Berufes ist jedenfalls dahin. Gott sei Dank habe ich nie nachhaltig an einem Konservatorium studiert, deshalb habe ich auch so viel gelernt. Ich bin in eine harte Schule bei einem Privatlehrer gegangen, der u.a. von mir verlangte, dass ich jeden Tag eine Fuge niederschreibe. Und ich musste alle Orchesterinstrumente studieren. Das habe ich mehr oder weniger gut bewältigt. In meinen jungen Jahren lebten noch Dirigenten wie Fritz Reiner und Otto Klemperer, de Sabata und Toscanini, Furtwängler und Erich Kleiber. In dieser Gesellschaft der Götter fühlte ich mich als Null, obwohl ich nachweislich ein Naturtalent für die Musik hatte…“
Der Vater von Lorin Maazel war Sänger und Schauspieler, die Mutter kam aus einer Mediziner-Familie. Der Urgroßvater mütterlicherseits war Dirigent der Militärkapelle des Zaren von Russland. Der Vater erkannte sehr früh die enorme Begabung seines Sohnes und dessen absolutes Gehör. Zunächst bahnte sich eine mögliche Laufbahn als Geiger an; tägliches Üben von neun Stunden war neben dem Studium von Sprachen und Literatur keine größere Anstrengung. Aber schließlich war der Weg ans Dirigentenpult doch die eigentliche Herausforderung für den Künstler Lorin Maazel.
Er hat u.a. auch fast 30 Jahre mit den Berliner Philharmonikern gearbeitet, war mit dem Orchester wiederholt auf Tournee und wäre ein geeigneter Nachfolger Herbert von Karajans gewesen.
„Ich hatte den Vorstand des Orchesters vor der Wahl wissen lassen, dass ich nicht als Kandidat zur Verfügung stünde, da ich nicht vorhatte, Karajan zu beerben. Das ist wahrscheinlich nie bekannt geworden. Françoise Sagan schrieb einmal‚ das einzige, was man nie erzählen sollte, ist die Wahrheit“.
Lorin Maazel musste über finanzielle Sorgen nicht nachdenken. „Ich habe viele Jahre darauf hingearbeitet, in einem bestimmten Alter nur noch zum Vergnügen musizieren zu können. Das habe ich erreicht.“
Die gewaltige Gedächtnisleistung wird die Musikwelt immer bestaunen. Er dirigierte alles auswendig – phänomenal. Ob er ein leidenschaftliches Herz für seine Künstler – ob Instrumentalist oder Sänger – hatte, bleibt ein kleines Rätsel. Ein Maestro von Weltbedeutung hat das Podium für immer verlassen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion